Neues aus der Plattenkiste.

Wie sang „ASCII. Disco“ doch so schön: „Black Metal in the Disco, Pink T-Shirts on the Dancefloor!“
Oder anders gesagt, passend zum August-Wetter: „Winter is coming“

Fangen wir an mit Amenra aus Belgien, die Ihr neues Album De Doorn auf „Relapse Records“ veröffentlicht und erstmalig alles auf Flämisch eingesungen haben. Aufmerksam geworden bin ich auf Amenra durch die Verlinkung zu „Caro Tanghe“ und „Lennart Bossu“, die beide auch bei „Oathbreaker“-Mitglieder sind. Und Oathbreaker haben vor ein paar Jahren mal im „AK47“ gespielt, womit sich der Kreis dann wieder schließt. An das Konzert denke ich heute noch gerne zurück – was für ein Hassbrett! Caro hat sich die Seele aus dem Leib geschrien. Amenra zu beschreiben, ist gar nicht so einfach, Sludge Doom Metal, Post Metal, Post Hardcore? Auf jeden Fall wütend, atmosphärisch und packend. „Arte“ hat gerade ein Live-Konzert vom „Alcatraz Festival 2021“ hochgeladen, schaut euch das mal an!

Die LP ist im Gatefold-Cover, also zum Ausklappen, in diversen Vinyl-Farben herausgekommen, dazu gehören dann auch Innersleeves mit Texten in Flämisch nebst englischer Übersetzung. Für mich gerade das Album des Jahres. Darum steht es dann auch zweimal im Regal, in goldenem Vinyl als Standard-Version und als Decibel-Magazine-Edition in grauen Vinyl, in einer 246er Auflage. Beides jeweils als Doppel-LP. Da „De Doorn“ als Konzept-Album aufgebaut ist, spar ich mir den Anspieltipp.

Weiter geht es mit Witching aus Philadelphia und ihrem ersten Longplayer Vernal. Witching habe ich über „[hate5six]“ entdeckt. [hate5six] ist ein Musikvideo-Kanal und gleichzeitig der Nickname von „Sandeep ‚Sunny’ Singh“, einem Musikarchivar, der HC- und Punk-Shows aufzeichnet und hochlädt. Und da war dann eine komplette Show von Witching dabei, vom Mai diesen Jahres. ([hate5six] Witching - May 4, 2021 bei YouTube eingeben und genießen!). „Vernal“ ist Sludge Metal, aber vom Feinsten; die Sängerin Jacqui Powell gibt alles. Mein Anspieltipp ist „Eschaton“.

Das Album haben Witching in einer 100er Auflage als Single-LP selber herausgebracht. Es ist nur in den USA erhältlich und musste dann leider auch da bestellt werden – was macht mensch als Fan Boy nicht alles (mit). Aber ein Textblatt sowie Band- und Plattenladen-Sticker sind dabei gewesen. Eine s/t 12“ gab es vorher auch schon, die suche ich jetzt natürlich auch noch!

Wolves In The Throne Room versüßen uns den August mit Primordial Arcana. Früher waren WITTR auf „Southern Lord“, dem Label, auf dem zum Beispiel „Boris“, „Earth“ oder auch „Sunn O)))“ sind, also schwer verdauliche Kost. Das neue Album ist in den USA jetzt aber auf „Relapse“ und in Europa auf „Century Media“ erschien. Der Wechsel hat WTTR aber nicht geschadet. Nach dem eher schwachem Album „Celestite“ von 2014 finden Sie hier zu alter Blüte zurück. Black Metal oder im Neusprech „Blackgaze“ erwartet einen. Atmospheric Black Metal trifft es aber auch. Die Brüder Aaron und Nathan Weaver haben es nicht verlernt und Primordial Arcana rauscht wieder gewaltig. Wie schreibt der „Metal Hammer“ so schön: Es raunt und radaut im Unterholz. Das macht dann Sinn, wenn mensch weiß, dass WITTR eine Farm in Olympia, Washington betreiben und Selbstversorger sind. Aber keine Angst, sie sind keine Prepper und Rednecks, WITTR vertreten ökologische und linke Ansichten und kommen vom Punk. Aber nochmal zum neuen Album, dem achten, die Live-Alben nicht mitgezählt. Schon der Opener „Mountain Magic“ macht klar, dass die Sonne in den Bergen und Wäldern um Washington selten scheint, und entsprechend düster und dunkel geht es weiter. In knapp 50 Minuten legen sie acht Songs aufs Streckbett und ziehen einem die Falten glatt.

