Heraus zum Frauentag am 8. März!

Care-Arbeit als Dauerkrise

Corona zeigt, was Feminist*innen schon lange wussten:

2020 war ein beschissenes Jahr. Aber 2021 wird super. Sobald wir alle geimpft sind, haben wir keine Probleme mehr. Alles wird glitzern und glänzen, wir fahren wieder in den Urlaub und alle sind happy. Wir können endlich mit dem Feminismus aufhören! Reicht ja auch damit! Kleiner Scherz.

Das Problem ist das System

2020 war kacke, und 2021 wird auch nicht viel besser, wenn wir einfach so weitermachen. Die Krise zeigt, was die ganze Zeit schon verkehrt läuft: Das Problem ist unser Gesellschaftssystem, das auf patriarchalen, rassistischen und kapitalistischen Strukturen basiert.

Wir wollen den 8. März erneut zum Anlass nehmen, um unsere Gedanken im Kampf für eine gerechte feministische Zukunft zu teilen. Der 8. März ist den meisten Menschen leider nur bekannt als „Internationaler Frauentag“. Seit mindestens 80 Jahren ist dieser Tag aber ein feministischer Kampftag und als solchen feiern wir ihn!

Who cares? We care!

Die Covid-19-Pandemie zeigt, was schon lange schiefläuft: Wir leben in einer Gesellschaft, die auf wirtschaftlichem Wachstum im globalen Wettbewerb basiert. Wenn das nicht funktioniert, bricht alles zusammen. Und wie funktioniert das alles? Dadurch, dass – meist im Hintergrund – bezahlte und unbezahlte Sorgearbeit (Care-Arbeit) geleistet wird.

Care-Arbeit ist jede Arbeit rund um Erziehung, Pflege, Haushalt, Reinigung, Betreuung sowie der sogenannte „mental load“. Das sind die „Kleinigkeiten“, die organisiert, im Gedächtnis behalten, kommuniziert werden müssen, damit das Zusammenleben funktioniert: an Termine erinnern, Verpflegung vorbereiten, Geburtstagsgeschenke organisieren, Konfliktthemen ansprechen, für Harmonie sorgen ...

Was wäre eine Gesellschaft ohne Hilfe und Fürsorge für Alte, Kranke, Kinder, ohne gekochtes Essen, saubere Kleidung und ein Zuhause, in dem mensch sich wohlfühlt? Sie wäre eben nicht menschlich!

Zurück in die 1950er? – Fuck off!

In der Pandemie zeigt sich wieder: Geschlecht wird cis (Menschen, deren Geschlechtsidentität mit ihrem körperlichen Geschlecht übereinstimmt, Anm. TERZ) und hetero gedacht. Heterosexuelle Zweierbeziehungen und „blutverwandte“ Familien werden als Kern der Gesellschaft hervorgehoben, die Bedeutung anderer Wahlfamilien- und Beziehungs-Formen ausgeblendet. Auch Alleinerziehende werden von der Politik völlig vergessen und jonglieren zwischen Homeschooling und Erwerbsarbeit mit der existentiellen Angst im Hinterkopf, dass das Geld am Ende des Monats nicht reichen könnte. Wenn das auf Erzieher*innen, Reinigungskräften und Pflegepersonal basierende Care-System ausfällt, werden bereits überwunden geglaubte Geschlechter-Rollen wieder ausgepackt. Unbezahlte Care-Arbeit wird als selbstverständlich verstanden und unreflektiert Frauen zugeschrieben, ob in der Öffentlichkeit oder in heterosexuellen Beziehungen.

Wir sagen: Der Trend war 1950 schon scheiße. Care-Arbeit muss solidarisch verteilt werden!
Queere Menschen organisieren in Regenbogenfamilien und freund*innenbasierten Beziehungen oft eine ausgewogenere Verteilung von Care-Arbeit. Diesen Familien-Formen verwehren Gesetze und Bürokratie in Deutschland immer noch Anerkennung und Gleichbehandlung, beispielsweise in Bezug auf Elternschaft. Auch werfen ihnen antifeministische und trans*feindliche Machthaber immer neue Felsbrocken in den Weg zu fundamentaler Selbstbestimmung über den eigenen Körper und zu einer eigenen Geschlechtsidentität.

Wir fordern geschlechtliche, körperliche und reproduktive Selbstbestimmung! Wir fordern Anerkennung für jede Form von Familie. Familie ist da, wo sich Menschen umeinander kümmern. Jede rechtliche und bürokratische Ungleichbehandlung muss aufhören!

