TERZ 12.19 – FAHR‘N FAHR‘N FAHR‘N
Am 28. November beschloss der Rat mit knapper Mehrheit den Erhalt der drei bisher eingerichteten Umweltspuren, obwohl Massen von freien Bürger*innen freie Fahrt gefordert hatten und die Auto-Apokalypse ausbrechen sahen. CDU und FDP sprangen auf die Welle auf. Besonders tat sich dabei die liberale Seniorinnen-Bikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hervor. Sie kultivierte einen Populismus der Mitte und begann ihren Kommunal-Wahlkampf auf der dritten Umweltspur, indem sie sich als dritte Mitfahrerin anbot. Die TERZ sprach mit Norbert Czerwinski, dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünen, über die hitzige Auseinandersetzung und die Schwierigkeiten der Düsseldorfer Verkehrswende, die Kurve zu kriegen.
TERZ Wie sieht die vorläufige Bilanz der Grünen zu den Umweltspuren aus, oder ist es für ein solche Bilanz noch ein bisschen früh?
Norbert Czerwinski Es ist noch ein bisschen früh, der Versuch ist auf ein Jahr angelegt. Aber zu den Ostern gestarteten beiden Umweltspuren liegt jetzt eine erste Evaluation vor. So viel kann man jetzt schon sagen: Die Befürchtungen, dass es zu gefährlichen Situationen und übermäßigen Staus kommen würde, haben sich nicht bewahrheitet. Und die Staus, die haben sich auch reduziert. Und für die dritte Spur ist zu beobachten, dass es auf der Corneliusstraße nun weniger Autos gibt. Der Verkehr ist flüssiger. Und am Werstener Kreuz sind es nicht mehr die harten Szenen, die es am Anfang gegeben hat. Aber dort ist die Situation nicht OK. Wir müssen noch deutlicher auf die Möglichkeit hinweisen, dass Fahr-Gemeinschaften die Umweltspur nutzen können und die Rheinbahn muss verstärken.
TERZ Gibt es schon Zahlen zu den Auswirkungen auf die Stickstoffdioxid-Belastungen?
Norbert Czerwinski Die ersten Messungen besagen, dass die Werte auf der Corneliusstraße runtergegangen sind. Also das, was wir erreichen wollten, nämlich zehn Prozent weniger Fahrzeuge in der Innenstadt, um die Grenzwerte einhalten zu können, scheint erreicht zu werden. Aber der Zeitraum ist noch zu kurz, wir müssen auch noch mal gucken, ob es vielleicht an der Wetterlage liegt.
TERZ Das war konkret so formuliert: Wir wollen zehn Prozent weniger Autos in der Innenstadt?
Norbert Czerwinski Die Bezirksregierung hat gesagt: Nehmt ein Instrument, das die Verkehrsbelastung in der Innenstadt reduziert. Dann wurde ausgerechnet, dass man mit diesen Maßnahmen zehn Prozent erreichen kann und dass das genügt, um die Grenzwerte einzuhalten. Und es scheint zu funktionieren.
TERZ Manche sagen: Man hätte zunächst die Angebote für die Autofahrer verbessern sollen, also mehr Park & Ride-Parkplätze, einen Shuttlebus-Verkehr, bessere ÖPNV-Angebote, bevor man eine Auto-wegnimmt.
Norbert Czerwinski Die Idee dieser Auto-Spur stammt ja nicht mal von Grünen, sie stammt vom TÜV-Rheinland und ist von 1993, als die Diskussion über die Reduzierung des Innenstadt-Verkehrs aufkam. Er hat vorgeschlagen: Nehmt eine Fahrspur weg, alles andere ist Humbug. Diese Diskussion ist jetzt 20, 25 Jahre alt, aber man hat sich in Düsseldorf sehr schwer getan, Maßnahmen zu ergreifen. Und jetzt wird man bestraft dafür, dass man hier in Sachen „Verkehrspolitik“ gepennt hat. Aber auch wenn es länger dauert, die Kapazitäten im ÖPNV auszubauen, verstehe ich nicht, dass nicht mit großen Schildern darauf hingewiesen worden ist: „Hier ist ein Park & Ride-Parkplatz“, „Hier können Sie umsteigen“, „Hier können Sie Fahrgemeinschaften bilden“. Man hat natürlich auch den Start der Umweltspur ausgerechnet mit der besucherstärksten Messe, die wir nur alle vier Jahre haben, zusammengelegt, und dazu kamen noch Baustellen. Man muss doch vorher überlegen, was im Zuge der Einführung dazu führen könnte, dass die Umweltspur diskreditiert wird, und diese Faktoren dann versuchen auszuschalten. Kommunikationsmäßig war es ein Desaster.
