TERZ 03.21 – RASSISMUS
Die Initiative Amed Ahmad kündigt für den 9. März Presse-Aktionen und eine Kundgebung vor dem Landtag in Düsseldorf an, zusammen mit der Familie und den Freund*innen von Amed Ahmad, mit ihren Rechtsanwälten und unterstützt von der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh.
Herbert Reul und Peter Biesenbach (CDU) tragen als Minister des Innern und der Justiz unter NRW-„Landesvater“ und eventuell-Kanzlerkandidat Armin Laschet die Verantwortung dafür, dass Amed Ahmad im Sommer 2018 von NRW-Polizist*innen widerrechtlich inhaftiert, über Monate hinweg in der JVA Kleve seiner Freiheit beraubt und dort am 17. September vor inzwischen 2 ½ Jahren bei einem Brand in seiner Zelle so schwer verletzt wurde, dass er starb. Obwohl es eine Reihe guter Gründe gibt, zur Freiheitsberaubung und zum Tod von Amed Ahmad Ermittlungen gegen Behördenmitarbeitende und Beamt*innen etwa aus den Reihen der Polizei zu führen, meinen die Verantwortlichen, sich mit einem „Wir sehen keine Straftaten“ herauswinden zu können. Jüngst, Anfang Februar 2021, ist nun auch das letzte Strafverfahren eingestellt worden, das die Staatsanwaltschaft Kleve zuletzt noch gegen einen einzelnen Polizeibeamten führte. Alle früheren Ermittlungsverfahren gegen seine Berufskolleg*innen wurden bereits früher ad acta gelegt, ebenfalls mit der Begründung, kein strafrechtlich relevantes Verhalten erkannt haben zu können (TERZ 09.20).
Selbst im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der seit über zwei Jahren im Düsseldorfer Landtag tagt, scheint die Sache gelaufen: Auch hier ist weiterhin die Rede vom „tragischen Fall“ und von „den unglücklichen Umständen“, unter denen der Geflüchtete zunächst ohne jede Rechtsgrundlage eingesperrt und dann „zu allem Unglück“ auch noch zu Tode gekommen sei. Die Landesregierung und die Spitzen ihrer Ministerien – sie ziehen es scheinbar vor, den „Fall Amed Ahmad“ ein „schlimmes Schicksal“ zu nennen und alle Verantwortung von sich und ihren Behörden zu weisen.
Diese Rechnung haben sie aber ohne die Initiative Amed Ahmad gemacht. Sie ruft an der Seite der Familie von Amed Ahmad und einer Reihe von Freund*innen und Initiativen auf zu einer Pressekonferenz und Kundgebung – vor dem Landtagsgebäude, zur 28. Sitzung des PUA Kleve am 9. März.
Am 4. Februar 2021, schreibt die Initiative Amed Ahmad, „ist das Strafverfahren gegen den Polizisten Frank G. eingestellt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor gegen den Polizeibeamten aus Geldern wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung ermittelt. G. soll die Inhaftierung von Amed Ahmad in der JVA Kleve im Sommer 2018 als Fehler erkannt, dann aber nicht für die Freilassung von Amed Ahmad gesorgt haben“. Die Staatsanwaltschaft hat zum Ende der Ermittlungen nun aber verlautbart, dass diese keine hinreichenden Beweise dafür hätten liefern können, ob der Polizist vorsätzlich falsch gehandelt habe. Die Rechtsanwälte Sven Tamer Forst und Eberhard Reinecke, die die Familie von Amed Ahmad vertreten, ordnen diese Rechtsauffassung ein: „Die Staatsanwaltschaft legt vermutlich aus politischen Gründen bei der Strafverfolgung von Polizeibeamt:innen andere Maßstäbe an als im Normalfall. Es ist abwegig, bei der Freiheitsberaubung nur von Fahrlässigkeit auszugehen. Die handelnden Polizeibeamt:innen haben die Inhaftierung der falschen Person billigend in Kauf genommen“.