Gatefold-Cover mit Gold-Prägedruck auf der Rückseite, Booklet und Poster. Auch in diversen Vinyl-Farben erhältlich. Meine Pressung ist klar durchsichtig, Doppel-LP.

Und da wir gerade „Southern Lord“ erwähnt haben: Nadja aus Toronto, die mittlerweile aber Berlin wohnen, haben Ihr neues Album Luminous Red auf SL herausgebracht. Ambiant-Drone-Metal erwartet einen hier. Erst als Solo-Projekt von Aidan Baker in 2003 gestartet, wuchs es 2005 durch den Einstieg von Leah Buckareff an Bass und Gesang zu einem Duo heran. Aufmerksam geworden bin ich auf „Nadja“ durch die „Sky Burial“ „Latitudes“-Session. Latitudes ist eine limitierte Session-Recording- Serie, für die auch „Bohren & Der Club Of Gore“ schon mal aufnahmen. Aber kommen wir zu Luminous Red. Sechs Noise-Attacken, die es in sich haben und den Bass zum Dröhnen bringen. Keine Frühstücksmusik.

Gatefold-Cover, Single-LP, diverse Vinyl-Farben, meine Kopie ist gelb und als Anspieltipp gibt’s den Song „Dark Inclusions“.

Von den Noise-Göttern Unsane ist endlich das erste unveröffentlichte und verschollene Album Improvised Munitions auf Vinyl „wiederveröffentlicht“ worden. Die elf Noise-Rock-Attacken erschienen als offizielle Veröffentlichung auf „Lamb United“, dem Label von Unsane-Mastermind Chris Spencer. Wiederveröffentlicht deshalb, weil es 1989 eine Testpressung in einer Auflage von zwei Alben gab? Zwei Menschen besitzen das Album bei Discogs und 175 suchen es. Da macht eine Veröffentlichung auf jeden Fall Sinn. Vier Demotape-Songs gibt es als Zugabe, deshalb „Improvised Munitions & Demo“.

Standard-Cover und schwarzes Vinyl, kein Textblatt, aber trotzdem ein sehr lohnenswerter Kauf! Anspieltipp: „My Right (IM)“

Deafheaven haben diesen August Ihr neues Album Infinite Granite auf „Sargent House“ veröffentlicht. Diesmal ist alles sehr poppig und weniger postmetal-lastig ausgefallen. Shoegaze trifft es diesmal besser, die Songstrukturen sind ausgefeilter geworden. Der Opener „Shellstar“ lässt an Dreampop denken. Die Feedback-Orgien der alten, auf „Deathwish“ erschienenen Alben fehlen gänzlich. Und mein Anspieltipp „Villain“ könnte in einem Set zusammen mit „Ride“, „Slowdive“ oder neueren „Jesus & Mary Chain“ laufen. Aber nichtsdestotrotz ist „Infinite Granite“ ein sehr schönes Album geworden, das gerade bei dem wieder sonnigeren Endaugust-Wetter viel Spaß macht. Standard Pocket Sleeve, Textblatt und auch wieder diverse Vinyl-Farben. Meine Kopie ist Neptune Blue, als Doppel LP.

Und bei A&O habe ich letztens dann Chris Eckman entdeckt. Where The Spirit Rests heißt das neue Soloalbum des „Walkabouts“-Sängers. Ein Songwriter-Album der Extraklasse aus einem Guss mit Folk- und Country-Anleihen, wobei mein Highlight auf dem Album „Drinking In America“ ist. Nach dem ganzen Geballer ist das dann auch wirklich Frühstücksmusik. Das Cover-Artwork wiederum passt aber auch zum verregneten August und lässt uns auf den Herbst warten. Herausgekommen auf „Glitterhouse Records“, dem Label, das damals die ersten „Sub Pop“-Releases in Deutschland lizensiert hat.

Gatefold-Cover mit Standard-LP und Download-Coupon.

So das war es dann für diesen Monat

The Oberbilker