Ist Antifaschismus (etwa nicht) gemeinnützig?

Der Entzug der Gemeinnützigkeit von Teilen der Bundesvereinigung der VVN-BdA bedroht den Verein akut. Auch in Nordrhein-Westfalen ist die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten vom Fiskus bereits aufs Korn genommen worden. Aber hier wie andernorts bleibt Solidarität eine starke Kraft.

Am 4. November 2019 wurde dem Verein der Bundesvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. (VVN-BdA) die Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt für Körperschaften I des Landes Berlin entzogen. Betroffen von dieser auf den ersten Blick ‚nur‘ steuerrechtlichen Praxis der Finanzämter gegenüber eingetragenen, gemeinwohlorientierten Vereinen, waren dieses Jahr weitere Organisationen wie zum Beispiel Attac, Campact und aktuell Change.org. Auch ihnen soll(te) zuletzt die Gemeinnützigkeit entzogen werden, hier jedoch mit anderer Begründung als bei der VVN-BdA.

Bereits Anfang 2019 hatten die hiesigen Finanzbehörden der VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen die Gemeinnützigkeit zu entziehen versucht. Das Finanzamt scheiterte jedoch an seinen falschen und nicht belegbaren Begründungen. Inzwischen ist durch die nordrhein-westfälischen Finanzämter mit entsprechendem Bescheid bestätigt worden, dass der Versuch der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA in Nordrhein-Westfalen jeglicher Grundlage entbehrt. Denn begründet wird der Vorgang dadurch, dass der bayerische Verein der VVN-BdA in den letzten Jahren im dortigen Verfassungsschutzbericht erwähnt wurde: Dort heißt es, die VVN-BdA sei „linksextremistisch beeinflusst“. Wohlgemerkt, Bayern ist das einzige Land, in dessen Verfassungsschutzbericht die VVN-BdA auftaucht.

Nun bezieht sich dieser Eintrag darauf, dass die VVN-BdA nach Meinung der bayerischen Verfassungsschützer*innen eine „kommunistisch orientierte Form des Antifaschismus“ praktiziere. Diese, so die Einschätzung das Landesamtes für Verfassungsschutz in München, diene allerdings nicht nur der Bekämpfung des Rechtsextremismus, sondern richte sich auch gegen „alle nicht-marxistischen Systeme“ – also auch gegen die parlamentarische Demokratie – deren gegenwärtigen gesellschaftlichen Zustand sie als potentiell faschistisch ansähe, bzw. den sie als Vorstufe zum Faschismus betrachten würde. Belege für derlei Behauptungen bleibt die Innenministeriumsbehörde in Bayern der Welt jedoch schuldig.

Die Parole „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“ erscheint aus der Perspektive derjenigen, die die Verfassung auf diese Weise zu schützen meinen, in dieser simplen Logik in einem ganz anderen Licht: Hinter ihr verberge sich „schlicht die Bekämpfung und Diskreditierung missliebiger anderer Meinungen“. So formulierten es die Verwaltungsrichter*innen in München in ihrem Urteil vom 2. Oktober 2014, basierend auf der Klage der VVN-BdA Bayern, dass die Nennung des Vereins im VS-Bericht von Bayern nicht weiter statthaft sei und gestrichen werden müsse. Das Gericht lehnte die Klage damals ab. Eine Berufung wurde nicht zugelassen.

Die Richter*innen übersahen dabei allerdings völlig, dass die VVN-BdA eine überparteiliche, überkonfessionelle Organisation ist, in der sich Menschen mit verschiedenen Auffassungen und Weltanschauungen zusammenfinden. Dass Kommunist*innen dabei sind, ergibt sich schon aus der Rolle, die sie im Widerstand während der Nazi-Zeit gespielt haben.

Dass sich Anfang des Jahres die nordrhein-westfälische Finanzbehörde und nun auch das Finanzamt in Berlin die Argumentation aus Bayern zu eigen mach(t)en, überrascht nicht. Nichtsdesto­trotz bleibt sie falsch. Denn in NRW und in Berlin ist die VVN BdA – wie in jedem anderen Bundesland auch – ein jeweils eigenständiger Verein. In NRW oder in Berlin auf den VS-Bericht in Bayern zu verweisen, ist darum grundsätzlich strittig. Aber selbst wenn der Blick nach Bayern statthaft wäre(!), bliebe immer noch, dass die vermeintlichen Beobachtungsergebnisse weiterhin aus der Luft gegriffen sind.

Praktisch betrachtet hat der Entzug der Gemeinnützigkeit für die Berliner VVN-BdA zur Folge, dass dort eine Steuernachzahlung in fünfstelliger Höhe anstünde, die die Existenz der VVN-BdA im Landesverein konkret bedrohen würde.

Breite Solidarität

Bundesweit gab es dagegen Protestnoten der unterschiedlichsten Organisationen und Parteien, wie zum Beispiel durch das Internationale Auschwitz-Komitee, von Seiten einiger Gewerkschaften oder der Parteien Die Linke, Grüne, SPD und vieles mehr.