TERZ Kritiker merken an, dass die Umweltbelastung durch die längeren Staus sogar noch wachse.
Norbert Czerwinski Das ist Quatsch, weil eine Umweltbelastung auf einer Straße mit Wohnbebauung eine andere Qualität hat als eine bei einem Stau auf der Autobahn. Außerdem gibt es auch die Möglichkeit, dass man im Stau nicht die ganze Zeit den Motor laufen lässt. Moderne Fahrzeuge schalten sich dann auch ab.
TERZ Wie ist die Entscheidung überhaupt zustande gekommen? Waren die Grünen daran beteiligt?
Norbert Czerwinski Ja, maßgeblich. Wir haben ja angefangen mit den Umweltspuren auf der Merowingerstraße und auf der Prinz-Georg-Straße. In beiden Fällen gab es konkurrierende Belange zwischen Bussen und Fahrrädern, für die jeweils eine eigene Spur gefordert wurde. Dann haben wir gesagt: Lasst uns doch eine Spur nehmen, wo die sich mischen können. Da gab es durchaus auch Bedenken, ob das gut ist. Aber wir haben das probiert, und das war ganz klar ein Ampel-Projekt. Und das hat die Bezirksregierung dann bewogen zu sagen: „Ja, dann macht doch auch eine große Spur quer durch die Stadt.“
TERZ Es gibt eine große populistische Welle gegen die Umweltspuren, vor allem gegen die dritte.
Norbert Czerwinski Also dass es Widerspruch geben würde, war mir klar. Ich hätte aber nicht gedacht, dass die Rheinische Post und der Express eine solche Kampagne fahren würden. Das finde ich auch nicht mehr seriös. Diese Debatten über die wegen der Umweltspur in Leichenwagen verwesenden Körper hatten schon etwas Makaberes. Dabei wurde völlig aus den Augen verloren, dass es um die Gesundheit der Menschen auf der Corneliusstraße geht. Wir machen das ja nicht als Spaß-Veranstaltung.
TERZ Meinen Sie, dass die ganze Auseinandersetzung Auswirkungen auf die Wahl im nächsten Jahr haben kann?
Norbert Czerwinski Ja, sicherlich. Ich glaube, dass die CDU versuchen wird, alle Leute um sich zu scharen, die sagen: Es ist mir scheißegal, wie es den Leuten auf der Corneliusstraße geht, ich will mit meinem SUV in die Stadt fahren. Und wir werden gucken, dass wir die anderen überzeugen.
TERZ Es gab ja auch aus Ihren Reihen Kritik, von Anton Hofreiter, dem Co-Vorsitzenden der grünen Bundestagsfraktion. Er meinte, eine gemeinsame Spur für Busse, Fahrräder, E-Scooter und bestimmte Autos – das könnte nicht klappen.
Norbert Czerwinski Ja, das stimmt. Ich habe ihn daraufhin eingeladen, nach Düsseldorf zu kommen. Wir haben ja auch gesagt: Wir probieren das aus. Man kann sich das theoretisch angucken, man kann aber auch sagen: Mensch, lasst uns das einmal ausprobieren, ob das funktioniert. Ich war skeptisch z. B. bei den Taxifahrern. Wenn man die zulässt und die dann hinter einem Rad herfahren, könnten sie anfangen, den Radfahrer unter Druck zu setzen, fürchtete ich. Deshalb habe ich zum Taxigenossenschaftschef gesagt: Leute, ihr müsst euren Taxifahrern sagen, dass sie sich sich benehmen müssen, sonst heben wir die Taxi-Genehmigung wieder auf. Die Busse sind nicht langsamer, weil sie sich mit den Radlern jetzt eine Spur teilen. Vorher gab es ja auch weder eine Bus-Spur noch eine Rad-Spur. Das einzige, was der Busfahrer jetzt sieht, ist: Die anderen PKW sind weg, und so kommen sie schneller voran. Also ich glaube, das kann funktionieren.
