Die Pläne von Laumann & Co.

Der Krankenhaus-Kahlschlag

Die Corona-Krise trifft auf ein Krankenhaus-System, das dafür kaum gerüstet ist. Dabei hätte alles noch schlimmer kommen können. Aber der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann bastelt noch an seinen Einspar-Plänen, mit denen er „Geschichte schreiben“ will.

Alle Corona-Maßnahmen der Politik orientieren sich an einer Richtgröße: den Behandlungskapazitäten der Krankenhäuser. In Nordrhein-Westfalen gibt es rund 350 Kliniken mit 6.148 Intensiv-Betten und 4.223 Beatmungsgeräten. Noch können die Spitäler alles bewältigen, obwohl die Politik ihnen gnadenlose Effizienz-Programme auferlegt und viele in die Privatisierung getrieben hat. Aber Lothar Wieler vom Robert-Koch-Institut warnt schon: „Wir können nicht ausschließen, dass wir hierzulande ebenfalls mehr Patienten als Beatmungsgeräte haben.“

Im Moment klagen die Häuser über große finanzielle Verluste, weil die Pandemie sie zwingt, viele nicht unbedingt nötige Operationen zu verschieben, die ihnen – nach dem Fallpauschalen-System abgerechnet – hohe Einnahmen gebracht hätten. Der Bund hat zwar Unterstützung angekündigt, diese Mittel können jedoch die Lücken nicht schließen. „Das Hilfspaket für die Kliniken, das Minister Spahn geschnürt hat, reicht nicht“, sagt etwa Sebastian Baum vom Krankenhaus Neuwerk in Mönchengladbach laut Rheinischer Post.

Dabei können wir noch von Glück reden. Wäre die NRW-Landesregierung mit ihrem neuen Krankenhaus-Plan schon weiter, drohte noch mehr Ungemach. Aber mit der Umsetzung will Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erst im nächsten Jahr beginnen. Dann steht die große Flurbereinigung an. Als Grund nennt der Politiker die Defizite vieler Kliniken: „Deshalb müssen wir an diese Struktur-Reform einfach ran.“ Welche Richtung das Ganze nehmen wird, geht aus dem Gutachten „Krankenhaus-Landschaft Nordrhein-Westfalen“ hervor, das Schwarz-Gelb als Werkzeug-Kasten dient. Nach dieser Expertise sinkt der Betten-Bedarf im Land bis zum Jahr 2032 um 18.400 auf 84.400. Im Klartext bedeutet das Schließungen, auch wenn die Autor*innen mit ihrer Prognose „keine Empfehlung zur zukünftigen Planung“ abgeben möchten. Den Anfang haben Laschet & Co. schon gemacht. Sie stellen für die Abwicklung einzelner Abteilungen oder ganzer Spitäler Fördermittel aus dem Krankenhaus-Strukturfonds in Aussicht. Laumann schwebt eine gelichtete Krankenhaus-Landschaft mit mehr Zentren und Spezial-Kliniken vor, ohne die Grundversorgung zu gefährden, wie er beteuert. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zeigte sich von dem Vorhaben, mit dem Laumann „Geschichte schreiben“ möchte, angetan. „Das ist eine Blaupause für kluge Krankenhaus-Planung“, konstatierte er. Die Krankenkassen sahen in dem Vorstoß derweil ein Signal, dass die Bundesländer sich den Herausforderungen stellen. Und die Rheinische Post spendete ebenfalls Beifall: „Am Ende wird NRW weniger Krankenhäuser haben, die besser spezialisiert sind und in der Summe weniger kosten. Gut so.“

Es regte sich allerdings auch Widerstand. So gründete sich die Initiative „Regionale Krankenhaus-Infrastruktur erhalten“. Eine ihre Aktivist*innen, Helga Ebel, veröffentlichte in den „Marxistischen Blättern“ unter der Überschrift „Laumanns kranker NRW-Krankenhaus-Plan 2020“ einen Text, der sich im Lichte der Corona-Krise als hochprophetisch erweist. Ebel erinnerte an die im Grundgesetz festgeschriebene staatliche Gewährleistungsverantwortung für die stationäre Gesundheitsversorgung und skizzierte die jetzt schon fatalen Folgen der Ökonomisierung des Systems. Vor allem den Abrechnungsmodus nach Fall-Pauschalen, den sogenannten diagnose-bezogenen Fall-Gruppen (DRG), kritisiert sie. Sie führen ihr zufolge nicht nur zu einem Gewirr von Über-, Unter- und Fehlversorgung, sondern auch zu falschen Weichen-Stellungen. „Krankenhäuser, die (...) alle Patientinnen und Patienten behandeln und Rund-um-die-Uhr-Kapazitäten für Notfälle und andere planbare medizinische Versorgungsereignisse (...) vorhalten, geraten durch das DRG-Abrechnungssystem in finanzielle Schwierigkeiten“, konstatiert Ebel. Zudem hegt sie Zweifel an dem Unterfangen, Behandlungszahlen schon bis zum Jahr 2032 hoch- bzw. tiefrechnen zu können, weil es einfach zu viele Unwägbarkeiten wie Unfälle und Katastrophen gibt. Und sie nennt da nicht nur ganz konkret Epidemien, sondern auch schon die „Ausbreitung bisher selten aufgetretener Keime oder Infektionen“.

Diese sind jetzt da. Aber zu einem Umdenken in der Gesundheitspolitik hat Corona bisher nicht geführt. Umsonst forderte die „Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft“ von Jens Spahn, das Fallpauschalen-System erst einmal auszusetzen, und umsonst forderte die nordrhein-westfälische SPD von Karl-Josef Laumann einen Aufschub der Krankenhaus-Reform. „Die Corona-Krise zeigt, dass die von NRW-Gesundheitsminister Laumann auf einem Gutachten basierende Krankenhaus-Planung zur Umstrukturierung und Zentralisierung der Krankenhaus-Landschaft auf Eis gelegt werden muss. Die Maßstäbe, die zur Planung herangezogen wurden, haben sich im Lichte der Pandemie grundsätzlich verändert“, erklärten die beiden Landtagsabgeordneten Lisa-Kristin Kapteinat und Josef Neumann. Als „unfair, völlig unangemessen und nicht in Ordnung“, bezeichnete Laumann diese SPD-Einlassungen. Er konzedierte zwar, die Erfahrungen mit der Corona-Pandemie bei den weiteren Planungen berücksichtigen zu wollen, bekräftigte aber, der „schon zuvor eingeschlagene Kurs bleibt richtig“.

Jan