Walter Brune ist tot – ja und?

Der Architekt und Immobilienbesitzer Walter Brune ist nicht mehr. Hausbesetzer*innen werden sich an seinen Namen noch erinnern.

„Wer war Walter Brune?“ dürften sich hingegen Jüngere fragen. Brune war Architekt. Seine Arbeiten und sein Wirken haben Düsseldorf maßgeblich geprägt. Auf ganzer Linie und in jedem Sinne. Er ist verantwortlich für architektonische Verbrechen wie das Klemensviertel in Kaiserswerth oder das Münster-Center in Derendorf, mitsamt der Wohn- und Geschäftshäuser an der Glockenstraße. Er baute aber auch die Kö-Galerie und die Schadow-Arkaden. 60 Jahre lang waren innerstädtische Kaufhäuser und Einkaufszentren sein Geschäft. Und das lief gut. Offensichtlich mochte er Shopping Malls – so lange es seine eigenen waren. In späteren Jahren kritisierte er die Düsseldorfer Stadtpolitik häufiger für ihre Bau-Freundlichkeit im Sektor Malls und Einkaufszentren. Im Bau der Bilker Arcaden sah er beispielsweise die Gefahr, dass sie zur Verödung der Innenstadt betrügen. Vor allem aber kritisierte er die zeitweilig in Mode gekommenen Outlet-Zentren außerhalb der Städte. Wo Brune in den 1970er Jahren noch ohne jeden Skrupel als Architekt und Immobilienbesitzer in Erscheinung trat, ging er später mit sich selbst kritisch ins Gericht. Wie durch ein Wunder vermehrte er allerdings mit seinem Gesinnungswandel gleichzeitig auch sein Vermögen. So etwa geschehen mit dem Einkaufstempel RheinRuhrZentrum in Mülheim an der Ruhr. Er verkaufte es 2006, weitere Verkäufe folgten. Wie später die Kö-Galerie veräußerte er den Mülheimer Einkaufsschuppen an die Investmentbank Merrill Lynch und Europas Shopping-Center-Marktführer ECE. Der Verkaufserlös für diese beiden Objekte sowie weitere in Krefeld und Köln wurde auf 750 Millionen Euro geschätzt. Erst nach dem Verkauf, drei Monate später, fällte Brune in seinem Buch „Angriff auf die City“ wiederum ein hartes Urteil gegen Großinvestoren wie ECE. Welchen Anteil sein berufliches Werden, seine eigene Bau- und Immobilientätigkeit an der Investoren-Bubble haben, war ihm dabei offenbar kein Gedanke wert. Oder hatte er die eigenen Großprojekte und Besitztümer von einst, die Konsumtempel, vergessen? Amnesie oder Begriffsstutzigkeit auf dem Gipfel des Goldberges? Zuletzt wurde vom Manager-Magazin geschätzt, dass der nun mit 95 Jahren Verstorbene ein Vermögen von einer Milliarde Euro besaß.

Redlich, oder?

In den 1980er Jahren war Walter Brune der Düsseldorfer Hausbesetzer*innen-Szene ziemlich verhasst. Es war die Zeit massiver Wohnungsnot. 1981 fanden in Reaktion auf knappen Wohnraum auch in Düsseldorf eine Vielzahl von Hausbesetzungen bzw. Instandbesetzungen - wie es damals hieß - statt. So wurde im April 1981 in Bilk der Wohnkomplex Neusser Straße 77 und 79 besetzt.

Mit der Besetzung sollte der drohende Abriss und die Vertreibung der letzten Mieter*innen verhindert werden. Eigentümer der gesamten Häuserzeile Neusser Straße 71 bis 81 war Brune. Er hatte die Häuser bis Oktober 1979 aufgekauft aus den Erlösen seiner Arbeit als Architekt. Aus seinem Plan, die intakten Wohnhäuser abzureißen, machte er keinen Hehl. Er witterte ein gutes Geschäft, weil der Grund und Boden als Stadtentwicklungsgebiet ausgewiesen waren. In Vorbereitung des Abrisses kündigte er allen Mieter*innen. Doch diese waren wenig beugsam, gingen juristisch dagegen vor, dass Brune sie loswerden wollte. Vor Gericht wurden sämtliche Kündigungen abgelehnt.

In ihrer Forschung zur „HausbesetzerInnenbewegung in Düsseldorf von 1972 bis heute“ berichten Volker Rekittke und Klaus Martin Becker 1995[1] mit Blick auf zeitgenössische Presseveröffentlichungen: „Einige MieterInnen, die sich in der BürgerInneninitiative ‚Rettet Bilk engagieren‘ und nicht ausziehen wollen, fordern schon seit langem für dieses ‚Kerngebiet‘ der Stadtplanung eine Erhaltungssatzung. Diese Forderung wird von der Bezirksvertretung unterstützt, vom Planungsamt jedoch kategorisch abgelehnt. ‚Entscheidend für die Ablehnung der Erhaltungssatzung war wohl auch, dass Brune für den Fall, dass er nicht abreißen und neu bauen kann, Schadensersatzansprüche in Höhe von 10 Millionen DM an die Stadt stellt.‘ Bereits im Februar 1980 erstatteten MieterInnen der Neusser Straße aufgrund des Leerstands einiger Wohnungen ‚Anzeige wegen Zweckentfremdung‘. ‚Die Strafe betrug 500.- DM‘. Anschließend wurden die Wohnungen scheinvermietet.“

Bis die Besetzer*innen kamen. Trotzdem Brune großmäulig ankündigte, so schnell wie möglich zu räumen, dauerte es bis zum April 1983. Nach der Räumung und der Vernichtung fast allen Eigentums der Besetzer*innen wurden die Häuser noch am gleichen Tag abgerissen. Wo bis dahin Wohnraum für Dutzende Menschen war, entstand ein Parkplatz. Für mehrere Jahre.

Im Juni 1981 wurde die Weißenburgstraße 31 besetzt. Auch dieses Haus gehörte Brune. Rekittke und Becker fassen 1995 zusammen: Brune „plant hier eine Erweiterung des ‚Münstercenters‘. Dieser Erweiterung sollen insgesamt vier Häuser auf der Weißenburgstraße zum Opfer fallen. Das Haus Nr. 31 ist deshalb schon ganz und die beiden Nachbarhäuser teilweise entmietet worden. Nur das Haus Nr. 29 ist noch bewohnt, da sich hier der Besitzer weigert, an Brune zu verkaufen.

Brune ließ, nachdem er entmietet hatte, große Teile der Weißenburgstraße 31 zerstören und chemische Mittel (Carbonlium) [hier ist wohl eher Carbonsäure gemeint, darunter fällt u.a. die stark stinkende und ätzende Buttersäure] im Haus verstreuen. So erschlich er sich die Abrißgenehmigung.“

Es ist nicht bekannt, dass Brune sich jemals öffentlich kritisch mit seinem Handeln auseinandergesetzt oder gar eine Entschuldigung an Mieter*innen und Hausbesetzer*innen ausgesprochen hat.

[1]  Volker Rekittke und Klaus Martin Becker: „Politische Aktionen gegen Wohnungsnot und Umstrukturierung und die HausbesetzerInnenbewegung in Düsseldorf von 1972 bis heute“, https://archiv.squat.net/duesseldorf/Index.html