Die Rechtshilfegruppe Düsseldorf informiert

2017 sind wir mit vielen anderen aus Düsseldorf zu den G20-Protesten nach Hamburg gefahren. Neben den Riots kam es zu massiver Polizeigewalt, die viele Menschen getroffen hat. Aber der damalige Bürgermeister und heutige Vizekanzler und Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland Olaf Scholz behauptet bis heute: „Polizeigewalt hat es nicht gegeben“.

Nur zur Erinnerung: Es kam zur teilweisen Aufhebung der Gewaltenteilung - die Polizei überging Urteile der Justiz. Es wurden paramilitärische Einheiten mit Maschinenpistolen eingesetzt und, und, und… Während bis heute kein einziger gewalttätiger Polizist angeklagt wurde, im Gegenteil wurden die meisten Verfahren sang- und klanglos eingestellt, wurden Demonstrant*innen einer maßlosen Repression ausgesetzt, die bis heute anhält. Ab Anfang Dezember finden weitere Prozesse statt. Dort versucht die Staatsanwaltschaft eine eigene Interpretation von Gesetzen und Urteilen des Bundesverfassungsgerichts durchzusetzen, nach der Angeklagte, trotzdem ihnen keinerlei Vergehen vorgeworfen werden, zu hohen Haftstrafen verurteilt werden sollen, weil sie an einer Demonstration teilgenommen haben. Hierzu veröffentlichen wir folgenden Text der Roten Hilfe.

Rondenbarg-Pilotverfahren: Fünf Jugendliche ab Dezember vor Gericht

Auch nach mehr als drei Jahren nach dem G20-Gipfel in Hamburg ist ein Ende der staatlichen Repression nicht abzusehen. Im Dezember soll der erste Prozess im sog. Rondenbarg-Komplex gegen fünf junge Angeklagte starten. Sie sind die jüngsten der insgesamt über 80 Angeklagten, denen im Rahmen eines Pilotverfahrens der Prozess gemacht werden soll. An ihnen sollen exemplarisch die Beweisführung und Konstruktion der Vorwürfe durchexerziert werden, die nach dem Willen der Staatsanwaltschaft auch in möglichen späteren Verfahren gegen ihre Genoss*innen angewandt werden sollen.

Die Angeklagten gehören zu den ca. 200 Demon­strant*innen, die am Morgen des 7. Juli 2017 in der Straße Rondenbarg in Hamburg-Bahrenfeld von einer BFE-Einheit ohne Vorwarnung angegriffen wurden, als sie auf dem Weg zu Blockadeaktionen waren. Bei diesem Angriff wurden zahlreiche Aktivist*innen verletzt, elf von ihnen schwer.

Das staatsanwaltliche Konstrukt sieht nicht vor, individuelle strafbare Handlungen nachzuweisen. Allein die Anwesenheit der Beschuldigten vor Ort genüge, um ein gemeinsames Tathandeln zu unterstellen, was für eine Verurteilung ausreiche. So werden auch den Beschuldigten keine konkreten Straftaten zugeordnet. Falls sich diese Rechtsauffassung durchsetzen sollte, wäre künftig jede Teilnahme an einer Demonstration mit enormen Kriminalisierungsrisiken verbunden. Straftaten Einzelner könnten so allen vor Ort befindlichen Personen zugeschrieben werden.

Weil das Landgericht Hamburg die jüngsten Beschuldigten ausgesucht hat, kann die Öffentlichkeit von dem Verfahren ausgeschlossen und somit die Begleitung durch solidarische Unterstützer*innen und kritische Presse im Gerichtssaal unterbunden werden. Der anstehende Prozess bedeutet einen massiven Eingriff in die Lebensgestaltung und Perspektiven der jungen Aktivist*innen, der die ohnehin schon enorme Belastung durch die eigentliche Repressionsmaßnahme verschärft. Einmal wöchentlich müssen die Genoss*innen, die in verschiedenen Städten leben, ab Ende 2020 zu dutzenden Verhandlungstagen nach Hamburg fahren. Damit wird es über einen unabsehbar langen Zeitraum unmöglich, geregelte Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisse aufrecht zu erhalten. Als Prozessauftakt plant das Gericht derzeit den 3. Dezember 2020.

„Von Anfang an war es skandalös, wie die Hamburger Polizei nach ihrem blutigen Angriff gegen die Demonstration im Rondenbarg die Vorgänge uminterpretiert hat“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. „Die Aktivist*innen, von denen etliche nach dem brutalen Einsatz im Krankenhaus behandelt werden mussten, sehen sich seither massiver staatlicher Repression ausgesetzt. Dass nun den Jüngsten die berufliche Perspektive zunichte gemacht werden soll, indem sie ab Dezember aus dem gesamten Bundesgebiet regelmäßig zu den ohnehin belastenden Prozessterminen nach Hamburg fahren müssen, obwohl ihnen keinerlei konkrete Straftaten vorgeworfen werden, ist schlichtweg nicht hinnehmbar. Die Rote Hilfe e.V. fordert die umgehende Einstellung dieser offensichtlich politisch motivierten Verfahren und steht solidarisch an der Seite der Betroffenen.“

RechtsHilfeGruppe

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Am Samstag, den 28. November vor Beginn der Rondenbarg-Prozesse sind in mehreren Städten Aktionen geplant. Achtet auf Ankündigungen.

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