Zusammen gegen den Drachen

Arbeitsunrecht und Lieferketten-Kapitalismus in der Textilindustrie spielen auch beim Kauf eines Winterpullis eine Rolle, wenn wir ihn hier in Düsseldorf vermeintlich günstig shoppen. Darum: Bewusster Konsum ist wichtig. Noch besser aber ist, sich über die internationalen Wertschöpfungszusammenhänge zu informieren und für die Rechte derjenigen laut zu werden, die die Kleidung herstellen, die wir für einen kleinen Euro kaufen. Ein Bericht aus der FAU Düsseldorf.

Etwa 6.000 Arbeiter*innen konnten sich ihren Lebensunterhalt durch Tätigkeiten in der Dragon Sweater Fabrik sichern. Diese Fabrik steht in einem Hochhaus in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Im März 2020 wurde die Fabrik unter dem Vorwand, auf die CoViD-19-Pandemie reagieren zu müssen, stillgelegt.

Die Besitzer entschieden, die Arbeiter*innen fristlos zu entlassen. Trotz anderslautender Bedingungen in ihren Arbeitsverträgen und ohne ihnen ihre ausstehenden Löhne, Bonus- und Entschädigungszahlungen zu zahlen. Geld, das ihnen zusteht. Die Unterschlagung der Zahlungen ist nachweislich illegal.

Die Fabrikbesitzer sind Teil eines umfangreicheren Konglomerats, das sich „Dragon Group“ nennt und unter anderem auch ein Büro in London unterhält. Anfangs hatten sie Verhandlungen mit den Arbeiter*innen stets abgelehnt. Die meisten der betroffenen Arbeiter*innen sind in der Gewerkschaft Garment Workers Trade Union Center (GWTUC) organisiert und protestieren auch immer wieder auf den Straßen in Dhaka, seit die Schließung der Fabrik angekündigt wurde.

Es ist erwiesen, dass die Arbei­ter*innen dort zumindest im Jahr 2019 für New Yorker, Walmart und Lidl in großen Mengen Kleidung genäht, gebügelt und verpackt haben.

Diese Unternehmen haben somit direkt von der Ausbeutung der Arbeiter*innen profitiert. Deshalb wollten wir diesen Kampf dorthin tragen, wo das große Geld mit ihrer Arbeit gemacht wird: zu den Absatzmärkten in Europa, Nordamerika und weltweit. Basisgewerkschaften wie die Freie Arbeiter*innen Union (FAU) in Deutschland, die Industrial Workers of The World (IWW) vor allem in englischsprachigen Ländern, die spanische Confederación de Trabajo (CNT), die polnische Basisgewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (IP), die griechische ESE und die Vereinigung der revolutionären syndikalistischen Organisationen in Brasilien (FOB) haben bereits solidarische Aktionen durchgeführt.

United against the dragon

Um die von den verantwortlichen Fabrikbetreibern und Markenanbietern errichtete Wand der Stille zu durchbrechen sowie die Arbeiter*innen in der Auseinandersetzung zu unterstützen, riefen wir von der FAU, initiiert von der Arbeitsgruppe Asien der IKA (Internationale Konföderation der Arbeiter*innen, eine internationalistische Föderation von Basisgewerkschaften) gemeinsam mit GWTUC und IWW Irland zum „Weltweiten Monat der Solidarität mit den Arbeiter*innen bei Dragon Sweater“ auf: Vom 15. August bis zum 15. September wurden Demonstrationen, Mahnwachen und Infotische an vielen Orten organisiert, die der Aufklärung der Öffentlichkeit dienen sollten, um Druck auf die Endabnehmer auszuüben, sich endlich zugunsten der entlassenen und geprellten Arbeiter*innen zu bewegen.

Gleichzeitig mit diesem weltweiten Monat der Solidarität haben Arbeiter*innen in Bangladesch viele Demonstrationen abgehalten, einmal sogar das Arbeitsministerium belagert.

Zusätzlich haben Genoss*innen hierzulande die Website unitedagainstthedragon.info geschaffen, über die Anfragen und/oder Beschwerden an die abnehmenden Konzerne gerichtet werden konnten.

