Kellers erste 50 Tage im Ordnungs- und Sicherheitsdienst

Der „Law & Order“-Mann

Sicherheit, Sauberkeit und ein staufreies Düsseldorf – dafür trat Stephan Keller im Oberbürgermeister-Wahlkampf ein. Ein konsequentes Durchgreifen bei Regel-Verletzungen versprach er im Falle eines Sieges sowie ein „konsequentes Aufräumen“, inklusive des Abräumens der Umweltspuren. Und der CDU-Politiker droht Wort zu halten.

„Viele Düsseldorferinnen und Düsseldorfer fühlen sich nicht mehr sicher in unserer Stadt“, meinte Stephan Keller festgestellt zu haben und machte das Thema deshalb zu einem zentralen Bestandteil seiner Kampagne zur Oberbürgermeister*innen-Wahl. „Ich bin in der letzten Zeit oft gefragt worden, ob ich ein ,Law & Order‘-Mann sei. Wenn ,Law & Order‘ bedeutet, auf die Einhaltung bestehender Regeln zu achten, dann bin ich gerne ein ‚Law & Order’-Mann“, tönte der Christdemokrat. Zum Vorbild erkor er dabei den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani mit seiner „Zero Tolerance“-Politik. Basierend auf der „Broken Windows“-Theorie, wonach schon ein paar kaputte Glasscheiben eine ganze Kaskade der Zerstörung und des Verbrechens heraufbeschwören können, ahndete der Republikaner bereits die kleinste Ordnungswidrigkeit konsequent und erstickte auf diese Weise Keller zufolge die Kriminalität schon im Keim. Die vielen wissenschaftlichen Einwände gegen diesen kriminologischen Ansatz ignoriert der CDUler dabei ebenso geflissentlich wie den zweifelhaften Ruf Giulianis als Donald Trumps juristischer Mann fürs Grobe, unter anderem zuständig für das Aufsetzen der absurden Wahlanfechtungsklagen.

In Düsseldorf will Keller sogar noch früher ansetzen als Giuliani in New York. „Dafür müssen nicht erst Fenster zerbrechen! Ich werde bereits gegen zu volle Mülleimer und zu viel Unkraut effektiv vorgehen“, tat er im Wahlkampf kund. Beim Unkrautjäten soll es jedoch nicht bleiben. Der Kandidat kündigte unter anderem eine stärkere Präventionsarbeit „schon in Kindergärten und Schulen“, 150 zusätzliche Ordnungs- und Servicedienstler*innen, Pilot-Projekte zur Videoüberwachung mit Künstlicher Intelligenz sowie eine stärkere Vernetzung zwischen Stadt, Polizei und Justiz an. Auch in Sachen „Verkehrspolitik“ machte er eine deutliche Ansage. „Umweltspuren abschaffen“, lautete seine Devise. Ein „staufreies Düsseldorf“ hat er sich nämlich auf die Fahnen geschrieben. Und was ist mit dem Klima im Allgemeinen und den Stickstoffdioxid-Grenzwert­überschreitungen z. B. auf der Corneliusstraße im Besonderen? Da setzt Stephan Keller allein auf den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs, intelligente Ampeln sowie mehr Radwege und „Park & Ride“-Plätze.

Keller hält Wort

Nach seiner Wahl versprach er: „Wir wollen an allen Fronten schnell Tempo machen“ und hielt Wort. Zunächst knöpfte der neue Oberbürgermeister sich das Schausteller*innen-Areal in Rath vor, das er als rechtsfreien Raum empfand und deshalb räumen ließ. „Die Bewohner dieses Geländes sorgen mit ihren Aktivitäten, die häufig Gegenstand polizeilicher Maßnahmen waren, nun schon seit Jahren für Probleme. Es ist gut, dass wir hier nun endlich wieder rechtmäßige Zustände und soziale Kontrolle schaffen können“, so Keller.

