TERZ 01.20 – AM PRANGER
Seit November 2019 ist der „Ordnungs- und Servicedienst Düsseldorf (OSD)“ nun auch offiziell potenzielle Prügeltruppe. Die ersten Mitarbeiter*innen dürften nach ihrer Zertifizierung als „stocktauglich“ schon heute den sogenannten „Einsatzstock kurz ausziehbar“ mit sich führen. Wir warten förmlich auf den ersten Strafprozess wegen Körperverletzung im Amt. Eine kleine Bitterkeits-Glosse mit Handlungsempfehlung.
Wenn wir der Informationsvorlage der Verwaltung der Stadt Düsseldorf zur Ausschuss-Sitzung vom 27.11.2019 folgen, turnen seit dem 23. November des letzten Jahres Düsseldorfs Sicherheitswachteln vom so genannten „Ordnungs- und Servicedienst“ (OSD) in ihrem hiesigen Revier mit einem Teleskopschlagstock herum. Diese Neuerung erstaunte schon seinerzeit. Hatten sich doch im November 2019 weder die Mitglieder des zuständigen Rats-Ausschusses für Ordnung und Verkehr (unter der Zuständigkeit von Ordnungsdezernent Christian Zaum) noch gar des Rates der Stadt auch nur eine Sekunde lang darüber beraten können, ob die Bewaffnung des OSD in Zweifel zu ziehen oder zu begrüßen sei.
Wie die TERZ im Dezember 2019 berichtete, hatte die Verwaltung den politischen Gremien der Stadt schlichtweg jede Beratungsmöglichkeit abgeschnitten. Stattdessen hatte sie den Ausschuss in öffentlicher Sitzung lediglich darüber informiert [!], dass der sogenannte „EKA“, der „Einsatzstock kurz ausziehbar“ nunmehr eingeführt werde – in Abstimmung mit dem betreffenden Personalrat und nach Zuspruch durch die OSD-Mitarbeiter*innen selbst. Im Budenzauber der gesetzlichen Arbeitsrecht-Sachzwänge hatte die Stadtverwaltung gegenüber dem Ausschuss damit argumentiert, dass die Einführung von Defensiv-Bewaffnung heute unumgänglich sei, wenn die Stadt als Dienstherr der Ordnungsdienst-Kräfte ihre Fürsorgepflicht ernst nähme. Schließlich sei auch die Stadt als Arbeitgeberin dazu verpflichtet, sich an die Bestimmungen des „Gesetzes über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit“ zu halten.
Dementsprechend rüstet die Stadt seit November 2019 ihre OSD-Mitarbeiter*innen nun nach und nach mit dem Einsatzstock aus, für schlappe 8.000 Euro Anschaffungskosten, verbunden mit Folgekosten in Höhe von 12.200 Euro (bis November 2020) sowie weiteren, jährlich akkumulierenden Kosten in Höhe von „ca. 4.000 Euro“.
Als die Verwaltung die Stadt-Politik im November – sogar rückwirkend! – vor vollendete Tatsachen stellte, hat sie keinerlei Diskussionsraum gelassen. Sie wird wissen, warum sie diese Strategie gefahren hat. Denn wo wir auch hinblicken, stolpern wir über Worte der Rechtfertigung. Nachgerade im Streublümchen-Verfahren wiederholt die Stadtverwaltung ihr Legitimierungs-Blabla in Dauerschleife, dass der EKA selbstverständlich ausnahmslos als Schutzbewaffnung zum Zwecke der Eigensicherung ihrer Mitarbeiter*innen zum Einsatz kommen würde. Genau hier liegt allerdings wohl der Knüppel begraben.
So offensiv öffentlichkeitsarbeitete darum wohl kürzlich auch das „Informationsblatt der Personalräte der Landeshauptstadt Düsseldorf“, „BLICKWINKEL“, in seiner Winterausgabe unter der Überschrift „Schutzausrüstung des OSD wird erweitert“. Auf zwei seiner acht Seiten teilte das Magazin seinen Leser*innen wie beiläufig mit, dass und wie sehr die OSD-Mitarbeiter*innen selbst es gewesen seien, die sich ihre Aufrüstung gewünscht hätten. Wo „das gesellschaftliche Klima“ zusehends „verroht“, seien schließlich besonders die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes betroffen von Beleidigungen, Bedrohungen und Gewalt.
