TERZ 11.21 – LAUSIGE ZEITEN
Die Terz-Ausgabe vom September zitierte in ihrem Artikel zu den lokalen Auswirkungen des Sturmtiefs „Bernd“ einen ehemaligen städtischen Mitarbeiter, welcher der Stadt schwere Verfehlungen beim Hochwasserschutz zur Last legte. Ihm zufolge hatte sie es versäumt, schon vor langer Zeit beschlossene Präventiv-Maßnahmen auch umzusetzen. „[D]ie Pläne lagen so weit vor“, es hätte nur noch eine Firma mit den Arbeiten beauftragt werden müssen, klagte der Mann. Ähnliche Vorwürfe erhob ein Insider (vielleicht dieselbe Person) eine Weile später in der „Rheinische Post“. Vorhaben in der Größenordnung von 130 Millionen Euro für den Rhein und 50 Millionen für kleinere Gewässer seien bei den Haushaltsberatungen Jahr um Jahr wieder auf der „Streichliste 3c“ gelandet, so die Kritik. Nicht weniger als 99 Punkte umfasst die Mängelliste, die eine Untersuchung bei der – inzwischen dem Stadtentwässerungsbetrieb zugeschlagenen – Abteilung „Wasserbau“ ausmachte. „Düsseldorf ist seit 2015 schlichtweg nicht den gesetzlichen Anforderungen gerecht geworden“, lautet das Resümee des Ex-Bediensteten. Dabei beließ er es nicht bei Worten und reichte Klage ein. Die Stadt indes beteuert ihre Unschuld.
Am 11. September vor drei Jahren starb der Filmstudent Steffen Meyn im Zuge der Räumung des Hambacher Forsts. Daran durfte heuer jedoch nicht vollumfänglich und nur mit Zeitverzögerung erinnert werden, obwohl der Tod durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln zusätzliche Brisanz erhielt. „Brandschutz nur vorgeschoben: Räumung und Abriss von Baumhäusern im Hambacher Forst im Jahr 2018 rechtswidrig“, befanden die Richter*innen erst-instanzlich am 8. September (TERZ 10.2021). Dummerweise fiel der Gedenktag nämlich mitten in den Bundestagswahlkampf. Darum wollte der „Kölner Stadtanzeiger“ die Anzeige der Eltern zum Jahr-Gedächtnis nicht in ihrem ursprünglichen Wortlaut abdrucken. Die Zeilen „verantwortungsloses, menschenverachtendes Handeln von Armin Laschet und Herbert Reul“ mussten raus. Und der leitende Regionalchef der „Rheinischen Post“ stoppte kurzfristig den Abdruck eines langen Interviews mit der Mutter von Steffen Meyn, dessen Veröffentlichung ursprünglich für den 25. September, einen Tag vor der Wahl, vorgesehen war. Die Geschichte solle „erst nach der Bundestagswahl laufen“, teilte die Redaktion der Familie mit. So kam es dann auch – der Text erschien am 28. September.
„Ausreisegewahrsam und Abschiebungshaft dienen der Sicherung des effektiven Verfahrens der Abschiebung.“
So zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ am 4. September 2021 eine Presseagentur-Meldung zu den Planungen des Landes Nordrhein-Westfalen, einen zweiten Abschiebeknast zu bauen. Der O-Ton kommt aus dem NRW-Ministerium für „Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration“, damit aus dem Verantwortungsbereich von Minister Joachim Stamp (FDP). Er ist NRW-Spitzenpolitiker der liberalen, bürgerrechtsorientierten Partei, die nach der Bundestagswahl gerne mit an den Trog der Macht im ganzen Lande möchte. Da ist sie in ‚bester Gesellschaft‘. Denn der aktuelle Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) setzt auch auf Abschottung (wie aktuell mit polizeilicher Gewalt gegen Menschen, die über Belarus und Polen nach Deutschland kommen wollen). Und auf Abschiebungen. Ohne jeden Skrupel.
Darum ist zu erwarten, dass sich die Widerlichkeiten des bundesdeutschen Grenzregimes auch in NRW konkret abzeichnen werden. Einen Abschiebeknast gibt es schon in NRW, in Büren bei Paderborn. Jetzt will das Land einen weiteren einrichten mit Platz für 25 Menschen, praktischerweise gleich am Düsseldorfer Flughafen, um „Abschiebungen schneller und effektiver als bisher abwickeln“ zu können, wie der WDR die Landespläne zusammenfasst.
Doch das wird nicht ohne Protest gehen. Initiativen wie dem „Verein Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ und dem Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“ oder die Fraktion der Partei Die LINKE ist klar, dass jeder Abschiebeknast einer zuviel ist. Denn die Hafthäuser sind Teil einer besonders perfiden Strategie: Abschiebungen möglichst den Augen und Ohren einer kritischen Öffentlichkeit zu entziehen, Proteste vor Ort zu verunmöglichen, Rechtsmittel gegen Abschiebungen zu erschweren und die Betroffenen zu isolieren.
