TERZ 02.21 – LOKALPOLITIK
Schon seit Langem wächst zusammen, was für viele eigentlich nicht zusammengehört: Die CDU und Bündnis 90/Die Grünen. Auf kommunaler Ebene gab es Mitte der 1990er Jahre die ersten Kooperationen, und nun ist es auch hier so weit. Die beiden Parteien vereinbarten nach der Wahl im September 2020 ein „Gestaltungsbündnis für ein zukunftsfestes Düsseldorf“. Eine „offene, nachhaltige und generationen-gerechte Stadt“ streben sie an.
„Da haben Menschen verhandelt, die gut miteinander vertraut sind und sich deshalb auch auf dem Feld der Politik vertrauen“, sagte der Düsseldorfer CDU-Parteivorsitzende Thomas Jarzombek nach der Unterzeichnung des schwarz-grünen Kooperationsvertrages. Und sein Parteikollege, Ratsfraktionschef Rolf Tups, bekundete: „Wir wollen eine fortschrittliche Politik betreiben, die den Menschen nutzt.“ Die grüne Partei-Vorsteherin Paula Elsholz erklärte derweil im professionellen Politik-Sprech: „Wir sind angetreten, um Verantwortung zu übernehmen“. Vor ihren 156 Partei-Freund*innen, die der Koalitionsvereinbarung zustimmen mussten und das bei elf Gegenstimmen und elf Enthaltungen auch taten, charakterisierte sie das neue „Gestaltungsbündnis für ein zukunftsfestes Düsseldorf“ schließlich so: „Das ist keine Liebesheirat, aber beherzter Pragmatismus.“
Besonders bei der Verkehrspolitik schlugen bisher nicht gerade zwei Herzen im Dreiviertel-Takt. Die CDU hatte einen „Freie Fahrt für freie Bürger“-Wahlkampf gemacht und dabei vor allem gegen die Umweltspuren agitiert. „Umweltfeindliche Umweltspuren abschaffen!“, lautete eine der zentralen Parolen ihres Oberbürgermeister-Kandidaten Stephan Keller. Seiner Meinung nach hatten die Sondertrassen, welche die Ampel-Koalition für Busse, Fahrgemeinschaften, Fahrräder und andere klima-freundlichere Fortbewegungsarten einführte, ihren Namen nicht verdient. Als einen „Versuch, der die Erwartungen nicht erfüllt hat und gescheitert ist“, wertet die Koalitionsvereinbarung nun das Projekt, welches das Ziel verfolgte, im Rechtsstreit mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) über die kontinuierlichen Grenzwertüberschreitungen von Stickstoffoxiden zu einer gütlichen Einigung zu kommen. „Wir werden die Umweltspuren deshalb wieder aufheben und andere Maßnahmen zur Verbesserung der Luft-Qualität und auch zur Förderung des Radverkehrs ergreifen“, kündigten die Parteien an. „Die Düsseldorfer Unternehmen können aufatmen“, erklärte die Industrie- und Handelskammer umgehend und nannte das Umweltspuren-Aus „zielführend“. Und noch weiteres Unbill haben Keller & Co. den Autofahrer*innen erspart: Diese brauchen nicht vom Gas zu gehen. „Die Kooperationspartner haben unterschiedliche Positionen zur Frage von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in der Stadt“, hält das „Gestaltungsbündnis“ fest.
Schwarz-Grün will die Verkehrsströme nun „verträglich abwickeln mit Hilfe intelligenter Lösungen und einem ausgewogenen Management“ und so „die Mobilität der Düsseldorfer*innen und der Ein- und Auspendler*innen erhalten“ – sowie last not least – „zukunftsfest machen“. Das Mittel der Wahl dazu: zwei, drei, viele Radwege und vor allem intelligente Ampeln. Nach den schwarz-grünen Plänen steuern zunächst Pförtner-Ampeln den Verkehr in der Stadt, um Staus zu vermeiden, und später einmal sollen es sogar „umweltsensitive“ Ampeln regeln. Je nach Schadstoff-Belastung in der City müssen dann mehr oder weniger Autos draußen bleiben. Dieses 4,7 Millionen Euro teure Pilot-Projekt, dessen Kosten der Bund zu 60 Prozent übernimmt, verbindet Ampeln mit Mess-Stationen, Wechselverkehrszeichen und Anzeige-Tafeln. „Wir erhalten somit ein flexibles und an die realen Gegebenheiten angepasstes Regulierungsinstrument“, so Verkehrsdezernentin Cornelia Zuschke. Für den Rest an Luftreinigung soll dann das Übliche sorgen: Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs, Ausbau von „Park & Ride“-Angeboten und Umrüstung der städtischen Fuhrparksflotte.