TERZ Die Rheinische Post hat meiner Meinung nach einmal zurecht geschrieben, in Düsseldorf wäre ohne die Klage der Umwelthilfe nichts passiert in Sachen „Verkehrspolitik“. Ich finde, auch im Koalitionsvertrag der Ampel steht nicht viel drin zum Thema.
Norbert Czerwinski Was?! Da steht doch ziemlich viel drin! Ich habe zuerst gedacht, dass wir beim Thema „Verkehr“ nie übereinkommen würden und war dann eigentlich sehr überrascht, dass wir gesagt haben: Wir wollen den ÖPNV-Ausbau, wir wollen neue Straßenbahn-Verbindungen, wir wollen den Radverkehr fördern ... da steht doch schon so einiges drin.
TERZ Aber zum Beispiel kommt die problematische Situation mit den Grenzwert-Überschreitungen auf der Corneliusstraße im Vertrag nicht vor.
Norbert Czerwinski Da gab es den Luftreinhalte-Plan ja auch schon mit all den Maßnahmen, die dann nicht gezogen haben. Und warum haben sie nicht gezogen? Weil die Auto-Industrie betrogen hat. Das ist ja dann aufgeploppt, als wir stutzig wurden, weil die Meßwerte eigentlich hätten deutlich sinken müssen. Und auf einmal haben wir dann festgestellt, dass die gar nicht mehr runtergehen. „Wie kann das denn sein?“, haben wir uns gefragt und dann herausgefunden, dass es an der angenommenen Verbesserung der Fahrzeug-Flotte liegt, die nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht hat. Und das ist das, was die CDU heute noch sagt: Wir brauchen gar keine Umweltspuren, weil die Fahrzeuge mit der Zeit ja sowieso immer sauberer werden.
TERZ Auch auf der Website der Grünen findet man unter den Schlagwörtern „Verkehr“ oder „Mobilität“ immer nur einzelne Punkte wie „mehr Radwege“ oder „mehr ÖPNV“, aber kein Gesamtkonzept.
Norbert Czerwinski Wir haben ja eine ganze Reihe von Programmen. Aber die letzten anderthalb Jahre haben wir gesagt: Wir brauchen keine neuen Ideen, wir müssen gucken: Warum kommen die nicht auf die Straße. Wir haben 2014 wunderbar gesagt, wir machen ein Rad-Hauptnetz von 300 Kilometern – und haben jetzt gerade mal 23 Kilometer geschafft. Das kann in dem Tempo nicht weitergehen, da sind wir stinkesauer. Die Pläne sind da, aber bei der Umsetzung hakt es. Das ist die eine Sache, die wir kritisieren. Die andere ist der Ausbau des ÖPNV. Die Rheinbahn ist lange Zeit sehr knapp gehalten worden. Es fehlen Busse und Bahnen, es fehlt ein Betriebshof mit ausreichenden Kapazitäten für eine größere Flotte. Das braucht Jahre, bis man das aufholt. Da wird aber jetzt viel Geld in die Hand genommen. Über die nächsten Jahre wird die Rheinbahn eine Milliarde investieren. Ein weiteres Thema ist das Parken: Es kann nicht sein, dass man in Düsseldorf hinter’m Bahnhof immer noch umsonst parken kann. Jede Stadt, die die Verkehrswende geschafft hat, ist an das Thema „Parken“ herangegangen. Das wird aber ein bisschen schwieriger mit der FDP. Ansonsten formulieren wir im Zuge der Vorbereitung des nächsten Wahlprogramms auch noch einmal einen umfassenderen Ansatz. Wir haben im August einen Themen-Konvent abgehalten, wo wir zu mehreren Themen, also Umwelt, Verkehr usw., Ideen gesammelt und diskutiert haben. Und bald gibt es einen Workshop, wo wir noch mal dezidiert überlegen: „Wollen wir Tempo 30 in der Stadt?“, „Was sagen wir zur City-Maut?“, um daraus dann ein Paket zu machen.
TERZ Wo gibt es sonst noch Vollzugsdefizite?
