TERZ 12.19 – RECHT AUF STADT
Dieser Artikel hieß in der TERZ 12/19 einmal anders. Wir haben ihn in der ursprünglichen Fassung aus dem Netz genommen, wegen einer Klageandrohung der Familie, deren Name nicht mehr genannt werden dar, weil sie fürchtet, identifiziert werden zu können. Deswegen nennen wir die Familie nun Unbenannt.
Ende 2019 protestierte das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum vor einem Haus in bester Wohnlage Düsseldorfs gegen das Vorgehen einer Familie und deren Immobilienentwicklungsfirma. Die Interventionistische Linke brachte ein Transparent am eingerüsteten Haus an.
Den Mieter*innen des Hauses wurde von Familie Unbenannt (U.) wegen Eigenbedarfs gekündigt. Eine Mieterin wohnte dort seit 19 Jahren und sollte Ende Februar 2019 ausziehen, weil U. und dessen Töchter einziehen wollten. Die Mieterin setzte sich zur Wehr, wollte nicht einfach ausziehen, zweifelte die Rechtmäßigkeit der Kündigung an. Und erhielt daraufhin Briefe von einer Anwaltskanzlei, die ihr enorme Kosten androhte, wenn sie nicht fristgerecht ausziehe. Stark belastet von der Situation, hat sie die Wohnung schließlich verlassen.
Jetzt hängt an dem Haus, in das Teile der Familie U. einziehen wollte, ein Banner, das ankündigt, dass dort exklusive, moderne und stylische Loftwohnungen entstehen. Baubeginn war Mitte 2019. Nur drei Monate nach dem geplanten Auszug der Mieter*innen. U. versichert allerdings, dass er nach Abschluss der Bauarbeiten in dieses Haus einzuziehen gedenkt. Wie viele Wohnungen er nutzen will, ist allerdings unklar.
Das ist nicht die einzige Geschichte, die über diese Familie und deren Firmen erzählt werden kann. Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum unterstützt seit Juli 2019 Mieter*innen aus mehreren Düsseldorfer Stadtteilen, die sich gegen deren Vorgehen zur Wehr setzen.
Auch ihnen wurde wegen Eigendedarfs gekündigt, in Pempelfort erstmalig für die U.-Gattin, für die Tochter, zum zweiten Mal (diesmal in Unterbilk) und für die andere Tochter, zum zweiten und dritten Mal (einmal in Pempelfort und einmal in Unterbilk). Auch diese Kündigungen sind nach Aussagen der U.s rechtmäßig.
In Pempelfort sind bereits drei von vier Mietparteien ausgezogen, in Unterbilk wehren sich die Mieter*innen weiterhin.
In Düsseldorf gibt es zahlreiche skandalöse Beispiele von Entmietungen, die deutlich machen, dass Mieter*innen sich nicht nur alleine wehren sollten. Denn das alles hat System. Häuser werden aufgekauft, die Leute mit Mieterhöhungen und Eigenbedarfskündigungen zum Auszug bewegt und die Häuser luxussaniert, um sie dann gewinnbringend zu verkaufen oder zu vermieten. Aber es gibt immer mehr Protest gegen diese Vorgehensweise, und das Bündnis unterstützt den Protest und die Vernetzung untereinander. Und das ist dringend notwendig.
„Häufig stehen Mieter*innen erst einmal alleine großen Investor*innen gegenüber. Vielen Menschen macht das Angst, sie geben irgendwann einfach nach und ziehen aus", so Marlene Wöhlers vom Bündnis für bezahlbaren Wohnraum. „Doch das müssen wir dringend verhindern. Denn wenn immer mehr Wohnungen verloren gehen, in denen zuvor die Mieten noch bezahlbar waren, werden weniger gut verdienende Menschen immer weiter an die Stadtränder vertrieben." Dass Eigenbedarfskündigungen für Vermieter*innen ein beliebtes Mittel sind, um ihre Mieter*innen loszuwerden, zeigt auch der Anstieg der Gerichtsprozesse wegen dieser Kündigungen. Alleine von 2011 bis 2017 ist die Anzahl der Gerichtsprozesse um 30 Prozent gestiegen. Im Jahr 2017 sollen es über 13.000 Verfahren bundesweit gewesen sein. Eigenbedarfskündigungen sind in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen möglich, wenn Eigentümer*innen eines Hauses in eigene Räumlichkeiten einziehen möchten und wenn ihm*ihr keine anderen vergleichbaren Wohnungen zur Verfügung stehen. „Damit die Mieter*innen eine realistische Chance haben, gegen den drohenden Eigenbedarf vorzugehen, sollten Vermieter*innen bei Eigenbedarfskündigungen verpflichtet sein, den Bestand ihrer weiteren Immobilien in der Stadt zu veröffentlichen. So könnte überprüft werden, ob es nicht anderen passenden Wohnraum gibt. Das ist zur Zeit nicht möglich. Neben einem Mieterverein, der Mieter*innen juristisch unterstützt, wäre daher zusätzlich eine Art Gewerkschaft für Mieter*innen notwendig, die diese vernetzt, ihre Rechte ausbaut und durchsetzt", so Wöhlers weiter. „Außerdem ist es dringend notwendig, die unterschiedlichen Geschichten öffentlich zu machen. Betroffene Mieter*innen können sich vernetzen, und manchmal wird erst durch die Öffentlichkeit deutlich, was sich hinter Eigenbedarfskündigungen verbirgt. Darauf reagieren die neuen Eigentümer*innen oft sehr empfindlich." So auch in diesem Fall: wenn es nach Familie Unbenannt ginge, würden das Bündnis und die Mieter*innen nichts mehr zu den Geschichten der vier Häuser sagen. Mit 40-seitigen Abmahnschreiben versuchen die Familie und ihre Anwält*innen, die Betroffenen ruhigzustellen.
