Nazigold auf der Kö

Degussa Goldhandel hat es sich in Düsseldorf bequem eingerichtet. Das Unternehmen mischt aber nicht nur aktiv im Edelmetallgeschäft mit – es unterstützt auch die AfD. Düsseldorf, eine feine Adresse also?

In der Kö-Galerie in Düsseldorf hat neben Luxusboutiquen das Unternehmen „Degussa Goldhandel“ (nennen wir es fortan Degussa, wie auch die Eigenbezeichnung des Unternehmens lautet) eine Niederlassung. Ansonsten hat das Unternehmen zehn weitere Standorte in Deutschland mit einem Schwerpunkt in München. Bei Degussa kann man nicht nur den Silberschmuck der eigenen Oma zu Geld machen oder einen Goldbarren für kommende Finanzkrisen kaufen – man unterstützt zugleich auch Menschenfeinde mit Verbindungen zur AfD. Denn das Goldunternehmen profitiert in seinen Geschäften nicht nur von Ängsten vor einer Euro-Krise und den damit seit Jahren steigenden Goldpreisen – mit einem Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro in 2019. Es fördert auch gezielt rechts-libertäre Kräfte und steht für demokratiefeindliche Marktradikalität.

Privatrechtsgesellschaft und die Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts

Vom Chefökonomen Thorsten Polleit bis zum Geschäftsführer Markus Krall eint Degussa die Angst vor dem Sozialismus. Dabei ist es völlig egal, ob es um die Bundeskanzlerin oder um die Klimagerechtigkeitsbewegung geht. Überall scheint der Wille zur Abschaffung des Privateigentums zu lauern. Im Falle einer Finanzkrise malt Krall das Bild von bürgerkriegsähnlichen Zuständen, in denen ‚gewaltbereite, ideologisierte Fußtruppen der Antifa‘ zusammen mit Islamisten die liberale Ordnung zerstören wollen würden. Krall fordert deswegen eine „bürgerliche Revolution gegen die neofeudalistischen Sozialisten“.

Diese Konterrevolution hat über eine monarchistische, minimalstaatliche Zwischenstation die Privatrechtsgesellschaft zum Ziel. In der Privatrechtsgesellschaft gibt es keine Demokratie, keinen Staat und nicht weniger als das individuelle Eigentum allein ordnet das Zusammenleben in einer Gesellschaft.

In dieser Logik steht auch Kralls Forderung nach Abschaffung des allgemeinen Wahlrechts in der Bundesrepublik. Menschen, die Hartz-IV oder BAföG beziehen oder Arbeiter*innen aus staatlich subventionierten Betrieben, seien unmündig und aus diesem Grund nicht wahlberechtigt. Wer wählen geht, solle im Umkehrschluss im Laufe der Legislaturperiode keine Sozialleistungen beantragen können. Diese Gedanken aus seinem Buch „Die bürgerliche Revolution“ stellte Markus Krall 2020 auch auf einer Veranstaltung der AfD in Augsburg vor. Generell ist Krall ein gern gesehener Redner auf Veranstaltungen der AfD und verbreitet dort diese sogenannte Crash-These.

Nazihintergrund – Firmen- und Familiengeschichte

Besitzer des Degussa-Konzerns ist der Baron August von Finck. Sein Vermögen wird auf acht Milliarden US-Dollar geschätzt, er lenkt ein breites Netz von Unternehmen. Erst vor wenigen Jahren sicherte sich von Finck für zwei Millionen Euro die Namensrechte für „Degussa“. Es soll so scheinen, als stehe das von-Finck-Unternehmen in der Tradition des 1873 gegründeten Konzerns Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt (ab 1943 unter dem abkürzenden Namen „Degussa“). Das ursprüngliche Degussa-Unternehmen setzte im Nationalsozialismus Zwangsarbeiter*innen ein und lieferte über ein Tochterunternehmen Zyklon B nach Auschwitz. Ebenfalls verarbeitete die damalige Degussa Zahngold, das zuvor Jüdinnen und Juden in den KZ entrissen worden war. Degussa war nicht nur Profiteur, sondern auch Mittäter bei den Verbrechen des deutschen Faschismus.

Gleichermaßen profitierte der Vater des Barons, August von Finck Senior, von der Politik der Nationalsozialisten. Im Rahmen der ‚Arisierung‘ jüdischen Eigentums wurde die Wiener Rothschild-Bank in seinen Besitz überführt. Doch August von Finck Senior war kein industrieller Opportunist, sondern von Anfang an überzeugter Anhänger und Finanzier Hitlers. Er war 1933 Teil eines geheimen Treffens Industrieller, die Hitler eine Finanzspritze von drei Millionen Reichsmark für den Wahlkampf der NSDAP besorgten. Von Finck Senior wurde später als „Mitläufer“ eingestuft, erhielt fast alle seine Posten zurück und hinterließ 1980 seinen Söhnen ein riesiges Vermögen.