Norbert Czerwinski Nicht eine einzige Straßenbahn-Linie, wie wir sie angeregt und beschlossen hatten, kommt an den Start. Auch bei der ÖPNV-Beschleunigung sind wir davon ausgegangen, dass das in vier Jahren vorangeht. Stattdessen haben wir nach vier Jahren nicht einmal 100 Ampeln geschafft, weil die Verwaltung es nicht geschafft hat. Als im Januar die Entscheidung für die Umweltspur fiel, haben wir gesagt: „Nun müsst ihr die Kapazitäten der „Park & Ride“-Parkplätze ausbauen.“ Es kam die Antwort: „Ja, die können wir an der Ickerswarderstraße machen, und da noch und dort“ – da gab es verschiedene Ideen. Nach zehn Monaten ist nichts davon umgesetzt. Und man hätte die Firmen anschreiben können und frühzeitig auf die Umweltspur hinweisen. Aber da ist nichts an Kommunikation gelaufen. Daran arbeite ich mich eigentlich ab.
TERZ Und dieses Vollzugsdefizit, nehmen das nur die Grünen wahr oder tut das auch die SPD?
Norbert Czerwinski Wir sehen es am schärfsten, aber die anderen sehen es auch. Der Oberbürgermeister hat jedoch, als er beschlossen hat, noch mal für das Amt zu kandidieren, eine Pressekonferenz gemacht mit Powerpoint-Folien, wo er stolz verkündet hat, dass seit 2014 23 Kilometer Radwege geschaffen wurden. Davon sind mehr als die Hälfte provisorische Radwege, die zählen eigentlich nicht, und dann musste er auch noch einräumen, dass die 23 Kilometer erst bis Ende 2020 erreicht werden. Das hat er als Erfolg dargestellt. Mir ist das total peinlich.
TERZ Es gab wirklich dieses Ziel, 300 Kilometer Radwege zu schaffen?
Norbert Czerwinski Wir haben gesagt: „Über 300 Kilometer.“ Aber wir schaffen das natürlich nicht in vier Jahren. Wenn es jetzt 200 Kilometer gewesen wären, hätte ich gesagt: Super, 200 Kilometer Radwege, das ist ja gut. Aber 23 ist nichts.
TERZ Ich habe Bekannte, die durchaus guten Willens sind und sich umweltbewusster fortbewege wollen, aber dann eben doch frustiert sind, dass es nicht funktioniert mit der Rheinbahn und dem ÖPNV.
Norbert Czerwinski Der Metro-Bus Linie 3 fährt über die Himmelgeisterstraße. Der könnte auch über die Umweltspur auf der Merowingerstraße fahren. Ich habe das schon ein paar Mal angeregt: „Warum lasst ihr den nicht darüber fahren?“ „Ja, ist da die Umweltspur, da müssen wir mal gucken“, erhielt ich zur Antwort. Seit Januar bin ich da dran. Wir haben erst am Freitag wieder zusammengesessen. Da habe ich noch mal gesagt: „Leute, der fährt da immer noch nicht drüber.“ Da sagt der Rheinbahn-Vorstand zu mir: „Stimmt, da hatten wir mal drüber gesprochen.“ Das ist echt verschnarcht.
TERZ Hat Thomas Geisel Ihrer Ansicht nach ehrliche Verkehrswende-Ambitionen oder nimmt er das Thema nur auf, weil er muss?
Norbert Czerwinski Ich glaube schon, dass er die Verkehrswende will, aber er hat nicht gemacht, was eigentlich sein Job gewesen wäre, nämlich eine Marketing- und Kommunikationsstrategie zu entwickeln. Zu fragen: „Wie bringe ich so ein Thema in die Stadt-Gesellschaft?“, „Wie berede ich das mit den Firmen, mit der Industrie- und Handelskammer?“ – das hat er vergeigt. Und wenn er von erzieherischen Maßnahmen spricht, fühlen die Leute sich davon vor den Kopf gestoßen.
TERZ Ein bisschen Druck scheint aber schon nötig zu sein.
