„... jeder RRuummss ein Treffer an der Börse“

Der Düsseldorfer Rüstungskonzern Rheinmetall macht auch über die Stadtgrenzen hinaus Schlagzeilen

Ob Hafen oder Schiene – Krieg beginnt hier

In Hamburg setzt sich die „Volksinitiative gegen Rüstungs­exporte“ für ein Ende der Ausfuhrlogistik von Waffen, Munition und anderen Rüstungs­gütern über den Hamburger Hafen ein. Von dort aus werden bisher auch Produkte der Düsseldorfer Firma Rheinmetall in alle Welt verschifft. „Ziviler Hafen“ – ein Aufruf zum Nachmachen am Rhein?

Das Gewerkschaftsmagazin ver.di PUBLIK berichtet in seiner aktuellen Ausgabe von einer bemerkens- und unterstützenswerten Kampagne in Hamburg: Dem Aufruf, per Volksentscheid die Exportpraxis von Rüstungsgütern über den internationalen Hamburger Großhafen auf den Prüfstand zu stellen und jede Ausfuhr und jeden Umschlag von Rüstungsteilen, Munition und Kriegsgerät über kurz oder lang zu stoppen.

Nach Artikel 50 der Hamburger Verfassung können sich alle, die wahlberechtigt sind für die Hamburger Bürgerschaft, mit ihren Stimmen über einen Volksentscheid in die Gesetzgebung der Bürgerschaft einmischen. Ein dreistufiges Verfahren soll dabei die konkreten Interessenlagen der Wahlberechtigten abbilden.

Die „Volksinitiative gegen Rüstungsexporte“ hat im Dezember 2021 die erste Stufe des Beteiligungs- und Entscheidungsprozesses vor der Brust. Bis zum 15.12. muss die Initiative 10.000 gültige Stimmen gesammelt haben, die ihre Forderung unterstützen: Dass Senat und Bürgerschaft der freien Hansestadt und des Landes Hamburg „innerhalb eines Jahres eine Rechtsgrundlage schaffen, die den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen verbietet“ und dass sie alle „notwendigen und zulässigen Schritte“ unternehmen mögen, „um dieses Verbot unverzüglich umzusetzen.“ Ende November haben 14.500 Hamburger*innen die Unterschriftenlisten unterzeichnet.

Auch wenn die nächste Hürde anspruchsvoll ist, in nur zwei Wochen ein Zwanzigstel der Wahlberechtigten in Hamburg (rund 70.000 Personen) zur Unterstützung der Initiative zu gewinnen, gehen die Initiator*innen optimistisch von einem nächsten Erfolg aus. Denn sie haben mit den Gewerkschafter*innen in Hamburg und bundesweit starke Multiplikator*innen für ihr Anliegen.

Als Düsseldorfer*innen können wir die Kampagne nur solidarisch begleiten. Mitstimmen können wir hier in NRW nicht. Dennoch betrifft uns, was die Kampagne unter dem kürzeren Claim plus Internet-Präsenz unter „ziviler-hafen.de“ entwickelt hat und fordert. Denn die tödlichen Güter, um die es in Hamburg geht, werden auch von einem Düsseldorfer Unternehmen hergestellt.

Jede Kugel trifft

Vom Hamburger Hafen aus verlassen täglich durchschnittlich drei Container mit Munition bundesdeutsche Gewässer, 1.000 Container im Jahr. Umgeschlagen werden außerdem Waffen, Panzerwagen, Panzer, Raketenwerfer und Kriegsschiffe. Ziele der Ladungen sind Mexiko, Brasilien oder Kolumbien. Aber auch Saudi-Arabien und die Türkei sind Empfänger*innen von Waffen und Munition. Sie töten im Jemen, oder kommen in Syrien im Krieg der Türkei gegen die Kurd*innen zum Einsatz. „Allein im ersten Quartal 2020 wurden trotz der Covid-19-Pandemie Panzerkampfwagen und Kriegsschiffe im Wert von 200 Millionen Euro exportiert“, heißt es im Aufruf der Initiative. Hinter den Exportzahlen steckt außerdem eine Entwicklung. Die Ausfuhr von Kleinwaffen, „den Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts“, ist nach Einschätzung der „Volksinitiative gegen Rüstungsexporte“ in den letzten Jahren massiv gestiegen. „Im Jahr 2017 wurden aus Hamburg Pistolen und Sturmgewehre im Wert von 500.000 Euro verschifft – 2018 für fünf Millionen und 2019 für mehr als 13 Millionen Euro“.

