Schwarz-Grüne Soße

Die Düsseldorfer Grünen sind nach den Kommunalwahlen vom 13. September 2020 auf ihrem Weg nach oben nicht wählerisch. Den Preis für ihren selbstverleugnenden Marsch durch die Institutionen dürften sie dann bei den nächsten Wahlen zahlen.

Noch in der Wahlnacht hatte die TERZ prognostiziert, dass die Grünen in Düsseldorf mit der CDU koalieren werden. Manchmal wünschten wir uns – hätten wir Vertrauen in die politische Klasse –, dass wir uns irrten. Aber jetzt, zwei Monate später, sind die Koalitionsgespräche zwischen „Grün“ und „Schwarz“ so weit gediehen, dass wir davon ausgehen können, mit unseren durchaus sarkastischen Unkenrufen richtig gelegen zu haben. Die Grünen werden für die aktuelle Legislaturperiode im Stadtrat von Düsseldorf also gemeinsame Sache machen mit der CDU.

Dass die CDU den Gesprächen grundsätzlich zustimmen würde, war früh klar. Denn für die Christdemokrat*innen ist die Zusammenarbeit mit der Grünen-Partei eine Option dafür, ihrem Wunsch nach Macht im Düsseldorfer Stadtrat wieder nahezukommen. Sie wollen ihre Agenda endlich wieder durchsetzen können. Die Grünen sind ihr dazu nützlich. In den sechs Jahren, während derer die CDU unter SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel in der Opposition war, hat sie sich nicht nennenswert befleißigt, überhaupt nur irgendwie in Erscheinung zu treten, geschweige denn eigene politische Duftmarken zu setzen. Denn Opposition, das kann die ewige „Volkspartei“ nicht. Seinerzeit titelte dazu sogar die bekanntermaßen schwarz-solidarische Rheinische Post: „Was die CDU von der Linken lernen kann“, meinte: Der CDU fehle die Wadenbeißer-Qualität derjenigen, die wissen, wie relevant und profilschärfend Oppositions-Politik sein kann.

So setzt die Düsseldorfer CDU nun alles daran, wieder zu regieren. Die Christdemokrat*innen stellen seit den Kommunalwahlen im September im Düsseldorfer Rat die größte Fraktion und mit Stephan Keller auch den Oberbürgermeister. Nur brauchen sie zur Erfüllung ihrer Träume von der Regierungsfähigkeit jemanden, mit dem sie regieren können. Und weil die CDU-Ratsmitglieder schon früh geahnt haben, dass es für sie am 13. September knapp werden würde, war bereits während der letzten Monate der just vergangenen Ratslegislatur eine zunehmende Annäherung von CDU und Grünen zu bemerken. Wenig verwunderlich ist es dementsprechend, dass beide Parteien jetzt zu Verhandlungen über ihre gemeinsame Machtposition schreiten.

Mit Blick auf die Grünen: ohne Not, möchte mensch meinen. Denn die Grünen hätten, wenn sie denn schon von der Macht nicht lassen wollen, durchaus die Möglichkeit, mit SPD und FDP die bisherige Koalition weiterzuführen. Die grüne Führung ließ ihre Basis in Düsseldorf aber schon früh wissen, dass sie für eine Zusammenarbeit mit der CDU ist. Damit setzt sich auf kommunaler Ebene die bundesweite Entwicklung der Grünen fort: Die einstigen Voll-Oppositionellen möchten endlich an die Spitze. Nächstes Jahr, da wollen Robert Habeck und Co. endlich in die Bundesregierung, kalkulierbar als Partner*innen der CDU. Koste es, was es wolle.

Außen grün und innen schwarz

Immer mehr kommen den Grünen dabei ihre Positionen abhanden, für die sie gewählt worden sind und weiter gewählt werden: ökologisch, antimilitaristisch und gegen rechts zu sein. Inzwischen braucht es nicht einmal mehr eines zweiten Blickes, um den Ausverkauf der Ideale zu bemerken: Da sind etwa die augenscheinlich halbherzigen Distanzierungen zum Autobahnbau in Hessen und die mehr als unterschwelligen Ressentiments gegenüber den Umweltschützer*innen, die gegen die Abholzung des Dannenröder Forstes protestieren. Oder die Äußerung der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, die völkerrechtswidrige Bundeswehreinsätze ohne UNO-Mandat befürwortet. Die Liste ließe sich beliebig fortführen.

Bereits diese hingeworfenen Beispiele zeigen: Weit liegen Bündnis 90/Die Grünen und CDU nicht auseinander. An der CDU und einer plötzlich, überraschend „grünen“ Seele der Union dürfte das nicht liegen. Vielmehr bezogen die Grünen schon vor Jahren in ihrer Wirtschaftspolitik neoliberale Positionen, galt bald als „die neue FDP“. Und auch die „grünen Lebenswelten“ sind höchstens für besonders feinsinnige Beobachter*innen widersprüchlich: Wer „grün“ wählt, kann auch SUV fahren. Hilft eine Wahl-Entscheidung für die selbsterklärte Nachhaltigkeits-Partei doch dabei, das Gewissen zu beruhigen. Die vielen Überschneidungen mit konservativen und wirtschaftsliberalen Einstellungen werden da einmal mehr die entsprechende Wähler*innenschaft ansprechen. In Oberkassel, einer der „grünen Hochburgen“ Düsseldorfs, dürften Grüne-Wähler*innen schließlich wohl über einen eigenen Tiefgaragenstellplatz verfügen. Dass sich die ehemalige Öko- und Peacenik-Partei in ihrer Wahl-Kampagne vor dem 13. September 2020 NRW-weit für „GRÜN ist mehr Park als Parkplätze“ einsetzte, dürfte da also nicht weiter unangenehm aufgefallen sein.

