TERZ 10.20 – RECHT AUF STADT
Das Amtsgericht hat Anfang September klar entschieden: der Eigenbedarf für eine Tochter der Hauseigentümer-Familie H. war vorgetäuscht, die Kündigung war unrechtmäßig. Die Mieter*innen in Unterbilk dürfen bleiben.
Ein langer Konflikt findet damit erst mal ein Ende.
In Unterbilk auf der Kronprinzenstraße 97 wurde Mieter*innen wegen Eigenbedarfs gekündigt, gleich nachdem die neue Eigentümerfamilie H. das Mietshaus erstanden hatte. Nun sollte das Ehepaar, das seit über 20 Jahren in dem Haus wohnte, per Räumungsklage zum Auszug gezwungen werden. Das Paar hatte seine Zweifel daran, dass der behauptete Eigenbedarf tatsächlich bestand. „Wir sind froh, dass das Gericht so entschieden hat und unser Zuhause wieder sicher ist. Und wir sind den vielen engagierten Mitmenschen dankbar, die uns in der schwierigen Zeit den Rücken gestärkt haben. Hoffentlich kehrt jetzt endlich etwas Ruhe ein“, so Georg Jesdinsky, einer der betroffenen Mieter.
Das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum begleitete das Ehepaar seit mehr als einem Jahr bei seinem Kampf gegen ihre neuen Vermieter*innen und machte deren Vorgehen immer wieder öffentlich.
Die Familie H., der neben diversen Einzelfirmen auch eine Immobilienentwicklungsgesellschaft gehört, hatte in mehreren Häusern, unter anderem im Zooviertel und in Pempelfort, wegen Eigenbedarfs gekündigt. Anzeigen im Internet und Transparente an den Fassaden der Häuser werben damit, dass dort Luxuswohnungen entstehen werden.
„Dass für unsere Wohnung nie ein realer Eigenbedarf bestand, wurde uns schlagartig klar, als wir erfahren mussten, dass auch in anderen Häusern der Familie Eigenbedarfskündigungen für ein und dieselbe Person ausgesprochen wurden“, so Georg Jesdinsky weiter. „Luxus erscheint so doch in einem ganz anderen Licht. Eigenbedarfskündigungen im Überfluss! Es ist gut für Düsseldorf, dass sich das Gericht diese Geschichten jetzt mal genauer angeschaut hat.“
Die Töchter der Familie H., die unter anderem Geschäftsführerinnen der Düsseldorfer H. Immobilienentwicklungs-GmbH sind, kündigten langjährigen Mieter*innen in unterschiedlichen Stadtteilen, nur wenige Monate nachdem die Familie die Häuser erworben hatte. Der Verdacht, dass es sich hierbei um vorgetäuschte Eigenbedarfskündigungen handeln könnte, verstärkte sich durch das Bekunden der Eigentümerin Mara H., sowohl in die Kronprinzenstraße als auch in die Pfalzstraße einziehen zu wollen. Zudem hatte der Vater Dr. Markus H. bereits im Zooviertel an der Faunastr. 2 wegen Eigenbedarfs ein ganzes Mehrfamilienhaus „leergekündigt“, weil er und seine beiden Töchter dort einziehen wollten.
„All diese Machenschaften ließen uns bereits im August vermuten, dass hier etwas nicht stimmt. Sie wären jedoch nicht aufgefallen, wenn sich die Mieter*innen der Pfalzstraße und der Kronprinzenstraße nicht über das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum vernetzt hätten und darüber eine ehemalige Mieterin der Faunastr. 2 auf diese neuen Eigenbedarfskündigungen aufmerksam geworden wäre“, so Iris Rademacher, Sprecherin des Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum.
Der Protest des Bündnisses und der Mieter*innen schien der Familie H. nicht zu gefallen. Sie ließ alle Medienvertreter*innen, Mieter*innen und Sprecher*innen des Bündnisses von der Rechtsanwaltskanzlei Höcker abmahnen. Alle Beteiligten sollten über 1.000 Euro zahlen und erklären, dass Sie nicht mehr über H. berichten werden. Viele Zeitungsverlage und Fernsehsender unterschrieben Unterlassungserklärungen und löschten Beiträge von ihren Internetseiten, ohne sich juristisch gegen die haltlosen Abmahnschreiben zu wehren.