Ohne Zweifel: Wo die Container von A nach B schippern, fällt satter Gewinn ab für Logistik- und Transport-Unternehmen. Aber auch die Hersteller von Waffen, Waffenteilen, Munition und Waffensystemen streichen sich im Geschäft mit dem Krieg horrende Profite ein. Sie sind mitgemeint, wenn die Volksinitiative gegen Rüstungsexporte für einen Exportstopp kämpft. „Rüstungsriesen“ machen damit Milliarden-Gewinne. Krauss-Maffei, Wegmann oder die (in Sachen Kriegsgerät auf den ersten Blick unauffällige, im Luxus-Yachten-Bau berühmten) Bremer Lürssen Werften, zu denen auch der Kriegsmarine-Hersteller Blohm + Voss gehört, exportieren ihre Waren über den Hamburger Hafen. Genauso: Rheinmetall.

Der Tod ist ein Meister aus Düsseldorf

Wenn nicht der Stellungskrieg im Schützengraben Mensch und Waffen im Schlamm begräbt, hat jede Kanone ein langes „Leben“. Wie etwa PUBLIK erinnert, genehmigte Deutschland 1978 den Export von 4.400 Milan-Raketen an Syrien. Die Bundesrepublik stand damals mit Hafiz al-Assad in Partnerschaft, in einem 100 Millionen DM-schweren Technologie- und Kapitalhilfeabkommen. Fast vierzig Jahre später landeten Milan-Raketen Baujahr 1978 in Händen kurdischer Kämpfer*innen, die sie 2014 den Angreifenden der Al-Nusra-Front, einem ehemaligen Al-Quaida-Ableger, abgenommen hatten. Vier Jahrzehnte waren die Raketen-Systeme im Einsatz, hergestellt in deutsch-französischer Produktion des Großkonzerns Messerschmitt-Bölkow-Blohm, damals mit Konzern-Töchtern in Mönchengladbach oder Bonn. Wer Waffen und Munition produziert, der tötet vielfach. Jede Kugel trifft.

Das stimmt zweifellos auch für die Produkte aus dem Hause Rheinmetall zu. Der Rüstungskonzern mit seinen über 40 Standorten in der Bundesrepublik, vorwiegend in NRW, Bayern, Bremen, Niedersachsen oder Hessen hat seinen Hauptsitz in Düsseldorf. Auch wenn die Produktion von Kriegsgerät, Sicherheits-IT, Munition und Tötungstechnologie dezentral aufgestellt ist, stellt sich für Düsseldorf ebenfalls die Frage: Kann sich eine Stadt, die sich als „sicherer Hafen“ für all jene bezeichnet, die vor Krieg und Menschenrechtsverbrechen flüchten, einen Rüstungskonzern als riesigen Unternehmenssteuerzahler leisten? Wie viel Kleingeld muss ein Kriegsausrüster auf den Tisch legen, um mit reiner Weste Teil einer Stadt zu sein, in deren Markenzeichen der Slogan „Nähe trifft Freiheit“ eine Rolle spielt? Oder anders: Können Düsseldorfer*innen nicht ebenso einen „zivilen Hafen“ fordern – auch dann, wenn es wohl eher um einen kleineren Binnenhafen oder um das Schienennetz geht? Könnte ein symbolischer Ausfuhr- und Exportstopp das Ziel der Proteste gegen den Kriegswaffen-Multi sein?