Eure Komfortzone, unser Angstraum

Selbstbestimmt leben war schon vor der Pandemie für viele von uns ein weit entferntes Ziel. Die vielen Arten von Sexismus und Rassismus, die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung(serfahrung) und kapitalistische Zwänge gefährden uns in allen Bereichen unseres Lebens. Die Herkunfts-Familie oder das gegenwärtige Zuhause ist oft auch kein sicherer Ort. Vielen Frauen, Lesben und inter*, nicht-binären oder trans* Personen (FLINT) und ihren Kindern droht hier Gewalt: in emotionaler, körperlicher, sexualisierter oder einer anderen Form. Besonders FLINT mit Behinderung erleben häufig durch die Menschen, auf die sie zur Pflege und Alltagsbegleitung angewiesen sind, massive Gewalt.

Für viele von uns geht es dabei um das nackte Überleben. Tötungen von queeren Menschen passieren nicht aus „Angst“, sondern sind Morde aus Hass. Die Tötung einer Frau durch Familienangehörige oder (Ex-)Partner ist kein Familiendrama, sondern ein Femizid! Es handelt sich nicht um Einzelfälle, die Gewalt hat System. Patriarchat tötet.

Wir brauchen einfachere Zugänge zu einem selbstbestimmten Leben ohne Gewalt vor allem für FLINT, alle queeren Menschen und Menschen mit Behinderung. Es ist unserer Recht zu leben und zwar so, wie wir es wollen! Wir wollen selbst entscheiden, mit wem wir wohnen und wer uns versorgt, wenn wir Unterstützung brauchen.

Wir wollen autonome Räume, safer spaces, in denen wir Utopien dazu entwickeln und erproben können. Und es ist nicht nur die Aufgabe von Betroffenen, dafür zu sorgen. Wir brauchen verlässliche Strukturen, die unseren Bedürfnissen gerecht werden und Ressourcen, die wir dafür selbst verwalten können.

Diskriminierung der Care-Arbeit

Was die Welt im Innersten zusammenhält, ist aufgebaut auf der beruflichen und privaten Care-Arbeit, also überwiegend auf dem Rücken von Frauen. Meist werden Sorge-Berufe aus patriarchaler Sicht als minderwertig und die Aufgaben im Privaten als selbstverständlich „weiblich“ angenommen. Eben die sozialen Berufe sind es, die oft unter besonders schlechten Arbeitsbedingungen leiden und in denen strukturelle Probleme (Profitorientierung, Mangel an Arbeitskräften) durch Ausbeutung der Arbeiter*innen „gelöst“ werden. Mit den körperlichen und psychischen Folgen sowie der Armut aufgrund niedriger Löhne werden die Betroffenen alleine gelassen. Dies und unser ungerechtes Bildungssystem führen dazu, dass sich in der Care-Arbeit soziale Ungleichheiten immer wieder neu herstellen und über Generationen verfestigen. Intersektionale Diskriminierung – die Verschränkung und Wechselwirkung von verschiedenen Diskriminierungserfahrungen – wirkt hier besonders stark: Von neoliberalen Lösungsangeboten, z. B. wirtschaftlichen Gleichstellungsmaßnahmen für Frauen, profitieren weiße Frauen ohne Behinderung und mit europäischem Pass. FLINT, die intersektional diskriminiert werden, also beispielsweise in Bezug auf Geschlecht und rassistischer Zuordnung, nicht. Schwarzen Frauen und Frauen of Color werden trotz europäischem Pass die Zugänge verwehrt. Jenen, die von Asyl- und aufenthaltsrechtlichen Diskriminierungen betroffen sind, bleibt oft keine andere Möglichkeit als unterhalb ihres Qualifikations-Niveaus zu arbeiten. Ähnliches gilt für Frauen mit Behinderung(serfahrungen), die vom regulären Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Auch trans* und nicht-binäre Personen erleben in Bildung und Arbeitswelt immer noch eine so starke Diskriminierung, dass sie am System scheitern.

Das muss enden. Wir müssen uns verbünden. Wir müssen streiken.

Gemeinsam ran an die Utopie!

