TERZ 06.20 – LAUSIGE ZEITEN
Der Bornheimer Spargel-Betrieb Ritter meldete im Mai Insolvenz an. Die Arbeit ging erst einmal weiter – allerdings ohne Bezahlung: Der Insolvenz-Verwalter Andreas Schulte-Beckhausen verweigerte den rumänischen Spargel-Stecher*innen die Auszahlung der Löhne. Deshalb entschlossen sich die Ernte-Helfer*innen zu einem Streik. Unterstützung erhielten sie dabei von der anarchistischen Gewerkschaft „Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union“ (FAU). Diese organisierte einen Anwalt und prüft zurzeit Klage-Möglichkeiten gegen Schulte-Beckhausen. Die Vorfälle auf den Feldern führten sogar zu diplomatischen Verwicklungen. Die rumänische Arbeitsministerin Violeta Alexandru reiste an, kritisierte die Verhältnisse vor Ort und sagte ihren Landsleuten Hilfe zu. Und ganz ohne Wirkung blieb das alles nicht. „Durch den Streik und den öffentlichen Druck konnten wir diese Woche erreichen, dass viele Leute wenigstens einen Teil ihres Geldes bekommen haben. Auch eine drohende Obdachlosigkeit von hunderten Personen konnte abgewendet werden. Der Insolvenz-Verwalter wollte sie aus ihren Container-Unterkünften schmeißen, wenn sie die Teil-Auszahlung des Lohnes annehmen“, so FAU-Pressesprecher Erik Hagedorn.
Corona hält Rechtsextremist*innen nicht von ihrem Tun ab. Sie attackieren jüdische Gemeinden jetzt online. Weltweit störten die Neo-Nazis Veranstaltungen, die auf der Videokonferenz-Plattform „Zoom“ abgehalten wurden. In Düsseldorf geschah das gleich zweimal. So hackten die Rechten sich etwa in eine Thora-Lehrstunde ein, schmierten Parolen wie „Heil Hitler“ und „Hitler did nothing wrong“ auf das Streaming-Bild und luden dann zuletzt noch obszöne Fotos hoch. „Ich konnte einfach nicht glauben, dass das passiert. Ich war wie gelähmt. Ich wollte das Meeting beenden, aber es dauerte eine Minute, bis ich den Aus-Knopf gefunden hatte“, berichtet der Rabbiner Raphael Evers. Als Reaktion auf die Vorfälle will die jüdische Gemeinde jetzt auch ihre Sicherheitsmaßnahmen im virtuellen Raum verstärken.
Die Honorar-Kräfte, die an der Volkshochschule unterrichten, gehören zu den prekär Beschäftigten. Sie erhalten geringe Stundenlöhne und sind sozial nicht abgesichert. Deshalb trifft diese Dozent*innen die Corona-Krise besonders hart. Die Volkshochschulen in Köln, Bonn und Leverkusen haben sich daher dazu entschlossen, den Lehrenden den wegen der Pandemie ausgefallenden Unterricht ganz oder teilweise zu vergüten. In Düsseldorf ist das bislang nicht der Fall. „Die VHS zahlt kein Ausfall-Honorar für Unterrichtsstunden, die Pandemie-bedingt ausgefallen sind“, antwortete die Stadt auf eine Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen. Die Partei fordert ebenso wie Die Linke und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, es den anderen Städten gleichzutun und Unterstützungsmaßnahmen zu beschließen. Die Linkspartei reichte zur Ratssitzung am 14. Mai auch einen entsprechenden Antrag ein. Er konnte allerdings aus Zeit-Gründen nicht mehr behandelt werden und kommt erst am 18. Juni wieder auf die Tagesordnung.