Norbert Czerwinski Ja, und ich bin auch froh, dass es Druck gibt. Die Grünen haben schon in den 1990er Jahren vorgeschlagen, eine Fahrspur wegzunehmen. Das wurde in Grund und Boden verdammt. Ich habe 2009 im Kommunal-Wahlkampf gesagt: „Wir brauchen an den Hauptstraßen Fahrrad-Expressrouten zur Reduzierung des Auto-Verkehrs.“ Da hieß es dann: „Das ist der Tod der Innenstadt.“ Na ja, so was waren wir ja gewohnt. Und dass jetzt die Bezirksregierung sagt: „Ihr müsst das machen!“ – ohne das war es leider nicht möglich. Aus Einsicht ist es in Düsseldorf nicht geschehen.
TERZ Im Moment laufen Vergleichsverhandlungen vor Gericht zwischen der Umwelthilfe, dem Land und den Städten. Wissen Sie, wie da der Stand ist?
Norbert Czerwinski Die Gerichte wollten zunächst im November über die Klage der Umwelthilfe entscheiden. Deshalb hatten wir in Düsseldorf auch den Zeitdruck. Dann haben die Gerichte jedoch Vergleichsverhandlungen angeregt. Mit Düsseldorf sind die Verhandlungen aber noch nicht aufgenommen worden. Wenn wir jetzt am 28. November entschieden hätten, dass wir die Umweltspur aufheben, würde das natürlich für die Vergleichsverhandlungen vor Gericht ein deutliches Zeichen setzen, dass es der Politik nicht mehr wichtig ist, die Luft an den belasteten Straßen besser zu machen. Ohne Alternativ-Lösung einfach die Umweltspur aufheben – ich glaube, das hätte das Gericht dann zu bewerten gewusst.
TERZ Wenn der Rat die Umweltspuren einkassiert hätte, hätten CDU und FDP ja eigentlich sofort eine Alternative parat haben müssen.
Norbert Czerwinski Sie bieten nichts an. Die FDP wollte nur die dritte Spur abschaffen und will erst den großen ÖPNV-Ausbau. Die CDU wollte alle drei abschaffen und schlägt ernsthaft weiteren Straßenbau vor.
TERZ Aber die Klage schwebt ja im Raum.
Norbert Czerwinski Die CDU hat in ihrer Pressemeldung Zweifel an der Aussage vom Oberbürgermeister geäußert, wonach ein Fahrverbot droht. Die Partei würde das ganz anders einschätzen, hieß es da, die Gerichte würden das nicht machen. Ich weiß nicht, wo die das hernehmen.
TERZ Wäre das Diesel-Fahrverbot denn nicht eine zielgenaue Alternative, weil es ja wirklich die richtigen Autos trifft?
Norbert Czerwinski Nein, es trifft nicht die richtigen Autos. Die SUV-Frage ist keine Diesel-Frage. Mein Mann ist Handwerksmeister, er hat sich vor sieben Jahren einen Renault Kangoo gekauft. Und er ist natürlich auch davon ausgegangen, dass es ein sauberer Diesel ist. Für ihn würde es dann aber heißen: „Du darfst nicht mehr rein“, während andere mit ihren dicken Benzinern rein dürften. Natürlich möchte auch ich die Pendler weiter in Düsseldorf halten. Aber wenn ich eine Straße mit zwei oder drei Fahrspuren habe und die mit nur einer Person pro Fahrzeug so ineffizient nutze, dann dann kriege ich die 400.000 Pendler nicht bewegt. Also muss ich gucken: „Wie kann ich die Straßen sinnvoller nutzen?“ Und dazu gehört eben der ÖPNV, dazu gehören aber auch Fahrgemeinschaften. Im Januar wird die Düsselschmiede – ein lockerer Verbund von Stadtsparkasse, Flughafen, Stadtwerke, Rheinische Post, Rheinbahn und anderen – mit einem neuen Portal an den Markt gehen, dass den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit bietet, per App Fahrgemeinschaften zu bilden. So bekomme ich dann eine eine effizientere Nutzung dieser Spur hin.
TERZ Was passiert jetzt nach dem knappen Entscheid, die dritte Umweltspur nicht aufzuheben?