Jetzt ist die Zeit, solidarische Lösungen zu entwickeln, wie alle in dieser Pandemie geschützt werden und möglichst gut durch diese belastende Zeit kommen können. Und jetzt ist erst recht die Zeit, darüber nachzudenken, wie wir zukünftig leben und unsere Gesellschaft gestalten wollen. Denn dieses System gefährdet, verletzt, beutet aus und tötet. Wir sind alle soziale Wesen, die aufeinander und auf Care-Arbeit angewiesen sind. Wir wollen Care-Arbeit ins Zentrum rücken und von da aus Gesellschaft aufbauen. Eine Gesellschaft, die mit Solidarität die sexistischen, rassistischen und klassistischen Grenzen sprengt. Ein Miteinander, das auch über die von Menschen gemachten Staatsgrenzen hinausdenkt.

Nicht der Nabel der Welt

Die Länder Europas gehen in elitären Machtkämpfen unter und singen dabei weiter Lobeshymnen auf ihre menschrechtlichen Erfolge. Die europäische Abschottungspolitik kriminalisiert gleichzeitig die Einforderung dieser Menschenrechte und die Sorgearbeit für Geflüchtete an den Außengrenzen. Menschen müssen an der ausgestreckten Hand verhungern, sterben nach Flucht und Folter. Solidarische Initiativen wie die „Seebrücke“ machen Angebote und die verantwortlichen Politiker*innen halten sich die Ohren zu. Solidarität darf nicht an den deutschen oder europäischen Grenzen aufhören! Anstatt die Pandemie international solidarisch zu bewältigen und die Patente und den Impfstoff für alle freizugeben, schlagen jetzt sehr wenige Unternehmen und Länder enormen Profit aus dieser Situation. Der Westen sichert sich fast den gesamten Impfstoff, obwohl hier nur ein Bruchteil der weltweiten Bevölkerung lebt. Wo ein Mensch geboren ist und mit welchen Ressourcen er lebt, entscheidet weiterhin über Leben und Tod. Schon seit Jahrzehnten weisen antirassistische Aktivist*innen of Color darauf hin, dass diese Ungerechtigkeit eine lange koloniale Geschichte hat. Auch in den Ländern des globalen Südens sind diejenigen am stärksten betroffen, die für andere sorgen, die arm sind, die keine Infektionsschutz-Möglichkeiten haben und keinen Abstand halten können.

Wir fordern die Wahrung der Menschenrechte und Bewegungsfreiheit für alle Menschen!

Klatschen reicht nicht, Solidarität sieht anders aus!

Die kapitalistische Ausbeutung im Gesundheits- und Pflegebereich gefährdet die Gesundheit aller. Direkt die der Personen, die pflegen und betreuen und die der Menschen, die gepflegt werden. Und indirekt unser aller Wohlergehen! Es geht nicht nur um die chronisch unterbesetzten und kaputtgesparten Notaufnahmen und Ambulanzen, es geht um die basale Gesundheitsversorgung, Versorgung in der Schwangerschaft, die Möglichkeit zu Schwangerschaftsabbrüchen, die Zugänge zu Therapie, Prävention und die elendigen Fallpauschalen. Das Gesundheitssystem muss flächendeckend ausgebaut, gemeinnützig und nicht gewinnorientiert betrieben werden. Jede Care-Arbeit braucht Zeit und ausreichend Mittel für Zuwendung!

Wir sehen also: Das Problem ist das System. Schönheits-Reparaturen mit Pflegeprämien sind eine nette Geste, aber ändern nichts. Wir müssen das Ganze in der Tiefe ergründen. Es bringt nichts, an den Blättern rumzuschnibbeln, wenn die Wurzeln schon lange faulen. Wir brauchen einen radikalen Strukturwandel. Ein Wirtschaftssystem, das allen nützt, nicht nur denen am oberen Ende eines falschen Herrschaftssystems.

Fight for Freedom and Glitzer – Queerfeministische Utopien selber machen!

FAD – feministische Aktion Düsseldorf

[FAD - Feministische Aktion Düsseldorf: Wir sind eine offene queerfeministische Gruppe für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre und trans* Personen (FLINT), die sich supporten, chillen, feiern und politisch arbeiten. Als überwiegend weiße Feminist*innen bemühen wir uns, rassismuskritisch zu denken und zu handeln. Wir organisieren uns unabhängig von Parteien und gerne mit allen, die unsere Utopie einer herrschaftsfreien und gerechten Gesellschaft teilen. Wir sind Teil des „Bündnis Feministischer Kampftag” und sind als Gruppe im Linken Zentrum Hinterhof aktiv. Follow us: Facebook und Instagram #abgehtdiefad #joinUsToUtopia #fadabernichtlangweilig]