Um diese Geschäftspraxis weiter offenzulegen, hat das Bündnis auf der eigenen Homepage auch weiterhin die Verantwortlichen beim Namen genannt.
„Dieses skandalöse Beispiel von Entmietung macht deutlich, dass Mieter*innen sich nicht nur alleine juristisch wehren sollten. Es ist wichtig, dass sie sich vernetzen und gemeinsam aktiv werden“ sagt Iris Rademacher. Häufig ständen Mieter*innen erst einmal alleine einem großen Investor gegenüber. „Vielen Menschen macht das Angst, sie geben irgendwann einfach nach und ziehen aus. Doch das müssen wir dringen verhindern, denn wenn immer mehr Wohnungen verloren gehen, in denen zuvor die Mieten noch bezahlbar waren, werden weniger gutverdienende Menschen immer weiter an die Stadtränder vertrieben.“
Das Eigenbedarfskündigungen für Vermieter*innen ein beliebtes Mittel sind, um ihre Mieter*innen los zu werden, zeigt auch der Anstieg der Gerichtsprozesse um Eigenbedarfskündigungen. Allein von 2011 bis 2017 ist die Anzahl der Gerichtsprozesse wegen Eigenbedarfskündigungen um 30% gestiegen. Im Jahr 2017 sollen es über 13.000 Verfahren bundesweit gewesen sein. Neben einem Mieterverein, der Mieter*innen juristisch unterstützt, bräuchte es daher laut Maren Wohlen vom Bündnis für bezahlbaren Wohnraum eine Art Gewerkschaft für Mieter*innen, die diese vernetzt.
„Das Vorgehen der Familie H. ist leider kein Einzelfall“, sagt Wohlen. „Immer wieder melden sich Menschen bei uns, deren Häuser an Immobilienfirmen oder private Investoren verkauft wurden und die jetzt von Mieterhöhungen, Eigenbedarfskündigungen und Luxussanierungen betroffen sind. Dieses Beispiel zeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen und auch gegen vermeintlich übermächtige Immobilienfirmen vorzugehen.“
Viele Mieter*innen scheuen diese Auseinandersetzung allerdings oder geben nach einiger Zeit auf, weil die psychische und finanzielle Belastung zu groß wird. Hier muss die Stadt Düsseldorf schnell umdenken, Beratungsstellen einrichten und die Betroffenen durch wirkungsvolle Schutzsatzungen und klare rechtliche Regelungen besser schützen. Zudem könnte damit verhindert werden, dass die H. ImmobilienentwicklungsGmbH zukünftige Bauprojekte realisieren kann, wie jetzt an der Martinstr. 42. Dort sollen unter anderem Mikroappartements entstehen.
Maren Wohlen: „Dass diese Firma weiter in Düsseldorf bauen darf, ist ein Skandal! Wir werden das Vorgehen der Familie H. und auch das Vorgehen anderer Firmen weiter beobachten und Mieter*innen unterstützen, die sich zur Wehr setzen. Wir werden weiter für bezahlbaren Wohnraum kämpfen.“
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum
Wer wir sind
und was wir wollen:
Das „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ ist ein parteiunabhängiger Zusammenschluss verschiedener Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen.
Wir wollen mit außerparlamentarischem Druck die lokale Politik dazu bewegen, sich für mehr bezahlbaren Wohnraum in der Stadt einzusetzen.
Mit exemplarischen Aktionen versuchen wir, Missstände auf dem Wohnungsmarkt öffentlich zu machen.
Wir unterstützen und ermutigen betroffene Mieter*innen, selbst für ihre Interessen einzutreten.
Wir vernetzen Betroffene und wirken so der Vereinzelung entgegen.
Wir entwickeln Vorschläge für eine dauerhafte Lösung der Wohnungsfrage und wir stellen die grundsätzliche Frage: „In welcher Stadt wollen wir leben?“
Wir laden alle wohnungspolitisch engagierten (Stadtteil)Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen zum Mitmachen ein!
Kontakt: info[at]bezahlbarer-wohnraum-duesseldorf[dot]de
Homepage: https://bezahlbarer-wohnraum-duesseldorf.de