TERZ 07/08.21 – HSD-SEITE
Am 23. Juni behandelte der Wissenschaftsausschuss im Landtag von NRW einen Antrag der Landtagsfraktion der SPD, die mit einem 9-Punkte-Appell zu den „sozialen Auswirkungen von Corona auf Studierende“ an die Landesregierung herantritt.
Die Sozialdemokrat*innen fordern darin die NRW-Regierung auf, die Belange der Studierenden in und nach der krisenhaften COVID-19-Zeit an den Hochschulen ernst zu nehmen und für Hilfen zu sorgen: So sollen Maßnahmen geschaffen werden, die die Online-Lehre ertragbarer machen, die die Wiederöffnung zur Präsenzlehre für alle sicher gestalten helfen, die den Studierenden aus Krisenlagen heraushelfen und die barriere- und bürokratie-arme finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten auf den Weg bringen.
Für die Anhörung im Ausschuss waren als Expert*innen zum Fachgespräch auch Vertreter*innen des Landes-ASten-Treffens NRW und des „freien zusammenschluss von student*innenschaften“ (fzs) eingeladen. Vor dem Landtag im Düsseldorfer Hafen begleitete eine Kundgebung die Ausschuss-Sitzung. Die Forderungen im und vor dem Landtag waren klar:
Es braucht mehr Aufmerksamkeit für die Lage von Studierenden. Sie in die Gestaltung von Unterstützungsmaßnahmen oder in die Art und Weise, wie der Lehr- und Studienbetrieb an den NRW-Hochschulen wieder aufgenommen werden kann, einzubeziehen, ist dringend notwendig. Denn die Studierenden sind es, die über ihre eigene Lage am besten Bescheid wissen. Und da steht fest: Die Initiative und die Forderungen der SPD sind gut und begrüßenswert. Aber sie kommen spät, wie Carlotta Kühnemann vom Bundesverband fzs feststellt: „Seit über einem Jahr herrscht die Pandemie vor, aber die Situation der Studierenden blieb unverändert. Wir fühlen uns nicht gehört und vergessen.“ Unsichtbar bleibe so, dass die Studierenden seit über einem Jahr mit finanziellen Unsicherheiten leben müssen, in der zum Teil gravierenden Isolation durch die Online-Lehre psychische Belastungen erleben und sich die Studienzeiten zu verlängern drohen.
Für das Landes-ASten-Treffen betont Amanda Steinmaus noch einmal, dass vor allem Studierende aus Arbeiter*innen-Familien besonders betroffen seien. Wo die finanziellen Ressourcen fehlen, um das Studium mit allen Nebenkosten auch unter Wegfall von Studi-Jobs während der Pandemie bezahlen zu können, bleiben gerade sie auf der Strecke. Vielfach hätten sich Studierende exmatrikulieren oder Schulden aufnehmen müssen. Weil flächendeckende Hilfen bisher fehlen, so Steinmaus, stünden alle „vorangegangenen Bemühungen um mehr Bildungsgerechtigkeit“ inzwischen massiv auf der Kippe.
Wer die Stellungnahmen der Studierendenvertretungen lesen möchte oder wissen will, wie es mit dem Antrag im Landtag weitergeht, wird auf der Seite des Wissenschaftsausschusses fündig unter: https://landtag.nrw.de/home/parlament-wahlen/tagesordnungen/WP17/1900/E17-1903.html.
Wenn ich nach Hause fahre, um meine Familie zu besuchen, kann ich mich am heimischen Kaffeetisch mit hundertprozentiger Sicherheit auf die folgenden zwei Fragen vorbereiten „Was macht das Studium?“ und „Wann bist du fertig?“.
Alle Studierenden kennen diese Fragen. Und alle hassen sie. Weil es die falschen Fragen sind. Nicht etwa, weil sie kritisch sind, sondern, weil sie unbedeutend und uninteressant sind.
Und weil ihr ja sowieso keine Ruhe gebt, werde ich sie kurz beantworten.
Diese Frage ist selten dämlich, Onkel Peter. Wie soll es schon laufen im dritten Semester Online-Lehre? Denn ein Studium, das ist in diesen Zeiten vor allem eins: einsame Arbeit. Arbeit ohne Schnack mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen auf dem Flur, ohne richtigen Arbeitsplatz, ohne Weihnachtsfeier, ohne Feierabendbier, ohne Urlaubsgeld sowieso.
