TERZ 06.20 – SEI (NICHT) DABEI
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Dieser Artikel über die Kulturliste erreichte die TERZ bereits Anfang März – er entstand also vor dem CoViD-Lockdown. Es erschien uns in der April und Mai Ausgabe der TERZ angesichts der Vollsperrung sämtlicher Kulturbetriebe nicht sinnvoll, auf dieses tolle Projekt aufmerksam zu machen. Jetzt aber, wo verhalten wieder kulturelle Teilhabe denkbar ist, drucken wir ihn ab – auch vor dem nun neuen Hintergrund, dass eine Folge der jetzigen Situation sicherlich sein wird, dass es noch mehr Menschen in unserer Stadt geben wird, die es sich ansonsten nicht (mehr) leisten können, kulturelle Begegnungsorte und Räume des kreativen Austauschs, die uns allen in den letzten Wochen so schmerzlich fehlen, aufzusuchen.
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Düsseldorf rühmt sich gerne mit seiner Kunst- und Kulturszene, große Häuser, berühmte Namen und dann auch noch die Kunstakademie – als Bürger*in weiß man gar nicht mehr wohin vor lauter Angeboten. Ob Sport, Tanz, Theater, Konzert oder Museum, jede Woche gibt es neue Ausstellungen zu bestaunen, neue Performances zu sehen, neue Gelegenheiten, sich in andere Welten entführen zu lassen und dem Alltag zu entfliehen.
Der Alltag lässt eine*n gar nicht so einfach los – vor allem dann, wenn der Geldbeutel nicht groß genug ist, um sich den Kulturgenuss leisten zu können. Wenn ich mich entscheiden muss zwischen Lebensmitteln und dem Gang ins Theater, dann tut es mir leid, lieber Shakespeare, wird es eher ein Butterbrot als Heinrich der Achte. „Aber, aber“, mag mancher schlaue Mensch nun sagen, „es gibt doch ganz viele Angebote in der Stadt, die kostenlos sind, da muss man/frau nur die Augen aufhalten.“ Und das stimmt natürlich, unsere Stadt ist bunt und divers, und es ist für jede*n was dabei, aber trotzdem bleibt die Frage: Ist es nicht unfair, dass ich mir eine Alternative suchen muss, nur weil mir das Geld nicht so locker sitzt? Sollten nicht alle Menschen das gleiche Anrecht auf Kultur haben?
Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage gibt es einen schönen, kleinen Text von 1948, der etwas zu der Thematik beiträgt. Dieser Text ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und Artikel 27 (1) lautet wie folgt:
Jeder Mensch hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.
Das klingt ja schon ziemlich eindeutig … Und jetzt? Freier Eintritt in alle Kulturhäuser? Das ist eine Idee und wird in manchen Städten und Ländern auch schon praktiziert (übrigens auch immer sonntags in den städtischen Museen in Düsseldorf), allerdings mit gemischten Ergebnissen. Ein Großteil aktueller Studien zeigt, dass freier Eintritt zwar die Zahl der Besuche erhöht, aber die tatsächlichen Besucher*innenzahlen sich nicht signifikant ändern – heißt, wenn ich eh schon ins Museum gegangen bin, komme ich jetzt öfter, aber neue Menschen werden nicht wirklich – und vor allem nicht nachhaltig – erreicht.
Also kann freier Eintritt auch nicht die Antwort auf alles sein. Aber irgendwas muss man doch tun können?! Vor allem in einer Stadt, in der, laut dem städtischen Bericht zum „Monitoring zur sozialen Lage in Düsseldorf 2012 bis 2017“, jede fünfte Person in Düsseldorf als armutsgefährdet gilt – Tendenz steigend. Nur um das nochmal festzuhalten:
22 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner beziehen ein Einkommen, das weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung entspricht. Im Beobachtungszeitraum stieg die Quote insgesamt um 2,3 Prozentpunkte an, im Zeitraum vom Jahr 2015 bis zum Jahr 2017 um 2,0 Prozentpunkte.
In Düsseldorf leben nach letzten Zählungen ca. 642.000 Einwohner*innen und damit 141.420 Menschen an oder unter der Armutsgefährdungsgrenze. 141.420 Menschen, die nicht mal eben Theaterkarten kaufen können oder die auch einfach andere Sorgen haben, als sich eine „kostenfreie Alternative“ zu suchen.
Genau diese Fragen zu kultureller Teilhabe und gesellschaftlicher Gerechtigkeit haben sich 2012 ein paar engagierte Menschen auch gestellt und die Kulturliste Düsseldorf e. V. ins Leben gerufen, einen gemeinnützigen Verein, dessen Motto ganz einfach lautet: Kultur für Alle!
Mittlerweile arbeitet der Verein mit über 150 Partnerorganisationen aus Kultur und Sozialem zusammen und bringt aktuell über 1.300 Düsseldorfer*innen mit geringem oder keinem Einkommen in die Veranstaltungssäle unserer Stadt. Und das geht sogar ganz einfach: Die Kulturpartner geben dem Verein kostenfreie Kontingente zu Veranstaltungen, der Verein ruft seine Kulturgäst*innen an und setzt sie nach Wunsch auf die Gästeliste, sei es in der Oper, bei der Fortuna oder im zakk, um nur drei der über sechzig Partner aus Kultur und Sport zu nennen.
Alle Menschen in und um Düsseldorf, die über ein geringes oder kein Einkommen verfügen (unter €1066 netto im Einpersonenhaushalt, für Mehrpersonenhaushalte gelten höhere Grenzen) und/oder bestimmte Transferleistungen beziehen, können sich bei der Kulturliste Düsseldorf anmelden. Dazu zählen zum Beispiel Empfänger*innen von ALG II, Sozialgeld oder Grundsicherung sowie alle Inhaber*innen des DüsselPasses, aber auch Studierende und Auszubildende, die BAföG bzw. Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) beziehen. Interessierte können sich privat (durch den Nachweis der Bedürftigkeit) oder über einen Sozialpartner (z. B. Caritas, Altstadt Armenküche, Diakonie oder Flingern Mobil) anmelden.
Und damit kann man jetzt das Menschenrecht auf Kultur für alle Düsseldorfer*innen umsetzen? Sicherlich nicht. Aber die Arbeit des Vereins macht einen Anfang, baut finanzielle und emotionale Barrieren ab, berät und ist eine Lobby für Gerechtigkeit im Kultursektor. Und so hat die Kulturliste seit 2012 über 32.000 freie Eintritte zu Sport und Kultur vermittelt und bei Veranstalter*innen und Bürger*innen ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass Kultur nie vom Geldbeutel anhängig sein darf, weil wir alle ein Anrecht auf Kultur haben.
Kontakt und Anmeldemöglichkeiten:
Web: https://kulturliste-duesseldorf.de
Mail: post[at]kulturliste-duesseldorf[dot]de
Tel: 0178 2111 882
Die Vereinsgründung war 2012. Etwa 40 ehrenamtliche Mitarbeiter*innen kümmern sich um die Vermittlungen von (seit Gründung rund 32.000 ) Gästelistenplätzen.
Die Kulturliste Düsseldorf e. V. ist Teil einer bundesweiten Bewegung gemeinnütziger Vereine, die kulturelle Teilhabe und sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft fördern. Sie ist Mitglied der Bundesvereinigung kulturelle Teilhabe e. V.