Zwar hält auch Schwarz-Grün eine „nennenswerte Reduktion“ des Verkehrs für geboten, um eine Absenkung des Ausstoßes von Kohlendioxid, Stickstoffoxiden (NOx) und anderen Schadstoffen zu erreichen, aber ob das geht, ohne in irgendeiner Form das Auto auszubremsen, steht doch sehr in Frage. Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe etwa kritisiert die neue Verkehrspolitik: „Düsseldorf ist die einzige Stadt in Deutschland, die Umweltspuren abschafft. Da müssen schon starke alternative Maßnahmen kommen, die die Abgas-Werte senken.“ Und die neuen Ampeln betrachtet er nicht als solche Maßnahmen. „Umweltsensitive Ampeln sind ein Phantom. Der Oberbürgermeister hat uns noch kein konkretes Konzept vorgelegt, das wir prüfen können“, so Resch. Dirk Jansen vom BUND beurteilt das Instrument ebenfalls skeptisch und meint: Die NOx-Grenzwerte müssen schnellstmöglich und dauerhaft eingehalten werden. Das geht nur, wenn weniger Autos in die Stadt kommen.“ Darum fordert er eine „konsequente Abkehr vom Leitbild der auto-gerechten Stadt“.
Momentan kommen weniger Autos in die Stadt, allerdings corona- und vielleicht auch ein wenig umweltspuren-bedingt, was prompt Auswirkungen auf die Zahlen hatte. Zum ersten Mal gelang es der Corneliusstraße 2020, im Jahresmittel den Stickstoffdioxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm knapp einzuhalten. Corona mit seinen Begleiterscheinungen und Spätfolgen wie mehr Home-Office könnte sich also als neuer gelber Engel für Schwarz-Grün und seine Autofahrer*innen erweisen.
In Sachen „Klimaschutz“ setzen die beiden Parteien statt beim mobilen beim immobilen Sektor an. Mit Maßnahmen wie der energetischen Sanierung, Ökostrom für alle städtischen Gebäude, Fernwärme und Ölheizungsaustausch wollen sie Düsseldorf zur Klima-Hauptstadt und bis 2035 klima-neutral machen. 60 Millionen Euro stehen dafür bereit.
Klima-korrektes Wohnen ist sicher eine schöne Sache, aber für viele Düsseldorfer*innen stellt schon das normale Wohnen ein großes Problem dar, weil sie keine Bleibe zu einer akzeptablen Miete finden. Schwarz-Grün plant deshalb, das Handlungskonzept Wohnen etwas zu verändern, das bei Projekten mit mehr als 100 Wohneinheiten greift. Künftig schreibt die Stadt hier einen preis-regulierten Anteil von 50 Prozent vor, gesplittet in 30 Prozent öffentlich geförderten und 20 Prozent preis-gedämpften Wohnraum.
Bisher hat dieses Instrument kaum gewirkt. So fand es im Stadtbezirk 2 (Flingern und Düsseltal) zwischen 2013 und 2019 nur bei wenigen der in dem Zeitraum entstandenen 1.428 Wohnungen Anwendung. Gerade einmal 124 öffentlich geförderte Einheiten errichteten die Bauherr*innen in den sieben Jahren und 65 preis-gedämpfte. Damit blieben sie unter dem Soll und fanden offenbar kreative Lösungen, um sich nicht an die Vorgaben halten zu müssen. Darum wollen CDU und Bündnis 90/Die Grünen hier jetzt „neue Wege gehen, um sicherzustellen, dass die Regeln für den preis-gedämpften Wohnraum eingehalten werden“.
Weiterhin nimmt sich die schwarz-grüne Mehrheitsfraktion vor, den Anteil von Sozialwohnungen zu erhöhen, indem sie mehr Belegungsbindungen kauft. Auch will sie ein Leerstandsmonitoring betreiben. Zudem beabsichtigt das „Gestaltungsbündnis“ zu prüfen, ob es Eingreif-Möglichkeiten gibt, wenn Haus-Besitzer*innen Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln.
Ob die städtische Wohnungsbaugesellschaft (SWD) unter Schwarz-Grün künftig stärker dazu beiträgt, die Wohnungsnot zu lindern, steht dahin. „Für die Zukunft halten wir ein größeres Bau-Volumen für wünschenswert“, erklären die Parteien und bekunden zu prüfen, „welche Anforderungen durch eine Erhöhung entstehen und welche konkreten Maßnahmen sich zwingend daraus ergeben.“ In letzter Zeit war die SWD durch branchen-übliches Verhalten negativ aufgefallen. So verlangte sie teilweise Mieten von 14 bis 16 Euro pro Quadratmeter und beschränkte sich nicht auf die Errichtung öffentlich geförderter und preisgedämpfter Wohnungen. Darüber hinaus mischte sie auch im Immobilien-Handel mit. Vor allem die Grünen hatten dieses Gebaren kritisiert, was sich in dem Vertragswerk jetzt aber nicht wiederfindet. Auch hat die Partei sich von der CDU eine Unterstützung privater Häuslebauer*innen abringen lassen.