Die Initiative selbst sieht sich an den „Brand-Tod von Oury Jalloh erinnert, der vor 16 Jahren in einem Haftraum der Polizeistation in Dessau unter bisher ungeklärten Umständen starb.“ Wie „im Ringen um Aufklärung zu Oury Jallohs Tod“ müsse jeder einzelne Schritt, jeder Millimeter an Aufklärungsarbeit auch zur Geschichte von Amed Ahmad mühsam erstritten werden, betont die Initiative. Gegen den Polizisten G. etwa wurde erst ermittelt, „nachdem durch eine Presseveröffentlichung bekannt wurde, dass er Wochen vor Amed Ahmads Tod in der JVA Kleve über dessen unrechtmäßige Inhaftierung informiert gewesen“ sei. „Besonders pikant ist,“ so die Initiative, dass der Polizist G. Amed Ahmad „zu diesem Zeitpunkt bereits ‚kannte‘, die lokalen Behörden in Geldern hatten ihn auf dem Kieker.“ So ist die Initiative überzeugt davon, „dass die rassistische Stigmatisierung und Kriminalisierung von Amed Ahmad, wie er sie vor seiner Inhaftierung erleben musste, mitverantwortlich für seinen Tod am 29. September 2018 ist. Konkret benennen wir dabei die Kreispolizeibehörde Geldern, das Amtsgericht Geldern, das Amt für Arbeit und Soziales Geldern sowie die Abteilung für Ordnungs- und Gewerbeangelegenheiten Geldern.“
Ein Wille zu konsequenter Aufklärung sowohl über die rassistischen Normalzustände in Geldern sowie zum Handeln einzelner Akteur*innen bei Polizei und Justiz ist für die Initiative Amed Ahmad aber nicht erkennbar. Ihre Kritik richtet sich darum auch an NRW-Innenminister Herbert Reul, Justizminister Peter Biesenbach sowie an die beteiligten Staatsanwaltschaften. „Sowohl die politisch Verantwortlichen als auch die Ermittlungs- und Justizbehörden sind an einer vollumfassenden Aufklärung zu den Hintergründen von Amed Ahmads Tod nicht interessiert.“ Das hieße aber einmal mehr, „dass auch weiterhin vor allem migrantisierte Menschen im Kontakt mit den Polizeibeamt:innen der Kreispolizeibehörde Kleve und andernorts um ihr Leben fürchten müssen.“ Damit spricht die Initiative in aller Dringlichkeit an, dass es nicht um „Einzelfälle“ – vielmehr aber um Strukturen geht. Sie verweist auf „deutschlandweit 179 weitere ungeklärte Fälle von Tod in Polizeigewahrsam seit 1990, die von der Kampagne ‚Death in Custody‘ aufgearbeitet wurden.“
Am Dienstag, den 9. März 2021 will der Parlamentarische Untersuchungsausschuss mit seiner Arbeit fortfahren. Er will aufklären, wie er selbst behauptet. Um die Ausschussmitglieder daran zu erinnern und Vertreter*innen der Presse, Passant*innen und Interessierte über den aktuellen Stand der Nicht-Aufklärung zu informieren, lädt die Initiative Amed Ahmad für diesen Tag zu einer Pressekonferenz ein: mit den Eltern und Freund*innen von Amed Ahmad, mit den Rechtsanwälten Sven Tamer Forst und Eberhard Reinecke und mit der Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, begleitet von einer Kundgebung. Damit wird die Initiative die offenen Fragen einmal mehr direkt dorthin tragen, wo sie für künftige Bundeskanzlerkandidaten und ihre besten Kabinettsfreunde unangenehm werden dürften: In die Öffentlichkeit.
Kundgebung der Initiative
Amed Ahmad & friends und Pressekonferenz
Dienstag, 9. März 2021, 13.30 Uhr, Landtag NRW
Für Informationen und Updates:
Twitter @amedinitiative
Instagram @initiativeamedahmad