Goldwäscher an der Düssel in Gerresheim

Die Entwicklung der bundesdeutschen Baulandpreise spiegelt sich in den dreckigen Pfützen der 200.000 Quadratmeter großen Brache auf dem Gelände der ehemaligen Gerresheimer Glashütte wider. Es gibt verschiedene Zahlen zur Bodenspekulation: 1.900 Prozent Anstieg der Grundstückspreise in den letzten Jahrzehnten, allein für München 39.900 Prozent seit 1962. Es lohnt sich. 80 Prozent der Neubaukosten fallen nach Angaben der Süddeutschen Zeitung für den Kauf von Grund und Boden an. Gewinne aus Immobilienverkäufen müssen nach einer Frist von zehn Jahren nicht mehr versteuert werden.

Ein neues Beispiel für Geldverdienen durch Nixtun entwickelt sich vor der eigenen Haustür: Startschuss 2005 mit dem Verkauf der abgewickelten Gerresheimer Glashütte durch den US-Konzern Owens Illinois (O-I) an den deutschen Immobilienmagnaten Patrizia. Ein solches Geschäft hätte sich der weltmarktführende Glass Bottle Manufacturer nicht träumen lassen. Schon vor rund 100 Jahren hatte er mit der automatischen Flaschenproduktion neue Technik nach Gerresheim exportiert und Kapital abgesaugt. Und nun eine Melange von „Schrotthaufen“ und Giftmülldeponie. Die Kontenbewegungen sind nicht öffentlich. 20 bis 30 Millionen soll die Patrizia AG an Owens überwiesen haben.

Diese Millionensummen lassen darauf schließen, dass O-I, Patrizia und die Stadt Düsseldorf den Klassencharakter des Aschenputtel-Märchens kannten: Die Guten ins Töpfen, die Schlechten ins Kröpfchen.

Die Stadt Düsseldorf verzichtete unter der Ägide von Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU) darauf, bei O-I darauf zu dringen, dass angesichts der schwarzen Zahlen die Arbeitsplätze gesichert würden.

Umgekehrt beschimpfte Erwin die Vertreter*innen des Betriebsrates und des Solidaritätskomitees, darunter die DKP Gerresheim, als „Rattenfänger“, weil diese den Protest im Düsseldorfer Rathaus nicht einstellen wollten.

Die Stadt Düsseldorf verzichtete angesichts der Wohnungsknappheit in der Landeshausstadt darauf, sich ein Vorkaufsrecht für das gesamte Areal von 300.000 Quadratmetern zu sichern.

Die Stadt Düsseldorf verzichtete darauf, von O-I oder Patrizia die Entgiftung von 100.000 Quadratmetern verseuchten Bodens zu fordern, sondern halste sich die kontaminierte Fläche selber auf.

Die Stadt Düsseldorf verzichtete auf die Umsetzung der Bürger*innenbeteiligung („Werkstattverfahren)“, die sie aufwändig angestoßen hatte.

Gewinner: O-I und Patrizia. Verlierer dieses schäbigen Geschäfts: die Bürger*innen in Düsseldorf, die bezahlbaren Wohnraum suchen.

Der „Wert“ des Grundstücks stieg weiter: 2012 auf 60 Millionen, 2017 durch den Verkauf von Patrizia an Brack Capital Properties auf 120. Und 2019 über Adler Real Estate auf 375 Millionen Euro. Gleichzeitig wurde das Gelände „verdichtet“: von 1.200 auf 1.700 Wohneinheiten. 2021 ist als Baubeginn angedacht. 375 Millionen Euro sollen sich amortisieren. Summa summarum für Boden und Bau rund 1 Milliarde Euro. Belastbare Angaben über die genauen Miethöhen liegen nicht vor ...

Investor*innen und Spekulant*innen müssen im Blick haben, dass die Bürger*innen schon einmal über den Tisch gezogen wurden, als ihnen mit der Freiraumgestaltung des Geländes ein florales Wunder in Blau versprochen wurde. Es handelt sich um blaue Blüten, mit der die Landschaftsarchitektin Hannelore Kossel, Berlin, das Gelände in Anlehnung an das blaue Gerrix-G, dem Firmen-Emblem am Glasturm, verzieren wollte.[1]

„Sinn für Geschichte zeigt Hannelore Kossel: Sie greift das Blau der Glashütte auf, um Teile des Bodens mit blau blühenden Pflanzen zu bedecken. Blauglockenbäume (Paulownia) sollen Erkennungszeichen in allen Alleen sein“, geriet die NRZ ins schwären.[2]

Es entsteht die Assoziation zum Blauen Wunder in Dresden, nur nicht aus Eisen und an der Elbe, sondern aus Blüten und an der Düssel ...

Die blühenden Landschaften lassen allerdings seit Jahren auf sich warten. Selbst die verrohrte Düssel, der Grenzfluss zwischen privatem und städtischem Areal, hat den Underground noch nicht verlassen. Aber es ist absehbar, dass dieser Klondike River gehoben wird. Die Goldwäscher*innen im Westen warten darauf.

Von der DKP bis in Kreise der CDU reicht die Gruppe der Kritiker*innen, die der Stadt vorwerfen, das Heft des Handelns aus der Hand gegeben zu haben. Überdimensionierte Spekulationsgewinne vertragen sich nicht mit demokratischen und sozialen Mehrheitsentscheidungen.

Am 26. November könnte dazu die – vorerst – letzte kontroverse Debatte im Gerresheimer Rathaus gelaufen sein. Die CDU plädierte weiterhin für die ursprüngliche Planung von 1.200 Wohneinheiten, die anderen Fraktionen für die neu geplanten 1.700 Wohneinheiten. Der Antrag der CDU wurde mehrheitlich abgelehnt. Somit werden mehr Menschen auf dem Areal wohnen können. Und der Investor dürfte sich über die zu erwartenden zusätzlichen Einnahmen freuen. Frage: Welche Bauplanung könnte den Interessen des Investors am ehesten gerecht werden? Zugesagt: Kindergarten, Gastronomie, Grundschule (?), Neben Überlegungen zur Gewinnerwartung, zur Baudauer und letztlich zum „netten“ Blumenschmuck spielten die zu erwartenden Mieten nahezu keine Rolle.

Uwe Koopmann

[1]  Siehe auch: https://nrz.de/staedte/duesseldorf/bluete-und-untergang-der-glashuette-id5080683.html
[2]  Siehe: https://google.com/search?q=paulownia+baum Siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Flora_(Mythologie)