Die Stadt Düsseldorf wird mit ihrem Grundstücksbesitz, von dem sie ein passendes Stück zur Einrichtung des Haftortes zur Verfügung stellen soll, zur Helferin bei der Unterhaltung dieses Grenzregimes. Dabei rühmt sie sich, zur Städte-Koalition „Sichere Häfen“ zu gehören.
Wer auf der Homepage https://staedte-sicherer-haefen.de die Übersichtskarte zu den „sicheren Häfen“-Städten findet und dort „Düsseldorf“ anklickt, erhält übrigens in einem Info-Fenster die Email-Adresse vom Düsseldorfer Oberbürgermeister: stephan.keller[at]duesseldorf[dot]de . Ihn könnte man fragen, ob er noch zum Städte-Bündnis steht.
Düsseldorf hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden. Dazu erstellte die Verwaltung Ende 2019 ein Konzept, das für die Sektoren „Private Haushalte“, „Industrie/Gewerbe“, „Städtische Einrichtungen“, „Handel/Dienstleistungen“ und „Verkehr“ konkrete Kohlendioxid-Einsparziele ausarbeitete. Für den Verkehr kam es auf 763.000 Tonnen CO2. Auf der Basis dieser Vorgabe entwickelte das „Amt für Verkehrsmanagement“ gemeinsam mit dem Umweltamt, der Rheinbahn, den Stadtwerken und der P3 Group GmbH einen Plan für die Umsetzung. 43 Maßnahmen sieht dieser vor. Mit ihnen will die Stadt unter anderem den Radverkehr, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und neue Mobilitätsformen stärken, den Individual-, Güter-, Dienstleistungs- und Öffentlichen Nahverkehr dekarbonisieren sowie ein Mobilitätsmanagement betreiben, um unter anderem den motorisierten Individualverkehr zu optimieren. Im Einzelnen führt die sogenannte „Merit Order Verkehr“ Punkte auf wie den Ausbau des Radwege-Netzes, das 365-Euro-Ticket, Takt-Verdichtung und die Vereinfachung von Tarifangeboten für das Feld „ÖPNV“ sowie Carsharing, Tempo 30 und eine wirksame Parkraum-Bewirtschaftung nebst Neustrukturierung des Anwohner*innen-Parkens. In einem früheren Entwurf drückten die Autor*innen das alles noch weniger diplomatisch aus. Von einer „Reduzierung der Attraktivität des motorisierten Individualverkehrs“ war da noch die Rede und einer „Parkraum-Verknappung“. Aber selbst wenn Schwarz-Grün das alles realisiert und eine Einigung bei strittigen Punkten wie Tempo 30 und dem 365-Euro-Ticket findet, langt das alles nicht. Es bleibt „eine Lücke zum Zielwert in Höhe von 434.000 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr bestehen“. Was also tun? „Diese prognostizierte Lücke muss über weitere Maßnahmen oder Maßnahmen in anderen Sektoren ausgeglichen werden, um das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2035 zu erreichen“, heißt es in dem Papier. Vielleicht geht ja noch was im Bereich „Private Haushalte“, etwa über die Einführung heizungsfreier Sonntage in den Wintermonaten? Ein bisschen Solidarität mit dem Auto muss doch drin sein!
Im Jahr 2016 hatte der damalige Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) 3.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 1.000 mit Sozialbindung, in Aussicht gestellt. Daraus wurde jedoch nichts. 2017 entstanden lediglich 2.813 Wohneinheiten, 2018 waren es 2.575, 2019 noch 2.315 und 2020 nur 2.310. Die Stadt gibt dafür der Immobilien-Wirtschaft die Schuld: „Insbesondere durch Spekulationen (...) mit Flächen, für die Baurecht geschaffen wird und für die Bau-Genehmigungen erteilt worden sind, sind ca. 5.000 Wohn-Einheiten in den letzten drei Jahren nicht zur Umsetzung gelangt.“ Kleines Trostpflaster: Wenigstens erhöht sich die Zahl der Sozialwohnungen nach einem langen Abwärtstrend wieder ein wenig. Sie stieg 2020 um 104 auf nun 15.617 zu.
2019 wollte ein Investor das Kronenhaus in Unterbilk abreißen und stellte einen entsprechenden Antrag. Dagegen protestierte die „Bilker Initiative – Wohnen für alle“ mit Erfolg. Sie erreichte eine erneute Denkmalschutz-Prüfung, die dieses Mal positiv ausfiel. Und jetzt hat die Bezirksvertretung 3 einem Umbau des Gebäudes zugestimmt. Es erhält Balkons und zusätzliche Wohnungen; im Erdgeschoss entsteht Büroraum. Sogar die Entsiegelung eines Teils der Fläche für einen Spielplatz und eine Grünfläche ist vorgesehen.