TERZ 11.21 – INTERNATIONALE SOLIDARITÄT
Am 01.01.1994 begannen die Zapatistas ihren Kampf um Autonomie in Chiapas, im Süden Mexikos. Bis heute versuchen sie wie viele andere Indigene in Mexiko, sich gegen die mexikanische Regierung zu behaupten. Dabei übernahmen sie viele indigene Traditionen ihrer verschiedenen ethnischen Gruppen und erarbeiteten ein basisdemokratisches Räte- und Repräsentationssystem, an dem auch wir „linke“ Gruppen uns orientieren können.
2021 kamen sie, nach 500 Jahren der Unterdrückung, aber auch des indigenen Widerstands, nach Europa, und besuchten hier in kleinen Gruppen (Equipos) die verschiedenen Länder. Sechs dieser Equipos mit jeweils fünf Compas (Genoss*innen) waren im Rheinland und eine davon in Lützerath. Diese Equipo bestand aus fünf Genossen.
Am Morgen des 24. Septembers trafen wir uns in der Nähe der Südbrücke in Düsseldorf, um in Lützerath die Zapatistas abzuholen. Wir, das waren ein Mitglied von fiftyfifty, drei Genossinnen von see red, zwei Übersetzer*innen von Pax Christi, eine Künstlerin, die alles auf Video dokumentierte, ein mexikanischer Übersetzer von den students for future und ich, eine Genossin der FAU Düsseldorf, also Menschen aus fünf sehr unterschiedlichen Gruppen. Schon hier zeigt sich die Umsetzung eines der Ziele der Zapatistas, die sich für die Vernetzung des „Europas von links und unten“, starkmachen.
Nachdem wir dort eintrafen, nahmen wir auf Wunsch der Equipo zwei am Plenum der Lützerather*innen teil. In Lützerath waren die Vorbereitungen auf die Räumung im Gange, die Menschen waren dort mit dem Aufbau von Baumhäusern und anderen Arbeiten beschäftigt. Einen ähnlichen Kampf gegen den Raubbau an Mutter Natur führen die Zapatistas auch in Mexiko. Zur Zeit wehren sie sich gegen den Bau einer Eisenbahnlinie quer durch ihr Land, der mit groß angelegten Rodungen des Regenwaldes einhergeht („Tren Maya“)[1].
Als erste Station unserer Reise besuchten wir die SoLaWi Düsseldorf auf ihrem Feld in Büttgen. Traditionell findet dort am Freitagmorgen die wöchentliche Ernte statt. So konnte das Ackerteam erklären, wie die solidarische Landwirtschaft funktioniert. Die Compas erzählten uns von der Kollektivierung ihrer Landwirtschaft und der Entwicklung ihres 50/50 Modells. Sie zeigten sehr viel Interesse für die Art des Anbaus und verglichen unsere mit ihren Pflanzen, z. B. bemerkten sie dabei, dass ihre Kürbisse sehr viel größer wären als die auf den Solawi-Feldern. Dort wachsen zur Zeit hauptsächlich Hokkaidos, die den Solawistas besser schmecken als Riesen-Kürbisse.
Anschließend besuchten wir die Kunstgalerie der Obdachlosenzeitung fiftyfifty in Düsseldorf, wo dann auch ein Mitglied der Gesellschaft für bedrohte Völker zu uns stieß. Zur Begrüßung gab es einen Imbiss und Kaffee. Ein Sozialarbeiter erklärte das Prinzip der Galerie und erzählte von den Aktivitäten zur Obdachlosenhilfe in Düsseldorf. Die Zapatistas berichteten, dass es bei Ihnen keine Obdachlosen gebe. Menschen, die zu ihnen kämen, würde ein kleines Stück Land zugewiesen und darauf mit Hilfe der Gemeinschaft ein Haus aus Holz gebaut. Sie waren insgesamt sehr bestürzt darüber – nicht nur die Equipo, mit der wir unterwegs waren –, dass es im „reichen Europa“ so viele Obdachlose gibt.
Andersherum gab es bei einigen Genoss:innen aus unserer Gruppe und von Mitarbeiter*innen von fiftyfifty Unverständnis, dass die Zapatista keinen Drogenkonsum dulden und Konsumierende aus ihrer Gemeinschaft ausschließen. Bei Alkoholkonsum, den sie auch nicht dulden, gibt es erst einmal extra Arbeitsstunden. Es war der Ort, an dem sich der Unterschied der Lebensarten am stärksten zeigte.
Damit sich die Gruppe vor dem Klimastreik etwas erholen konnte, fuhren wir zum Lokal der FAU Düsseldorf (V6) und aßen gemeinsam zu Mittag. Die Zapatistas bekamen einen Raum für sich und konnten etwas ausspannen.
Am Nachmittag nahmen wir alle im Rahmen des globalen Klimastreiks an der „Fridays for Future“-Demo teil. Die Compas wurden auf die Bühne auf der Königsallee eingeladen. Wir verlasen einen Text in ihrem Namen. Dann liefen wir eine Strecke gemeinsam mit 10.000 Demonstrant*innen durch die Düsseldorfer Innenstadt. Auf dem Rückweg zum Corneliusplatz verließen die Compas zusammen mit den Genoss*innen der FAU, die auch während der Demo für den Schutz der Compas gesorgt hatten, am Hauptbahnhof die Demo und fuhren mit der S-Bahn zurück (https://youtube.com/watch?v=LhaRZAflbLI [Minute 42 bis 43]).
Dort gab es noch mal die Gelegenheit für einen Gedankenaustausch, bis wir sie abschließend wieder nach Lützerath brachten.