Wir dürfen uns nicht zurücklehnen. Wir dürfen die Kritik nicht pauschal abschmettern, sondern müssen berechtigte Kritik ernst nehmen. Das betrifft die miserable Kommunikation, aber auch Ärger über die nicht erfolgten – und politisch bereits beschlossenen – Maßnahmen: Die Rheinbahn muss kurzfristig den Takt der Metrobuslinie 3 verstärken, sie darf den Schnellbus von Garath/Langenfeld nicht länger am Südpark enden lassen, sondern ihn über die Umweltspur in die City führen. Park & Ride-Parkplätze müssen rasch ausgebaut werden, erst mal provisorisch. Das geht. Und bei der erwähnten Mitfahrer-App verstehe ich nicht, warum sich die Stadtverwaltung mit ihren 10.000 Beschäftigten nicht beteiligt. Das muss bis Januar eingestielt werden. Ich freue mich, dass der OB nach der Entscheidung eingeräumt hat, dass es Fehler gab und jetzt rasch Verbesserungen erfolgen müssen.
Wie ein schlechter Scherz wirkt die Liste, die die Stadtverwaltung im Ordnungs- und Verkehrsausschuss vorlegte: Die U-Bahn soll weiter ausgebaut werden. Jaja, richtig gelesen. Nur so zur Erinnerung: Der Bau der Wehrhahn-Linie hat fast 1 Mrd Euro gekostet. Nicht mit eingerechnet die jahrelangen Folgekosten im Betrieb. Das reicht der Stadt aber offenbar nicht. Die Messe soll einen unterirdischen U-Bahnhof erhalten. Weiterhin soll die nördliche U-Bahn, die jetzt am Kennedydamm wieder ans Tageslicht kommt, bis zur Haltestelle „Reiser Platz“ weitergeführt werden. Das reicht aber immer noch nicht. Langfristig soll auch die den südlichen Teil der Wehrhahn-Linie bis zur Haltestelle Uni-Klinik unter die Erde. Argumente für die hunderte von Millionen teuren Bauvorhaben finden sich Vorlage nicht – nur Allgemeinfloskeln, dass es aus fachlicher und strategischer Sicht dringend erforderlich sei. Allein die Planung kostet vorsichtig geschätzt 14 Millionen Euro und sollen nächstes Jahr im Haushalt bereitgestellt werden.
U-Bahnen sind ein Konzept aus dem letzten Jahrhundert. Die U-Bahn-Pläne für Düsseldorf gehen bis in die 1960er Jahre zurück, als man immer noch von einer autogerechten Stadt träumte, in der weder Fußgänger*innen noch Fahrradfahrer*innen groß vorkamen. Die Zeiten haben sich geändert. Das scheint aber im Rathaus noch nicht angekommen. Die Euros, die man für die Erweiterung der U-Bahn verplant, wären sinnvoller eingesetzt für den Ausbau der Fahrradnetze und beispielsweise der engeren Taktung von Bus und Bahn. Das würde sehr viel mehr bringen.
Irgendwie versteht die Stadt Düsseldorf das mit der Verkehrswende falsch. Da werden auf der einen Seite sogenannte Umweltspuren eingeführt, andrerseits werden neue Straßen geplant bzw. gebaut, die den Autoverkehr in Düsseldorf erleichtern sollen. Ein Beispiel von vielen ist die Umgehung Oberbilk, die gerade in den Bezirksvertretungen und im Ordnungs- und Verkehrsausschuss vorgestellt wird. Daran wird schon seit 16 Jahren rumgedoktort. Nun nimmt das Gestalt an. Entlang der Bahnlinie von der Werdender Straße bis zur Siegburger Straße soll eine vier-spurige „Autobahn“ entstehen, die den Verkehr auf der Kölner Straße entlasten soll. Sie wäre dann die Verlängerung vom Worringer Platz über die Kölner Straße und Moskauer Straße. Eine prima Autobahn, die vor allem dafür gedacht ist, den Autoverkehr schneller aus dem Osten in die Innenstadt zu bringen und dort dann zu Staus führen wird. Ganz tolle Idee. Das bei der Planung mal wieder nicht an eine Fahrradspur gedacht wird, wie bei der Toulouser Allee passiert, ist da nur eine Randnotiz. Gleichzeitig gehen die Planungen weiter für die Nordost-Tangente von Gerresheim über das Metro-Gelände bis nach Fingern bzw. Oberbilk. Diese Planungen sind ein verkehrstechnisches Desaster, das den Autoverkehr in Düsseldorf fördert. Ein entschiedenes Umdenken in den Planungen ist dringend erforderlich.