Als Ausweg aus dem Angst-und-Schrecken-Szenario, unter dem besonders die OSD-Mitarbeiter*innen in ihrer Konfrontation mit „immer kritischeren Situationen“ zu leiden hätten, hat die Verwaltung zu ihrer Schützenhilfe nun das sogenannte Verwaltungsvollstreckungsgesetz aus dem nicht einmal alten Hut gezaubert. Demnach dürfen sich auch Mitarbeiter*innen der kommunalen Ordnungsbehörden der Ausübung unmittelbaren Zwanges durch körperliche Gewalt befleißigen, sogar unter Zuhilfenahme von Hilfsmitteln wie Reizgas, Fesseln oder Diensthunden oder durch den Gebrauch von Waffen – wie Schlagstöcken, Pistolen oder Revolvern.
Vor diesem Hintergrund können wir uns beinahe glücklich schätzen, dass die Stadtverwaltung nicht gleich den Revolver eingeführt hat, ohne die Politik zu fragen, wie sie das findet.
Immerhin scheint sie sich bei ihrer selbstherrlichen Einführungspraxis zum „Einsatzstock kurz ausziehbar“ durchaus im Rechtfertigungsnotstand zu sehen. Wie ließe sich sonst erklären, dass sie sich in ihrer Argumentation genau dann der Stimmen ihrer OSD-Mitarbeiter*innen bedient, wenn sie diese gerade benötigt. Will die Stadtverwaltung es am Ende etwa nicht selbst und ohne Not entschieden haben, wenn die Sache mit dem Schlagstock schief geht und die erste Person nach einem OSD-Einsatz mit Schädelbasisbruch auf der Intensiv-Station liegt? Will sie sich schon präventiv vor schlechter Presse schützen, indem sie die OSD-Truppe mit ihren angeblich eigenen Wünschen nach mehr Bewaffnung in die erste Reihe schiebt? Wie feige wäre das?
Dazu passt die Rechtfertigungs-Prosa, die wie bestellt auch von Seiten der Personalvertretungen kommt. Umständlich schildert ausgerechnet der zuständige Personalrat Stefan Wittstock (ein gebürtiger Kalauer? Nein, gewiss nicht, die Sache ist viel zu ernst!) mit tränenerstickter Formulierung im „BLICKWINKEL“-Magazin – in Fettdruck: „Es ist traurig, dass es die gesellschaftliche Entwicklung nötig macht, dass wir den OSD mit einer Verteidigungswaffe [Hört, Hört!] ausstatten müssen [!].“ Im Einsatz stünden zwar auch zukünftig „Kommunikation und Deeskalation im Vordergrund“. Doch muss die Stadt nach Schilderung Wittstocks wie unter dem Zwang der Entwicklungen der Tatsache ins Auge sehen, dass angesichts der „täglichen Einsätze“ die „Ausrüstung mit dem EKA aus Arbeitsschutzgründen (leider) notwendig ist.“
Wenn die ersten Platzwunden versorgt werden müssen, weil die OSD-Mitarbeiter*innen mit ihrer neuen Waffe auf Menschen einprügeln, wird der sanfte Herr Wittstock sich elegant auf sein „leider“ und auf die Rauheit der Verhältnisse zurückzuziehen wissen. Er hatte ja quasi keine Wahl.
Ebenso wenig müde wird die Verwaltung – auch der Personalrat! –, wenn es darum geht zu betonen, mit welch‘ großer Sorgfalt die Einführung des EKA nunmehr vollzogen worden sei. Keine Kosten und Mühen scheue die Stadtverwaltung, um durch Schulung und Belehrung ihrer Mitarbeiter*innen zu garantieren, dass der EKA nur defensiv benutzt würde. Schließlich sei „die Bedeutung des neuen Einsatzmittels“ nicht mehr und nicht weniger als: „höchst sensibel“. Wissen die Autor*innen der Verwaltungsvorlage vom 27. November doch offenbar, dass sie mit der Hintertür-Einführung einer gefährlichen Waffe zu weit gegangen sind. Zu weit, um nachträglich nicht so zu tun, als sei dies alles ganz unproblematisch.