Volksentscheide gibt es in Düsseldorf nicht. Trotzdem wäre es an der Zeit, einmal mehr zu überlegen, wie es auch den Manager*innen von Rheinmetall und Co. so ungemütlich wie möglich gemacht werden könnte. Auch am Rhein. Krieg beginnt hier – mit großen Gewinnen, am Rheinmetall-Platz 1, immer der Ulmenstraße in Derendorf nach.


Massiver Sachschaden

Explosion bei Rheinmetall

Am 10.11.21 kam es am Rheinmetall-Standort Unterlüß zu einem Störfall. Er war nicht der Erste.

Schon die Produktion von Kriegswaffen stellt eine große Gefahr dar. Explosionen in Rüstungsschmieden zählen zu den folgenreichsten Industrie-Unglücken. Bei Rheinmetall war es am 10. November mal wieder so weit. Im Erprobungszentrum Unterlüß kam es zu einer Detonation. Sie ereignete sich in einem Munitionsbunker, in dem Treibladungspulver lagerte. Bis in den angrenzenden Wald wirbelte die Druckwelle Mauerreste und andere Teile. Noch in einem Umkreis von 500 Metern entstanden Schäden an Gebäuden. Die Polizei Celle sperrte das gesamte Areal weiträumig ab und warnte die Bevölkerung eindringlich davor, sich dem Gelände zu nähern. Menschen blieben zum Glück unverletzt.

rheinmetall

So glimpflich ging es im Jahr 2012 nicht ab. Da wollte Rheinmetall in einem sogenannten Unterfeuerungsversuch austesten, ob eine bestimmte Munition auch hohen Temperaturen standhält. Dabei trat eine Verpuffung ein, die einen Arbeiter schwer und zwei Kollegen leicht verletzte. Am Standort Neuenburg, wo es ebenfalls schon öfters knallte, schwebte 2007 ein Beschäftigter nach einer Explosion in einer Anlage zum Abfüllen von Phosphor-Granulat sogar in Lebensgefahr.

Nach dem jüngsten Ereignis hielt die „Friedensaktion Lüneburger Heide“ bei Rheinmetall Unterlüß eine Mahnwache ab. „RRRrrruuummss! RRuummss RRuummss machen Rheinmetall-Produkte immer. Da brechen ganze Städte drunter zusammen, werden Ernten vernichtet. Die mit Rheinmetall-Kriegsgerät ermordeten werden nicht gezählt. Genau gezählt wird jedoch der Profit, jeder RRuummss ein Treffer an der Börse“, wetterte der ver.di- und DGB-Funktionär Charly Braun in seiner Rede. So etwas wollte die Firmenleitung natürlich nicht hören. Darum schirmte sie den Raum vor dem Hauptgebäude mit Absperr-Gittern weiträumig ab, obwohl die Versammlungsbehörde den Protestler*innen die Nutzung dieses Bereiches genehmigt hatte.

Ein Statement zu dem Ereignis findet sich auf der Website des Unternehmens nicht. Stattdessen gibt es fast jeden Tag neue Nachrichten über irgendwelche Transaktionen. Am 26. November gab der Konzern seine Beteiligung an der ungarischen IT-Firma 41G Nyrt. bekannt. 25 Prozent der Geschäftsanteile an der Firma des Orbán-Spezis Gellért Jászai erwarb er. Sinn der Übung: „die Stellung Rheinmetalls als führendes Systemhaus für Sicherheitstechnologien in Zentral- und Osteuropa weiter zu stärken“. Und zwei Tage vorher vermeldete die Firma die Übernahme des insolventen Drohnen-Herstellers EMT. Der Verweis auf die Synergie-Effekte durfte dabei selbstverständlich nicht fehlen, ergänzt doch EMTs Aufklärungssystem LUNA NG, das die Bundeswehr gerade einführt, die anderen Angebote des Rüstungsproduzenten hervorragend. „Informationen, die anhand von unbemannten Flugsystemen gewonnen und verteilt werden, tragen beim militärischen Nutzer im Wirkverbund mit vorhandenen Rheinmetall-Systemen des digitalen Gefechtsfelds wesentlich zur Entscheidungsfindung auf strategischer und taktischer Ebene bei“, bekundet der Multi.