Neun Stunden am Stück in nicht selten schlecht organisierten Meetings gäbe es in der Wirtschaft nicht (lange). An deutschen Hochschulen ist das 2021 Alltag.
Also: Wie läuft das Studium? – Es läuft nicht. Es humpelt nicht mal. Es kriecht höchstens.
Bei Wein oder besser: bei einem guten Whisky kommt niemand auf die Idee, ihn statt nach 12 schon nach 4 Jahren aus dem Fass zu schlagen. Weil wir erkannt haben, dass ein Reifeprozess stattfindet, eine Entwicklung, die Zeit braucht. Weil hinterher, mit etwas Zeit, etwas Besseres herauskommt. Mir ist nach wie vor schleierhaft, warum wir im Jahre 2021 unseren Spirituosen immer noch mehr Zeit geben als unserer persönlichen Entwicklung und beruflichen Ausbildung.
Aber ich bin sicher: Für die Arbeitgeber*innen von morgen sind Werte wie Reife, Erfahrung, Engagement, Interesse und Identifikation wichtig. Irgendwann kommt also auch meine „time to shine“. Und bis es soweit ist, studiere ich einfach noch ein wenig.
Wir dürfen nicht vergessen: „Das Studium“ ist nicht einfach der Besuch der Hochschule. Es ist ein signifikanter und prägender Lebensabschnitt, der sich mindestens genauso intensiv mit dem Erwachsenwerden beschäftigt, wie mit Fachliteratur. Es ist die Zeit im Leben, um neue Bekanntschaften zu schließen, Freund*innen zu haben, sich selbst auszuprobieren. Eine Zeit des sozialen Engagements und eine Zeit, in der die größten Fragen des Lebens zu beantworten sind: Wer bin ich und wer will ich sein?
Tim Krause, 26, Studierender & AStA-Vorstand
Die „Identitäre Bewegung“ – Entwicklung, Scheitern und Nachleben einer „rebellischen Jungendbewegung ohne Migrationshintergrund“
Di., 27. Juli 2021, 19:30 Uhr, zakk, Fichtenstr. 40
Referent: Jan Raabe (Argumente & Kultur gegen Rechts e.V.)
Ab 2013 erregte die aus Frankreich kommende Organisation, die von jungen Rechten ins Leben gerufen wurde und junge Menschen ansprechen wollte, auch in Deutschland vor allem medial Aufmerksamkeit.
Die Transparent-Aktion der „Identitären Bewegung“ (IB) auf dem Brandenburger Tor schaffte es 2016 zum Beispiel bis in die „Tagesschau“. Sie warb für sich mit poppigem Auftreten, einer ständigen Präsenz in den Sozialen Medien, mit für die extreme Rechte ungewohnten Aktionsformen und mit Inhalten, die nicht immer auf den ersten Blick der extremen Rechten zuzuordnen waren. Die „Identitären“ waren die Fußtruppen der bis dahin in ihren Schreibstuben hockenden „Neuen Rechten“ bzw. „Intellektuellen Rechten“, die sich vom Neonazismus abgrenzt und ihren Rassismus versteckt.
Nicht zuletzt durch antifaschistische Öffentlichkeits- und Recherchearbeit konnte die IB allmählich zurückgedrängt werden. Ab 2019 waren immer weniger Aktivitäten festzustellen. Die „Identitären“ sind jedoch nicht weg, sondern ihre Kader haben sich professionalisiert, arbeiten in AfD, „Junge Alternative“ und diversen anderen Gruppierungen oder Ich-AGs des extrem rechten Netzwerks weiter.
Der Vortrag reflektiert und analysiert die Entwicklung der „Identitären Bewegung“, ihre Erfolgsbedingungen und Grenzen sowie ihr Scheitern und Nachleben. Was lässt sich lernen aus ihren temporären Erfolgen? Welche Spuren und Neuerungen haben die „Identitären“ hinterlassen in der extremen Rechten?
Veranstalter*innen: Antifaschistischer Arbeitskreis an der HSD und AG INPUT, in Kooperation mit dem Antirassistischen Bildungsforum Rheinland (ABR), SJD – Die Falken Düsseldorf und dem ZAKK.