Spekulation gedenkt Schwarz-Grün durch einen aktiveren und sorgsameren Umgang mit dem Gut „Boden“ entgegenzuwirken. So kündigen die Koalitionspartner*innen eine „Bodenvorratspolitik“ an, den Erwerb von Grundstücken für Bau-Projekte in späterer Zeit. Überdies möchte sie eigene Liegenschaften nicht mehr so einfach völlig aus der Hand geben, sondern nach dem Erbbau-Recht nur verpachten und sich zudem verstärkt Vor- und Rückkauf-Rechte von Arealen sichern. Auch streben die beiden Parteien an, gegen Immobilien-Gesellschaften vorzugehen, die trotz Zusagen nicht bauen, weil sie lieber Monopoly mit den Grundstücken spielen, wie es zurzeit unter anderem beim Grand Central, auf dem Glashütten-Gelände und bei den Benrather Gärten der Fall ist.
Einige konkrete Maßnahmen dazu befinden sich schon in der Umsetzung. So hat die Stadt vor, in Verträgen zukünftig einen Passus einzubauen, wonach die Projekt-Entwickler*innen sich verpflichten, keine Veräußerungen von Firmen-Anteilen vorzunehmen und das Grundstück nicht zu filetieren und in größeren oder kleineren Stücken weiterzuverkaufen – oder solche Transaktionen wenigstens frühzeitig anzuzeigen. Als Druckmittel dient der Kommune hier das Baurecht. Hat der*die Investor*in dieses nicht, schmälert das den Wert des Bodens nämlich erheblich. Darüber hinaus zeigt sich die Kommune entschlossen, Vertragsstrafen zu verhängen, wenn die Unternehmen Bau-Zusagen nicht einhalten. Aber rückwirkend gilt dies alles nicht.
Christdemokrat*innen und Grüne wollen nicht nur eine „offene, nachhaltige und generationen-gerechte Stadt“, sondern vor allem auch eine sichere. Stephan Keller hatte sich im Wahlkampf als veritabler „Law & Order“-Mann inszeniert. Dementsprechend heißt es jetzt in der Kooperationsvereinbarung: „Mit uns soll Düsseldorf weiterhin eine Metropole sein, in der sich die Menschen frei und sicher fühlen – und es auch sind. Objektive Sicherheit und auch das subjektive Sicherheitsgefühl tragen wesentlich zum Funktionieren unseres Gemeinwesens bei.“ So steht dann eine Aufstockung des Ordnungs- und Servicedienstes (OSD) um 150 Beschäftigte an – so sie sich dann finden lassen, denn beliebt ist der Job nicht gerade. Bei der grünen Basis kam diese Arbeitsplatz-Beschaffung nicht gerade gut an. Die Mandatsträger*innen mussten da schon zum allerletzten Mittel greifen, das nur zum Einsatz kommt, wenn nichts anderes mehr geht: dem Fahrrad. Die OSDler*innen seien doch auch dazu da, um gegen Falschparker*innen auf Radwegen einzuschreiten, erklärte die Landespolitikerin Annette Klinke vor der Abstimmung über die Kooperationsvereinbarung. Außerdem habe beim Thema „Sicherheit“ auch der Präventionsgedanke Eingang ins schwarz-grüne Programm gefunden, sekundierte die Landtagsabgeordnete Monika Düker.
Und war sonst noch was? Der neue Oberbürgermeister empfindet sich explizit als Teil des Rathaus-Bündnisses, was bei seinem Vorgänger Thomas Geisel anders war. Corona-bedingt erklärt es Schwarz-Grün nicht länger zum Tabu, Schulden zu machen. Ex-Bürgermeister Joachim Erwin dürfte sich da im Grabe umdrehen. Dafür zollen ihm CDU und Grüne Tribut und heben zur Sanierung der Stadtkassen die Gewerbesteuer nicht an. „Wir sichern die niedrige Gewerbesteuer von Joachim Erwin“, hielt Parteichef Thomas Jarzombek fest. In der Kultur-Politik bekennen die Parteien sich gleichermaßen zu großen und kleinen Häusern und wollen sogar eine Erweiterung des Zakks prüfen. Auch kündigen sie eine Neubewertung der Straßenordnung an, unter der bisher besonders die Obdachlosen gelitten haben. Sodann gibt es künftig jede Menge Beauftragte: etwa für Nachhaltigkeit, für Biodiversität und fürs Nachtleben. Sogar die CDU bekommt davon etwas ab: einen Väter-Beauftragten.
Jan