Auch Corona versuchte er mit rechtlichen Instrumenten zu Leibe zu rücken – per Allgemeinverfügung inklusive neuen Mindestabstandsgeboten. Das Dekret dehnte die Maskentrage-Pflicht über das ganze Stadtgebiet aus, sofern eine räumliche Distanz von fünf Metern zum Nächsten nicht eingehalten werden kann. Eine Ankündigung oder gar Erläuterung dieser einschneidenden Maßnahme hielt Stephan Keller nicht für nötig. Der „Corona-Rebell“ Johannes Engelhardt nahm die Vorlage dankend auf. Er schaltete den einschlägigen Rechtsanwalt Jochen Lober ein und brachte die Anordnung vor Gericht zu Fall. Mit dem Ergebnis, dass die Stadt dann aus Angst vor weiteren Prozessen auch die sinnvolle Maskenpflicht für belebte Stadtteil-Einkaufsstraßen wieder aufhob. Völlig zu Recht kritisierte die Rheinische Post deshalb: „An dieser Stelle hätte sich der neue Stadt-Chef persönlich an die Bürger wenden müssen. Bei einer Entscheidung dieser Tragweite ist der Oberbürgermeister als Kommunikator gefragt – selbst in Corona-Zeiten (...). Dass viel Protest und Unverständnis folgte, lag auch daran, dass die Stadt und ihr Hauptverwaltungsbeamter sich zu wenig erklärt hatten.“

Aber der Aktionismus des OB blieb ungebrochen. Einen erneuten Anlass dazu bot ihm ein Vorfall in der Altstadt Anfang Dezember. Der Ordnungs- und Servicedienst hatte einen Jugendlichen ohne Maske erwischt. Da dieser sich uneinsichtig zeigte und renitent wurde, wollten ihn die OSDler*innen der Polizei übergeben. Doch es kam zur Rudelbildung. Als später der Streifenwagen eintraf und den 16-Jährigen einsackte, versuchten sich dessen Altersgenoss*innen an einer „Gefangenenbefreiung“. Sicherlich keine schöne Sache, aber Keller sah gleich das Abendland untergehen und war wieder schnell mit dem Gesetzbuch zur Hand. Er brachte ein „Verweilverbot“ für die Altstadt ins Gespräch und hätte diese gerne zur reinen Transitzone erklärt. „[D]amit habe ich in Köln gute Erfahrungen gemacht, aber die Polizei will das nicht“, klagte der Oberbürgermeister. Auch eine nächtliche Ausgangssperre für diesen Bereich steht zur Diskussion. Die grüne Bezirksbürgermeisterin Anette Klinke sprach sich allerdings dagegen aus. „Wenn wir die Altstadt sperren, werden sich die Jugendlichen woanders treffen“, sagte sie und gab zu Bedenken: „Ich möchte die Täter nicht zu Opfern machen und ich will auch, dass die Ordnungskräfte und die Polizei respektvoll ihre Jobs ausüben können. Aber eine Ausgangssperre ist mir als Instrument zu einfach – auch wenn klar ist, dass es so nicht weiterlaufen kann.“ Dass es das auch diesseits der großen Lösungen nicht tut, dafür sorgte Keller umgehend. Es gibt jetzt mehr Präsenz von Polizei und OSD in der Altstadt sowie gemeinsame Streifen.

Und die Grünen?

Den Umweltspuren ging es dann wie angekündigt auch an den Kragen. Am 18. Dezember erklärte der neue OB ihr Ende und terminierte es auf Anfang März. Ampelschaltungen, die auf aktuelle Umweltdaten reagieren, Fahrradwege, mehr ÖPNV und mehr „Park & Ride“ sollen es jetzt richten und den Himmel über Düsseldorf wieder aufklaren. Der BUND beurteilte die Erfolgschancen von Kellers Spagat zwischen „freie Fahrt für freie Bürger*innen“ und einem besseren Luft- und Klimaschutz bereits Anfang des Monats skeptisch. „Wir brauchen ein Maßnahmenbündel, das die PKW-Fahrt in die Stadt unattraktiv macht, aber auch Alternativen schafft“, meint NRW-Geschäftsführer Dirk Jansen. Eigentlich müssten das auch die Grünen meinen, und als „Law & Order“-Partei hat die Partei sich bisher auch noch nicht sonderlich hervorgetan. Ob sie sich also willens und in der Lage zeigt, den Keller-Geist in der Flasche zu halten, dürften bereits die nächsten Wochen zeigen.

Jan