Gold, Worte und Geld für die AfD

Teile dieses Vermögens steckte der Junior, Baron August von Finck, in die Mövenpick-Hotels. So war er 2009 in die sogenannte Mövenpick-Affäre, also die zwei Millionen Euro schwere Bestechung von CDU und FDP, verwickelt. Diese Parteipräferenzen scheinen sich geändert zu haben: Seit einigen Jahren wird von Finck verdächtigt, ein Großspender der AfD zu sein. Verschiedene Recherchen von Spiegel, WOZ und Andreas Kemper haben diese Vermutungen nach und nach belegt. Für eine Einschätzung ist es dabei vor allem wichtig, einige der anarcho-kapitalistischen und rechtspopulistischen Akteur*innen aus seinem Umfeld zu kennen, das die AfD von Anfang an finanziell oder durch anderweitige Ressourcen unterstützt hat.

Ab 2013 machte von Finck Junior etwa so simpel wie konkret Geschäfte mit der AfD: Er belieferte mit Degussa den „AfD-Gold-Shop“. Die AfD wiederum animierte ihre Mitglieder massenhaft, Gold in ihrem Online-Business zu kaufen. Damit machte sie zwei Millionen Euro Umsatz, den sich die Partei über Tricksereien und eine Gesetzeslücke vom Staat verdoppeln ließ.

Ebenfalls soll von Finck zusammen mit einer Schweizer PR-Agentur die rechtspopulistische Zeitung „Deutschland-Kurier“ finanziell aufgebaut haben. Die Zeitung wurde kurz vor der Bundestagswahl 2017 in hunderttausende Briefkästen in Deutschland gesteckt und enthielt eine klare und ausformulierte Wahlempfehlung für die AfD. Die AfD bestreitet die Verbindungen zu von Finck; sein vermeintlicher Mittelsmann Ernst Knut Stahl äußert sich nicht dazu.

Ernst Knut Stahl ist Mitglied im anarcho-kapitalistischen Ludwig von Mises Institut, ebenso wie Degussas Chefökonom Polleit und der marktradikale Volkswirt Hans-Hermann Hoppe. Degussa hat nicht nur auffällig viele personelle Überschneidungen mit dem Mises Institut, sondern wirbt intern auch für dessen Veranstaltungen und teilt sich in München eine gemeinsame Adresse. Die Pressesprecherin des Instituts, Dagmar Metzger, fungierte auch in der Anfangszeit der AfD als großzügige Geldquelle für die Partei. Der ehemalige Kassenwart spricht von einer Summe zwischen 100.000 bis 120.000 Euro, die Metzger für die AfD übernommen haben soll. Dazu ist anzumerken, dass Metzger lediglich eine kleine PR-Agentur besaß und auf Finanzierungsnachfragen geantwortet habe, dass sie Geld von „Familienunternehmern“ bekommen habe, die lieber anonym hätten spenden wollen.

Degussa Goldhandel ist kein Unternehmen, das lediglich nach Profit strebt: Von Finck setzt Untergangspropheten und marktradikale Menschenfeinde mit Affinität zum Rechtspopulismus in Führungspositionen. Degussa betreibt folglich nicht nur Goldhandel, sondern beteiligt sich aktiv an apokalyptischer Stimmungsmache, stellt gewissermaßen ein Bindeglied zwischen neoliberalen Menschenfeinden und Rechtspopulist*innen dar.

Der Normalisierung entgegen wirken

Es ist kein historisch neues Phänomen, dass die extreme Rechte superreiche Förderer und Geschäftspartner hat. Es ist aber besonders problematisch, dass die Manager*innen von Degussa Goldhandel ihre demokratiefeindlichen Bestrebungen bisher relativ unbehelligt vorantreiben konnten. Vor der Düsseldorfer Degussa-Filiale werden beispielsweise Flugblätter ausgelegt, in denen sich fast schon dafür entschuldigt wird, dass momentan Maskenpflicht in der Degussa-Filiale herrsche – unterschrieben „mit freundlichen Grüßen“ von Markus Krall.

Unternehmen stehen aber nicht außerhalb unserer Gesellschaft und auch sie sollten sich dafür rechtfertigen müssen, wenn sie demokratiefeindlich agieren und ein Bündnis mit der extremen Rechten eingehen. Gibt es keinen hörbaren Widerspruch, so droht die Normalisierung. Markus Krall ist schon jetzt ein gern gesehener Gast auf Veranstaltungen zahlungskräftiger Unternehmen und Think Tanks. Es ist Zeit, das zu ändern. Diese Veränderung kann nur vor Ort beginnen.

AG Aktiventreffen der LINKEN Düsseldorf

Info-Veranstaltung zu Degussa

Der Soziologe Andreas Kemper recherchiert seit ca. zwei Jahren zu Degussa. Seine ausführlichen Rechercheergebnisse stellt Kemper am 22. April um 19 Uhr auf der Online-Veranstaltung „Haus des Goldes — Degussa und die extreme Rechte“ vor, veranstaltet von DIE LINKE Düsseldorf.
Für die Teilnahme an der Veranstaltung genügt eine Anmeldung über eine E-Mail an kontakt[at]die-linke-duesseldorf[dot]de – oder ein Blick auf die Facebook-Veranstaltung (Stream)!