Von Problembürger*innen, Share-Dealer*innen und Land-Banker*innen

Monopoly in Düsseldorf

Der Journalist Christoph Twickel führte auf seinem virtuellen Stadtrundgang rund um den Hauptbahnhof in die Abgründe der „Investor City“ ein.

Das Forum Freies Theater (FFT) wird irgendwann im nächsten Jahr in das Postgebäude am Hauptbahnhof ziehen und dort auf Nachbar*innen wie die Stadtbibliothek und das Theatermuseum treffen. Die Stadt gestaltet den Komplex nämlich gerade zu einer Kulturstätte (minus Lidl-Filiale) um und hat auch schon einen Namen für das Ganze: KAP1 für Konrad-Adenauer-Platz 1. Das FFT nahm das zum Anlass, mal genau auszukundschaften zu lassen, worauf es sich da einlässt. Darum beauftragte das Theater den Hamburger Journalisten Christoph Twickel damit, die Entstehungsgeschichte des KAP1 zu recherchieren und dabei gleich auch noch die anderen rund um den Hauptbahnhof geplanten Bauten mit in Augenschein zu nehmen.

Dieser machte sich sogleich ans Werk, sprach mit Vertreter*innen von Aengevelt-Immobilien, der Projektschmiede, des Projektentwicklers Catella, der Stadt – und der Heilsarmee. Am 10. September stellte Twickel die Ergebnisse dann inklusive kurzer Videoclips aus den Interviews in der Planwerkstatt 378 an der Kiefernstraße vor. Und er brachte einem/ einer dabei viele neue Wörter und Begriffe bei wie etwa „Kaskaden-Fusion“, „Land-Banking“, „Share-Deals“ oder „Eisfach-Investment“.

Als Vater des KAP1 bezeichnete sich vor Twickels Kamera Wulff Aengevelt. Der Immobilien-Unternehmer hatte gehört, dass die Stadtbibliothek am Berta-von-Suttner-Platz über zu enge Räume klagt und gleichzeitig spitzgekriegt, dass es die Post aus dem Gebäude am Konrad-Adenauer-Platz zieht. Also brachte er nicht nur beides zusammen, sondern dachte noch weiter. Aengevelt ventilierte die Idee eines ganzen Kulturhauses und trat damit an das „Versorgungswerk der Zahnärztekammer Nordrhein“ als Eigentümer der Immobilie und die Stadt heran. Beide willigten ein, und so entstand das KAP1.

Aengevelt begreift sich nun als großer Förderer des Wahren, Schönen und Guten: „Jetzt haben wir schon zwei Leichen gerettet“. Der Mann beklagt nur die fehlende Würdigung seiner Leistung. „Heute sind auf dem Siegerschild die Unbeteiligten zu sehen“, konstatiert er. Nach seinem Dafürhalten gewinnt durch das KAP der ganze Bereich vor dem Hauptbahnhof. Vorher war dieser seiner Ansicht nach nämlich „nicht der einladenste Ort“. Wulff Aengevelt spricht von einer „Schmuddelecke“, denn: „es laufen Problembürger durch die Gegend“. Und die werden sich jetzt verlaufen, hofft er.

Große Töne spucken bei Twickel auch Hagen Lippe-Weißenfeld und Jan Hinnerk Meyer von der Projektschmiede. Diese tut sich immer damit hervor, ungefragt große Pläne für alles und nichts zu entwickeln: eine neue Oper, einen neuen Aquazoo, einen Stadtstrand oder eine Hafen-City und darauf zu hoffen, dass die Stadt anbeißt. Damit dies geschieht, tun die beiden alles, um ihre Ideen in Umlauf zu bringen: „Wir speisen das überall ein.“ Zum Beispiel auch bei den Düsseldorfer Jongens, sind diese doch „eine Kohorte von Entscheidungsträgern“.