Das Bündnis hat mit einer Freiluftwohnung in Bilk im August 2019 auf das Vorgehen der U.s aufmerksam gemacht und die Presse dazu eingeladen. Zwei Vertreter*innen des Bündnisses haben daraufhin Abmahnungen erhalten, ebenso wie die Mieter*innen aus Bilk und die Vertreter*innen der Presse, die über die Familie namentlich berichtet haben.
Die Abmahnungen kamen von einer Anwaltskanzlei, für die auch der extrem rechte ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen arbeitet, und die unter anderem dadurch bekannt geworden ist, dass sie den türkischen Präsidenten Erdoğan vertrat. Die Kanzlei steht immer wieder in der Kritik, da sie juristisch besonders hart gegen Journalist*innen vorgeht.
Ralf Höcker verfasste einen Artikel mit dem Titel: „Journalisten-Bedrohung ist okay!" In diesem Sinne wurden einige Pressevertreter*innen mit der Ankündigung von horrenden Strafzahlungen unter Druck gesetzt und mussten Unterlassungserklärungen unterschreiben, ihre Berichte verändern bzw. die Veröffentlichungen aus dem Internet entfernen. Report D, die WZ, die NRZ, Sat1, der WDR und Spiegel TV waren oder sind betroffen. Hier ging es nicht um Gegendarstellungen oder Dementi, hier sollte die komplette Berichterstattung verhindert und alle Menschen, die sich dazu äußern, mundtot gemacht werden. Das Ziel scheint klar: niemand soll über das Vorgehen der Familie U. berichten, ihr Name soll nicht negativ in der Öffentlichkeit auftauchen. Niemand soll die Gelegenheit haben, die Zusammenhänge zu erkennen. Möglicherweise könnten noch mehr Geschichten ans Licht kommen, als zur Zeit angenommen wird. Die Strategie der U.s geht nicht auf. Nur weil auf der Homepage des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum diese Geschichte nicht gelöscht wurde, hat sich die betroffene Mieterin gemeldet. Außerdem konnte das Bündnis in Erfahrung bringen, dass die U.s über weiteren Wohnraum in Düsseldorf verfügen. So steht ein ganzes Haus in bester Wohnlage leer und in Flingern sollen die Töchter mit einem Nebenwohnsitz gemeldet sein. „Wir und viele andere werden uns nicht einschüchtern lassen und weiterhin über das Vorgehen der U.s und deren Firmen berichten, auch dann, wenn Vertreter*innen des Bündnisses weitere Abmahnschreiben erhalten, wie geschehen nach der aktuellen Aktion”, so Wöhlers. „Wir werden weiterhin den Widerstand gegen ungerechtfertigte Eigenbedarfskündigungen, Entmietungen und Luxussanierungen unterstützen. Wir werden auch das Vorgehen anderer Eigentümer*innen öffentlich machen und weiter für eine Stadt kämpfen, in der nicht Immobilienfirmen ganze Stadtteile durch Luxussanierungen verändern können, in der Menschen ihr Zuhause behalten dürfen und bezahlbarer Wohnraum zu finden ist. Wir werden weiterhin für eine Stadt kämpfen, in der nicht Geld und Anwaltsfirmen bestimmen, was öffentlich gemacht wird und über welche Themen die Presse berichten darf. Wir vom Bündnis rufen daher alle Mieter*innen, insbesondere ehemalige oder aktuelle Mieter*innen der Familie Unbenannt dazu auf, sich bei uns zu melden."
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum
Vermeintliche Eigenbedarfskündigungen und Strategien dagegen stehen auch bei der Bündnis-Veranstaltung am 3.12. um 20 Uhr im zakk mit auf der Agenda.
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum
Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum Düsseldorf hat das Ziel, als starke Gemeinschaft Druck auf die Stadt auszuüben und real bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Von Eigenbedarfskündigungen, Entmietungen und Luxussanierung betroffene Mieter*innen können gerne Kontakt aufnehmen.
Kontakt und Informationen zu vergangenen und zukünftigen Aktionen gibt es hier:
https://bezahlbarer-wohnraum-duesseldorf.de
oder per Mail an info[at]bezahlbarer-wohnraum-duesseldorf[dot]de
Folgende Initiativen / Organisationen sind Bündnismitglieder:
Agentur für urbane Unordnung
Altstadt Armenküche
Arbeit und Leben
AStA der FH Düsseldorf
attac!
Die Linke KV Düsseldorf
DKP Düsseldorf
fiftyfifty
Initiative K
i Furiosi organisiert in der Interventionistischen Linken
Interventionistische Linke Düsseldorf [ see red!]
In der Gemeinde leben
katholische Arbeitnehmerbewegung Stadtverband Düsseldorf
Kiefernstraße
Mittwochsfrühstück der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten
Runder Tisch Oberbilk
SWT e.V.
Ver.di Düsseldorf
vision:teilen