Ob die Basis das weiß?

Bestand lange noch die leise Hoffnung, dass die grüne Kommunal-Basis die Entscheidung ihrer Führungsköpfe, statt Rückgrat Macht zu wollen, nicht einfach mitgehen würde, dürfte nun aber zumindest hier die Lage klar sein. Bei ihrer Mitgliederversammlung am 2. November 2020 stimmten letztlich von den 186 digital Anwesenden 138 (also 74 Prozent) der Bündnis 90/Die Grünen-Mitglieder für die Aufnahme von Kooperationsgesprächen mit der Düsseldorfer CDU. 33 Mitglieder stimmten dagegen, 15 enthielten sich. Mit ihrem erfolgreichen „Ja“-Votum entschieden sich also ¾ der Grünen-Basis für weitergehende Gespräche zu einer Kooperation oder Koalition mit der Union. Welche Form des Zusammengehens in der kommenden Ratsperiode ansteht, ist noch unklar. Die Koalition light – eine Verabredung zur „Kooperation“ – stärkt der für die Alleinregierung zu schwachen CDU faktisch den Rücken auf dem Weg zur Macht.

Sicher aber ist, dass Bündnis 90/Die Grünen mit einer Partei gemeinsame Sache macht, die jüngst (am Wochenende vor der Abstimmung der Grünen) wieder – auch auf kommunal relevanter Ebene – zeigte, wo sie steht. So wurde mit 78 % der Stimmen bei der Düsseldorfer CDU erneut keine andere als Sylvia Pantel als Bundestagskandidatin für 2021 aufgestellt. Pantel ist Sprecherin des konservativen Berliner Kreises in der Union, einem Werteunion-Partnernetzwerk. Diese selbsternannte „konservative Basisbewegung der CDU/CSU“ ist nicht erst seit gestern offen „rechtsaußen“ – auch über das berühmte Diktum von Franz Joseph Strauß hinaus, rechts von der Union dürfe es keine politische Kraft in der bundesdeutschen Landschaft demokratischer Parteien geben. Rechter als rechts, innerhalb der Union? Die Werteunion macht’s möglich.

Sogar manchen ihrer Mitglieder ist die „Werteunion“ inzwischen zu rechts, sie entschieden sich für einen Austritt. Denn die Positionen der „Werteunion“ und die etwa der AfD sind heute ununterscheidbar. Das schlägt auch bis nach Düsseldorf durch und erweitert die avisierte schwarz-grüne Farbskala durch einen unangenehm braunen Ton. Denn 2015 veranstaltete eben jene Sylvia Pantel in Düsseldorf eine Lesung mit der Autorin Birgit Kelle, der u. a. LGBTIQ*-Feindlichkeit und Antifeminismus vorgeworfen werden. Kelle, das CDU-Werteunion-Mitglied, veröffentlicht ihre journalistischen Texte regelmäßig auch in der extrem rechten Zeitung „Junge Freiheit“. Pantel stellte sich 2015ff. bedingungslos hinter sie und diffamiert(e) jede Kritik (siehe TERZ 09/2015). 2019 wiederum lud Sylvia Pantel den damals jüngst entlassenen Bundesverfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen nach Garath ein – zu einer Veranstaltung, die sich mit den Herausforderungen an die bundesdeutsche Innen- und Sicherheitspolitik beschäftigen sollte. Als Held der „Klartextsprecher“ war Maaßen Pantels Stargast. Angriffe auf den rechten Ex-VS-Chef bezeichnete sie als „Meinungsdikatatur“, ihren Gast als „Opfer“. Diskurs-Strategien der extremen Rechten, wie wir sie immer wieder hören. Die TERZ berichtete damals von Hass und Menschenfeindlichkeit, die die Veranstaltung prägten (siehe TERZ 09/2019). 2017 schließlich stellte Pantel ein Positionspapier vor, in dem sie den Klimawandel in Zweifel zog. Auch das ein Bestandteil extrem rechter Politik. Die Düsseldorfer CDU unterstützt diese Positionen – mit ihrer erneuten Wahl von Sylvia Pantel zur Spitzenkandidatin im Bundestagswahlkampf 2021.

Und die Grünen? Sie wollen mit dieser, ja, mit genau dieser CDU in Düsseldorf zusammenarbeiten. Herzlichen Glückwunsch zu Eurem Opportunismus!

Freilich, um eine nachträgliche Absegnung der Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen, die im Düsseldorfer Stadtrat bis September 2020 das Sagen hatte, kann es nicht gehen. Zu deutlich ist, dass die rot-gelb-grüne Parteien-Führungsriege in den letzten Jahren nur eine abgeschwächte Politik ihrer CDU-Vorgänger betrieben hat. Auch hat sich der ehemalige Oberbürgermeister Thomas Geisel zu oft nach Gutsherrenart der Macht über Rathaus und Stadtpolitik bemächtigt, ganz im Stil seiner Vorgänger Dirk Elbers und Joachim Erwin. Nur eben: sozialdemokratischer.

Wie schnell jedoch die Düsseldorfer Grünen ihre Ideale wegschieben, ist abenteuerlich, nein, bedrückend. Eine Trendwende oder gar eine Rückbesinnung ist indes nicht zu erwarten. Der Futtertrog des „wir sind jetzt wer“ ist vielleicht zu nah. Wir dürfen uns nun also auf eine neoliberale Stadtpolitik mit ein paar grünen Sprenkeln freuen. Das heißt dann aber auch, der grünen Kommunalpolitiker*innen-Elite mitsamt ihren Befürworter*innen den Spiegel vorzuhalten, mehr als zuvor. Denn Grün ist nicht mehr ihre Politik, sondern nur noch die verblichene Farbe ihres Partei-Logos.