Grand Central ganz klein

Etwas kleinlauter gibt sich dagegen aus aktuellem Anlass der geschäftsführende Catella-Gesellschafter Klaus Franken. Eigentlich weiß er ja, wie’s geht. Wenn er mal ein Hochhaus irgendwo hinsetzen will, wo es eigentlich keine geben darf, dann zaubert er einfach einen Star-Architekten aus dem Hut und schwupps: „Bebauungsplan reibungslos durchgeschleust“. Jetzt aber operiert er im Krisen-Modus, weil es beim Grand Central nicht vorangeht. Ein „lebendiges Stadtviertel“ mit allem Drum und Dran – Hochhäuser, Eigentumswohnungen, senior*innen-gerechtes, gefördertes und preisgedämpftes Wohnen, Hotels, Nahversorgung, Gastronomie und Kindertagesstätten – wollte der Projektentwickler hinterm Bahnhof an der Erkratherstraße hochziehen, doch die „Grand Central Live Cam“ auf der properen Catella-Webseite kann nur eine Brachfläche zeigen.

Wie es dazu kam, berichtet Franken im Anschluss an Christoph Twickels Video-Vortrag in bemerkenswerter Offenheit. Die Catella traute sich nicht zu, die ganzen Arbeiten auf dem Gelände mit so vielen Baufirmen zu koordinieren und ging deshalb mit der Immobilienentwicklungsgesellschaft CG-Gruppe eine Partnerschaft ein. Allerdings teilten sich die beiden Gesellschaften nicht ihren Grundstücksbesitz auf, sondern nur die Geschäftsanteile. Catella und CG machten einen Share-Deal. Diese branchen-übliche Praxis hat gleich zwei Vorteile. Sie ersparte die Grunderwerbssteuer und hielt die Stadt draußen, die bei Grundstücksdeals sonst Vorkaufsrecht besitzt.

Aber jetzt ging es erst so richtig los. CG wurde von Consus geschluckt und Consus wiederum von Ado-Adler. Als „Kaskaden-Fusion“ bezeichnet der gelernte Architekt, Stadtplaner und Betriebswirt Twickel? Franken? den Vorgang. Und bei diesem Monopoly-Spiel hatte jede*r Spieler*in entweder andere Pläne mit dem Areal, aus Prinzip gar keine oder kam gar nicht dazu, irgendwelche zu entwickeln. Franken räumt ein, mit dem CG-Deal, der den Stein ins Rollen brachte, einen kapitalen Fehler gemacht zu haben.

Jetzt bemüht er sich gemeinsam mit der Stadt, Ado-Adler dazu zu bewegen, vielleicht doch bald mal eine Schippe in die Hand zu nehmen. Klaus Franken zeigt sich auch optimistisch, aber Ado-Adler hat in dieser Hinsicht nicht den besten Ruf. Die Firma gehörte nämlich auch zu den „Zwischennutzer*innen“ des Glasmacher-Viertels auf dem Gelände der ehemaligen Gerresheimer Glashütte, und so wie alle anderen hat sie dort keinen Finger gerührt. Seit 2008 hat das Grundstück schon vier Mal den Besitzer gewechselt (natürlich nicht so ganz – Stichwort: „Share-Deals“), ohne dass dort etwas passiert wäre. Gewinne mit dem Wertzuwachs des Grundstücks zu erzielen erscheint den Unternehmen aussichtsreicher, als darauf irgendetwas hinzusetzen. „Land-Banking“ nennt das Christoph Twickel, und Franken spricht von „Eisfach-Investments“. Ähnliche Vorgänge spielen sich auch in anderen Großstädten ab, und selbst die Immobilien-Zeitung, die „Fachzeitung für die Immobilien-Wirtschaft“, hat Schwierigkeiten, die Transaktionen im Einzelnen zu verstehen und die Firmen-Geflechte zu durchleuchten. Nur eines ist klar: Einige wenige Leute machen da viel Geld.

Jan