Die Sana-Kliniken verkaufen ihre Radiologie-Abteilungen an Med360Grad. Die Firma, an der Sana 30 Prozent der Geschäftsanteile hält, übernimmt auch die 40 Beschäftigten an den Standorten Gerresheim und Benrath. Diese sind allerdings nicht gerade angetan von dem Wechsel. „Bei Med360Grad gibt es keinen Tarifvertrag“, sagt die Sana-Betriebsratsvorsitzende Susanne Quast. Das mache Gehaltsunterschiede von bis zu 700 Euro aus, so Quast. „Wir werden hart dafür kämpfen, dass bei dem Betriebübergang die Rechte der Mitarbeiter gewahrt bleiben. Am liebsten würden wir den Verkauf verhindern“, bekundet die Gewerkschaftlerin. Hätte die Stadt 2007 ihre Mehrheitsbeteiligung an den beiden Kliniken nicht abgegeben, wäre das auch möglich gewesen. Jetzt aber stehen die Chancen dafür schlecht. Dementsprechend kritisiert „Die Linke“: „Dieser Rückzug aus der Gesundheitsversorgung war nicht im Interesse der Stadt. ‚Die Linke’ hat von Beginn an die Verkäufe abgelehnt und vor den Folgen gewarnt.“ Dabei steht Med360Grad nicht nur wegen der Tarif-Flucht in der Kritik. Das Unternehmen sieht sich noch dazu mit der Anzeige einer Krankenkasse wegen eines Abrechnungsbetrugs bei Röntgen-Kontrastmitteln konfrontiert.
Das Wohnungsunternehmen LEG konnte im Geschäftsjahr 2019 seine Gewinne steigern. Dazu trugen vor allem gestiegene Miet-Einnahmen bei, realisiert entweder durch eine Anhebung der Tarife oder durch den Zukauf teurerer Wohn-Einheiten. Die Zukunft sieht der Konzern ebenfalls rosig. „In den nächsten Jahren wird eine Fortsetzung der positiven Miet-Entwicklung erwartet“, heißt es im Geschäftsbericht. Die Mittel der Wahl dazu: Mietspiegel-Anpassungen, Aufschläge bei Neu-Vermietungen und Modernisierungsmaßnahmen. Zudem könnten im preis-gebundenen Bestand alle drei Jahre „vor allem inflationäre Entwicklungen durch Anpassung der Kosten-Mieten an die Mieter weitergegeben und auch wert-steigernde Modernisierungen vorgenommen werden“. Damit nicht genug, laufen 2028 auch noch die Mietpreis-Bindungen für 28.000 Wohnungen aus: „Das bietet Spielraum für Miet-Anpassungen bei den teilweise deutlich unter dem Markt-Niveau liegenden Beständen.“ Darüber hinaus erwägt die LEG eine Fusion mit TAG Immobilien, was ihre Markt-Position noch einmal stärken würde.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung lockert beim Mieter*innen-Schutz. Kamen aufgrund der desaströsen Lage auf dem Wohnungsmarkt bislang 37 Kommunen in den Genuss schärferer Bestimmungen in Sachen „Mietpreis-Bremse“, „Mieterhöhungen“ und „Eigenbedarfskündigungen“, so sind es fortan nur noch 18. Den Freibrief zu der neuen Mieterschutz-Verordnung ließ sich Schwarz-Gelb wieder einmal von einem Gutachten erteilen. Dieses kam zu dem Schluss, „dass nur in zwölf Gemeinden eindeutig ein angespannter Mietwohnungsmarkt vorliegt“, bei sieben weiteren Städten hingegen lediglich „Anspannungstendenzen“. Neuss zum Beispiel fällt nicht mehr unter die Sonderregelungen, was Bürgermeister Reiner Breuer (SPD) empört: „Gerade in einer Zeit, in der die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Epidemie erst spürbar werden, wäre Sicherheit im Mieterschutz notwendig.“ Die kommunalen Spitzenverbände zweifeln derweil an der Qualität der von der Beratungsfirma Empirica erstellten Studie. Unter anderem verweisen sie auf veraltetes Zahlen-Material wie z. B. Leerstandsquoten aus dem Jahr 2011 und unvollständige, da die Großstädte aussparenden Daten zur Einkommenssituation der Mieter*innen.