Die Schulungsmaßnahmen, die der Ausgabe des EKA an die Mitarbeitenden vorauszugehen haben und die in jährlicher Auffrischung für tadellos ausgebildete OSD-Schlagstockträger*innen Sorge tragen sollen, sind und bleiben aber Kickifatz und Augenwischerei. Denn garantieren können sie mitnichten, dass die für ihre „Stocktauglichkeit“ zertifizierten OSDler*innen nicht mal eben kurz mit den 51 Zentimetern um sich schlagen. Da wird die Prognose auch nicht besser, wenn wir der Personalrätezeitung nun entnehmen, dass bis Ende 2020 erst einmal „Erfahrungen gesammelt“ würden – „im besten Fall die, dass er nicht zum Einsatz“ habe kommen müssen, der neue Einsatzstock kurz ausziehbar.
Von „Müssen“ ist in der Legitimierungsprosa des Personalräte-Blattes vergleichsweise wenig die Rede. Hätten sich die Mitarbeiter*innen des OSD doch in einem lupenrein demokratischen Beteiligungsverfahren mit überwältigender Mehrheit dafür ausgesprochen, den EKA an die Hüfte getacktert zu bekommen – um ihn im Zweifel bereits durch bloßes Vorzeigen zu ihrem Schutz einsetzen zu können, wie es die Informationsvorlage vom 27.11.2019 so herzerfrischend naiv voraussieht.
Dabei müsste „Müssen“ eigentlich extra-groß geschrieben sein. Denn eine Wahl, den EKA als Standard-Arbeitsausrüstung abzulehnen, hatten die ‚Betroffenen‘ schlichtweg nicht. Hier sorgt das Arbeitsschutzgesetz dafür, dass die Mitarbeiter*innen des OSD den Teleskopschlagstock mitzuführen haben, ob sie wollen oder nicht. Denn laut Gesetz sollen sie zu jeder Zeit garantieren können, dass sie alles zu ihrer eigenen Gesundheitsfürsorge und zur Unterstützung der Gesundheit ihrer Kolleg*innen tun. Die entsprechende Dienstanweisung ist in der Mache. Hier könnten OSDler*innen sich allerdings immer noch nonchalant entscheiden, zu dem obligatorischen Zertifizierungs-Modul 1 aus Krankheitsgründen nicht erscheinen zu können. Aber wer glaubt schon an Wunder? Gleichwohl, es gibt ihn noch, den kleinen Schimmer Hoffnung, das Kleinod der Renitenz! Schließlich ist der Personalrat – in Vertretung durch den „(leider)“ nicht wortwitzigen Stefan Wittstock – für „Fragen, Anregungen oder Hinweise […] auch zukünftig ausdrücklich dankbar.“ Sagt er. Im „BLICKWINKEL“ fordern die städtischen Personalräte ganz explizit zu Feedback und Kommentar auf!
Da machen wir das Fass der „Begriffsbestimmung“ zum Thema „Waffe“ doch gerne noch einmal ganz neu auf – und schreiben Briefe und Emails an den netten Herrn Wittstock, seines Zeichens auch ver.di-Ortsvereins-Vorsitzender in Düsseldorf, zu erreichen unter: stefan.wittstock[at]duesseldorf[dot]de .
Denn manchmal ist es ein Akt der grundrechtlichen Stocktauglichkeit, der autoritären Formierung der vorgeblichen Ordnungs- und Sicherheitsstrukturen einfach elegant in die Defensive zu grätschen. Wir nennen das Kommunikations-Guerilla. Mit Hau-Drauf wird der OSD dem nicht entgegentreten können, dafür haben er und die Stadtverwaltung ein viel zu schlechtes Gewissen. Nutzen wir das!
Lektüre-Empfehlung: autonome a.f.r.i.k.a. gruppe / Luther Blisset / Sonja Brünzels: Handbuch Kommunikationsguerilla
5. Auflage, Berlin / Hamburg (2012): Assoziation A.