Auch Die Linke und die SPD in Düsseldorf solidarisierten sich mit der VVN-BdA. Die Düsseldorfer SPD verabschiedete am 23.11.2019 auf ihrem Unterbezirksparteitag einstimmig:

„Wir können die Entscheidung, der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, nicht nach­vollziehen. Die SPD ist entsetzt über diese Entscheidung. Das ist in der derzeitigen politischen Situation sehr gefährlich und spielt den erstarkenden Rechtsextremen in die Karten. Die SPD Düsseldorf erklärt sich solidarisch mit der VVN und fordert, dass ihr die Gemeinnützigkeit wieder zuerkannt wird.“

Die großartige Solidarität aus fast allen Bereichen der Gesellschaft wird noch untermauert von den vielen neuen Mitgliedern, die die VVN-BdA als Reaktion auf diesen Angriff in ihre Reihen aufnehmen konnte.

Nicht zuletzt deshalb ist das Berliner Finanzamt etwas zurückgerudert und stundet die eingeforderte Steuerschuld vorläufig wegen „unbilliger Härte”. Damit ist das Thema jedoch nicht vom Tisch. Eine Entscheidung, ob die Perspektive des Finanzamtes in Berlin überhaupt eine rechtliche Grundlage hat, steht aktuell noch aus, ein Bescheid ist noch nicht abschließend ergangen.

Ganz unabhängig davon, ob die Aberkennung der Gemeinnützigkeit gegenüber Vereinsstrukturen der VVN-BdA nun als rechtlich statthaft angesehen wird – oder aus guten Gründen eben nicht – bleiben ganz grundsätzliche Überlegungen. So wird im Zuge der öffentlich wahrnehmbaren Einschränkungs- und Hinderungsversuche durch staatliche Anwürfe einmal mehr deutlich, mit welch großer Energie der Verein in seinen bundesweiten Strukturen in seiner politischen Arbeit seit Jahrzehnten aufgestellt ist. Publikationen, Veranstaltungen, Kampagnen – dies alles ist nur möglich, weil die VVN-BdA auf ihre Mitglieder und Unterstützer*innen bauen kann. Hier in breiten Bündnissen mit lokalen Akteur*innen, dort in bundesweiter Vernetzung mit größeren Zusammenschlüssen oder Kampagnen-Kräften. Realisierbar ist vieles davon aber natürlich nur dank der Spenden, die die VVN-BdA-Vereine erhalten.

An dieser Schlüsselstelle ist die Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA-Vereine allerdings im Konkreten wiederum nicht minder existenzbedrohend. Denn durch den Wegfall von Spendengeldern, die ohne den Gemeinnützigkeitsstatus unter Umständen spärlicher zur Verfügung stünden, wird die politische Arbeit um ein Vielfaches schwieriger. Darüber hinaus aber diskreditiert der Fiskus mit seinen Behörden, verunglimpft die Justiz mit ihren verwaltungsrechtlichen Entscheidungen den Antifaschismus als etwas, das den Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und Unversehrtheit von Menschen- und Grundrechten widerspräche.

In diesem inhaltlichen Punkt lässt sich die VVN-BdA nicht spalten, wird nicht still zusehen, wenn Antifaschismus in Misskredit gebracht werden soll. Weder in Berlin, noch in NRW oder in Bayern. Die Stimmen der Unterstützer*innen werden im Gegenteil lauter, der Verein freut sich über neue Mitglieder, wie eh und je und jetzt erst recht.

Denn was ist – so ließe sich der ‚Ball‘ aufnehmen – gemeinnütziger, als sich gemeinsam stark zu machen gegen jede Form von Rassismus, gegen alte und neue Faschist*innen?

Die Finanzämter haben hier jedenfalls, wenn sie in ihrer Logik fortfahren möchten, deutlich lohnendere Ziele für ihre Schachzüge: In Vereinen wie Uniter, dem Berliner Golfklub am Wannsee, dem DFB oder der Industrie-Lobbygruppe Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik steht die „Gemeinnützigkeit“ als Vereinsprinzip zum Wohle aller schließlich noch einmal ganz anders in Frage.

VVN-BdA Kreisvereinigung Düsseldorf

Mitgliedschaft ist ein starkes Zeichen der Solidarität – wer hierzu Kontakt aufnehmen mag oder die Menschen der VVN-BdA in der Stadt kennenlernen möchte, findet Infos und Kontakt (und ein Mitgliedschafts-Antragsformular) unter: https://duesseldorf.vvn-bda.de/ Wege zum Spenden und zu anderen Unterstützungsmöglichkeiten finden sich hier: https://vvn-bda.de/spenden
Und natürlich könnt Ihr die Petition „Gemeinnützigkeit der VVN-BdA erhalten“ zeichnen unter: https://weact.campact.de/petitions/gemeinnutzigkeit-der-vvn-bda-erhalten