Trotz dieser internationalen Aufmerksamkeit verweigerte die Dragon Group weiterhin lange jedes Gespräch mit der Belegschaft, blieb in ihrer Haltung komplett verschlossen. Anfängliche Verhandlungen wurden abgebrochen und die Arbeitgeber verunglimpften die Arbeiter*innen als „unpatriotisch“ – bei aller nationalistischen Rhetorik ein Spaltungsversuch, der sich massiv gegen die Arbeiter*innen vor Ort, aber auch gegen die internationale Unterstützung der Arbeitskämpfe richtete. Zuletzt wurden sogar Streikende von Sicherheitsmitarbeitern des Arbeitgebers physisch attackiert. Die Polizei wollte zu allem Überfluss diesen Übergriffen nur unter ihren Bedingungen nachgehen, machte sie doch ihre Ermittlungen davon abhängig, dass die sexuellen Belästigungen, die im Rahmen der Repressionen gegen die Streikenden begangen worden waren, nicht öffentlich thematisiert würden.

Nach dem Teilsieg

Letzten Endes hat die internationale öffentliche Aufmerksamkeit aber offenbar doch ihren Teil dazu beigetragen, dass die Bangladesh Garment Manufacturers and Exporters Association (BGMEA) zusammen mit Repräsentant*innen der Arbeiter*innen und der Regierung von Bangladesch am 12. Oktober 2020 ein Abkommen unterzeichnet haben. Darin vereinbarten sie:

  1. Als Ausgleich für die ausstehenden Löhne werden allen Arbeiter*innen jährlich 15 Tageslöhne zusätzlich ausgezahlt.
  2. Alle seit 2018 ausstehenden Urlaubsgelder und Feiertagszuschläge werden nachträglich ausgezahlt.
  3. Verwaltungsangestellten zustehende Löhne werden gemäß der dem Eigentümer bisher zur Verfügung stehenden Daten ausgezahlt.
  4. Alle genannten Löhne werden in vier Raten ausgezahlt, und zwar am 7. und 22. November sowie am 7. und 22. Dezember 2020.
  5. Oben genannte Vereinbarungen gelten nicht für nachträglich eingestellte Arbeitskräfte.
  6. Von weiteren Konflikten wird in Zukunft von beiden Seiten abgesehen.

Die Unterzeichnung dieses Abkommens kann nur als Teilsieg betrachtet werden, da die Fabrikbesitzer so nur ca. die Hälfte dessen zu zahlen haben, was den Geprellten und Entlassenen eigentlich vertragsgemäß zugestanden hätte. Da es aber Grundprinzip einer Basisgewerkschaft ist, den Lohnabhängigen selbst die Festlegung ihres Ziels zu überlassen, statt auf Ebene hauptamtlicher Funktionär*innen (die eine Basisgewerkschaft nicht hat) zu entscheiden, wer wann was in welcher Weise zu tun oder zu lassen habe, lag die Entscheidung für diese Form gütlicher Einigung bei den Mitgliedern der GWTUC. Nun bleibt abzuwarten, ob die vereinbarten Zahlungen pünktlich, regelmäßig und in voller Höhe geleistet werden und ob bei schwindender öffentlicher Aufmerksamkeit nicht vielleicht doch Repressalien gegen die Arbeiter*innen erfolgen.

Aus all diesen Gründen wird die Arbeitsgruppe Asien der IKA, der internationalen Föderation von Basisgewerkschaften, zu denen auch die FAU gehört, ihre Aufmerksamkeit dem Konzern gegenüber in den kommenden Wochen aufrechterhalten. Unter anderem soll in einer Radiosendung zum Thema Arbeitsunrecht bei Antenne Düsseldorf am Freitag, den 13.November 2020 ab 21 Uhr über den aktuellen Stand der Dinge berichtet werden.

faud36

Weitere, laufend aktualisierte Informationen unter:
https://globalmayday.net
https://fau.org/artikel
https://direkteaktion.org
https://direkteaktion.org
oder dem Hashtag #UnitedAgainstTheDragon