Dija (FAU Düsseldorf)
An dem Tag in Düsseldorf waren Menschen verschiedener Gruppen beteiligt:
[1] Tren Maya: https://deutschlandfunkkultur.de/mexikos-megaprojekt-tren-maya-der-umstrittene-maya-zug.979.de.html?dram:article_id=483817
Die Zapatistas stellten auf der Reise auch die Schritte zu ihrer Autonomie und ihre Lebensmaximen vor.
1.) Finca – das Leben der Indigenen vor dem Aufstand
2.) Clandestinidad – die erste Organisierung im Verborgenen
3.) Autonomía – die rebellischen, autonomen Landkreise der Zapatistas infolge des Aufstandes
4.) Caracoles – Verwaltungszentren und die Räte der „Guten Regierung“
5.) Resistencia y Rebeldía – die „Schläge“ der „schlechten Regierung“ und die Reaktionsweisen der Zapatistas
Die Sieben Prinzipien
1.) „Nach unten gehen und nicht nach oben streben“
2.) „Überzeugen, nicht aufzwingen“
3.) „Repräsentieren, nicht ersetzen“
4.) „Vorschlagen, nicht bestimmen“
5.) „Dienen, ohne sich zu bedienen“
6.) „Aufbauen, nicht zerstören“
7.) „Gehorchen, nicht befehlen“
Am 28. September konnte die Coordination gegen BAYER-Gefahren besondere Gäste begrüßen. Eine Abordnung der zapatistischen Delegation und die „Medios libres“ und der „Frente de Pueblos en defensa de la Tierra y el agua“, die momentan Europa bereisen, um die europäische Linke und ihre Kämpfe kennenzulernen, trafen sich mit der CBG, um über die Gefahren, die von BAYER/MONSANTO für ihre Heimat ausgehen, zu sprechen.
Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) nahm die Delegation vor dem Carl-Duisberg-Park direkt neben der Konzernzentrale des Pharma-Giganten in Empfang. Nach der Vorstellungsrunde brachen alle Richtung Park zu einem Spaziergang auf. CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann legte den Genoss*innen dar, dass es sich bei dem friedlichen Park um das stille Herz eines weltweiten Imperiums handele, in dem die Profite gebündelt werden, die mit der Vergiftung ihrer Heimat durch Glyphosat, andere Agrarchemikalien und genetisch veränderte Pflanzen erwirtschaftet wurden. Am Beispiel der herrschaftlichen Ästhetik der Anlagen des Parks, seiner Statuen und Bauten machte er die Ideologie anschaulich, die BAYER/MONSANTO verkörpert.
Eine Rast auf unserem Spaziergang legten die CBG und ihre Gäste am Floratempel im Park ein, welcher vom Bildhauer Professor Fritz Klimsch nach dem Vorbild des Apollotempels in Versailles gestaltet wurde. Die Kosten in Höhe von 122.660 Reichsmark trug der damalige BAYER-Generaldirektor Carl Duisberg 1921 größtenteils selbst. Dieser Tempel diente dem Entwickler und Lieferanten von Chemiewaffen an die Regierung des deutschen Kaiserreiches auch als letzte Ruhestätte. Hier gab Stelzmann einen kurzen Überblick über die komplette Geschichte der Verbrechen des BAYER/MONSANTO-Konzerns. Der Schnelldurchlauf reichte von Chemiewaffen in beiden Weltkriegen und Zwangsarbeit über Medikamentenversuche an Heimkindern in der Nachkriegszeit und der Produktion von Agent Orange für die US-Kriegsmaschine in Vietnam bis hin zu den aktuellen Problemen: Vergiftung der Erde, besonders der Äcker Lateinamerikas mit Glyphosat und anderen Ackergiften, Produktion von gesundheitsgefährdenden Verhütungsmitteln wie YASMINELLE und klimaschädlicher CO2-Ausstoß. Danach stellte der Aktivist die Arbeit der CBG und deren Ziel vor: Alle Kämpfe gegen BAYER/MONSANTO zu vereinigen, damit eine Vergesellschaftung, eine demokratische Kontrolle des Konzerns, erreicht werden kann.
Dann sprachen die Companeras, um einen Austausch der Erfahrungen aus den Kämpfen zu ermöglichen. Sie erzählten von vielfältigen Krankheiten, die sich Menschen in ihrer Heimat durch Glyphosat und andere Ackergifte zuziehen und sie stellten Fragen zu den Gegenkräften, mit denen sich BAYER/MONSANTO in Europa konfrontiert sieht.
Den Abschluss fand die Begegnung zweier Welten des Widerstandes vor der BAYER/MONSANTO-Konzernzentrale. Hier präsentierte die CBG den Genoss*innen ein Geschenk für ihre weitere Reise: Ein Transparent, das in deutscher und spanischer Sprache ein Ende des Agrarkolonialismus von BAYER/MONSANTO fordert. Die Genoss*innen waren begeistert und versammelten sich für ein gemeinsames Foto mit dem Transparent vor der Konzernzentrale. Laut erschallte der Ruf „Zapata vive, la lucha sigue!“ (Zapata lebt, der Kampf geht weiter) über den Vorplatz und jagte den Securitys des Unternehmens einen solchen Schrecken ein, dass sie die Gruppe selbst auf ihrem Rückweg zu den Parkplätzen lange nicht aus den Augen ließen. Dort angekommen, dankte die CBG den Zapatistas noch einmal von Herzen für ihren Besuch, verabschiedete sich und wünschte eine gute Weiterreise. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren blickt zurück auf ein Zusammentreffen, das sie sehr bewegt hat und hofft auf einen weiteren gemeinsamen Kampf!
Coordination gegen Bayer-Gefahren