TERZ 01.22 – JUBILIRIUM
Zum Jahreswechsel 1991/1992 hat die Redaktion die allererste TERZ aus der Druckerei abgeholt. Das ist jetzt 30 Jahre her und seitdem ist Düsseldorf – sind wir – um 323 Ausgaben „Autonome Stattzeitung für Politik und Kultur“ reicher.
Angefangen hat alles Ende der 1980er Jahre. Unter uns wuchs die Idee, eine Plattform für Austausch, Information, Vernetzung und Diskussion aufzubauen, die die autonome und antifaschistische Szene in der Stadt in der Tradition alternativer Medien gemeinsam nutzen könne. Wir fanden es wichtig, einen eigenen Ausdruck zu haben, einen Ort für Gegenöffentlichkeit. Zugleich war es auch ein Anliegen der TERZ-Macher*innen und Aktiven der ersten Stunde, die in Praxis und Analyse doch sehr vielfältige Szene linker, autonomer und linksradikaler Politik und Kultur in der Stadt über einen gemeinsamen Knotenpunkt wieder in Verbindung zu bringen. „Wieder“, weil es in der Tat Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre nicht ganz einfach war, die Verbindung über alle Unterschiede hinweg zueinander zu halten.
Da ging es um Antifa-Arbeit, um feministische Positionen oder um „Recht auf Stadt“-Diskurse rund um die Hausbesetzer*innen-Struktur in Düsseldorf. Und natürlich haben auch Themen größerer Reichweite auf Düsseldorf und auf uns als radikale Linke einen Einfluss gehabt. Der Horror eines nach 1989 wiedervereinigten, chauvinistischen „Großdeutschland“ war da etwa ein wichtiger Aspekt. Zugleich waren die frühen 1990er Jahre geprägt von täglich ausgrenzendem Rassismus, eine Zeit der menschenfeindlichen Angriffe, des strukturellen Rassismus und der offen rassistischen und rechten Gewalt gegen Geflüchtete, Vertragsarbeiter*innen, Menschen, die nicht ins Bild passten – auch gegen Linke. Im Sommer 1991 stellten sich 350 Menschen aus der Roma-Community monatelang mit einem Protest-Camp an der Düsseldorfer Rheinkniebrücke gegen ihre Abschiebung. Gegen die Drohungen von Nazis, das Camp anzugreifen, organisierten Autonome Schutz, unterstützten den Protest. 1993 brannte in Solingen das Haus der Familie Genç. Fünf Menschen starben, ermordet von Neonazis. Dabei waren die Täter über eine Kampfsport-Schule und deren Besitzer mit dem Verfassungsschutz verbunden, wie wir heute zweifellos wissen (und damals wussten). Das war die Stimmung der Zeit, in der wir mit der TERZ begonnen haben.
Anfangen konnten wir vor allem, weil uns ein wenig Geld zur Verfügung stand. Denn ein autonomes Stadtteilprojekt – das selbstverwaltete soziale Zentrum „Schürhaken“, das in Flingern hätte entstehen können – ließ sich nicht verwirklichen, obwohl die Planungen schon ziemlich weit waren. Mit einem Teil des Geldes, das für die ersten Schritte dieses Zentrums gedacht gewesen war, starteten wir mit der Zeitungsarbeit.
Zu Beginn waren wir richtig viele. Ein sehr bunter Haufen von Leuten – genauso verschieden und kontrovers, wie die Szene in der Stadt damals aufgestellt war. Aber die Idee, eine Zeitung zu machen, hat uns verbunden.
Dass wir so viele waren, hatte auch ganz praktische Vorteile. Denn tatsächlich war das Geld natürlich nie üppig gesät. So haben wir am Anfang mit vielen unbeholfenen, aber zahlreichen Händen bei Umzügen geholfen – bei Sägewerk Transporte, um ein bisschen Kohle zusammenzubekommen. Nicht zu vergessen die legendären TERZ-Feste rund um das Initiativen-Haus auf der Martinstraße in Bilk. Open Air, mit Bands und Theater, mit Bierchen und dem ganz großen Zinnober haben wir doch einige Leute zusammengebracht zu den Soli-Parties. Mit dem Soli-Geld konnten wir den Druck der nächsten Ausgaben wieder halbwegs sicher planen.
Die vielen Menschen in der TERZ-Redaktion hatten natürlich auch unterschiedliche Ideen und Schwerpunkte. Es gab zum Beispiel eine eigene Kulturredaktionsgruppe, dann wieder Leute, die sich mit der Politik in der Stadt beschäftigten. Wieder andere haben Antifa-Arbeit gemacht und in der TERZ Informationen und Hintergründe über die Nazi-Szene im Dorf und Umland veröffentlicht. Wir haben zuletzt im Februar 2017 wieder mitbekommen, wie wichtig das damals war – auch wenn uns das nicht immer bewusst war. Als Ende Januar 2017 der Beschuldigte verhaftet wurde, den Polizei und Staatsanwaltschaft in Düsseldorf als Tatverdächtigen für den Bombenanschlag vom S-Bahnhof „Wehrhahn“ vom 27. Juli 2000 sahen, klingelte bei uns das Telefon oft: Wie war das damals ...? Und ob wir mal die alten Ausgaben zur Hand hätten? Für Infos zur Düsseldorfer Naziszene der späten 1990er Jahre? Heute wissen wir einmal mehr, dass Papier beständig ist und nicht vergisst – damals gab es die TERZ nur als Print-Version. Wer etwas nachlesen wollte, brauchte die gedruckte Ausgabe. So ist Wissen auch eine Frage von Zugängen. Darum könnt Ihr eine große Zahl an älteren TERZ-Ausgaben inzwischen online lesen, die jüngsten Hefte erscheinen ohnehin immer auch auf unserer Homepage.
In den ersten Jahren war die TERZ käuflich: zuerst 2,50 DM, später dann 3,- DM kostete eine Ausgabe. Mit dem Verkaufs-Modell war der Vertrieb natürlich sehr zeitintensiv. Zugleich war nach der Ausgabe immer auch vor der Ausgabe, und ständig war Ebbe in der Kasse. Entsprechend lang und anstrengend waren die Redaktionsplenen – nervig und nicht immer einfach. Nach knapp fünf Jahren wurde klar: Wir möchten nicht, dass uns das über den Kopf wächst und wir das Projekt gegen die Wand fahren. Mitte der 1990er Jahre haben wir dann einen Schnitt gemacht und das Projekt neu aufgestellt.
Zunächst probierten wir für ein knappes Jahr eine neue Variante aus – auch um Kosten zu sparen und uns vor der Pleite zu retten: Die TERZ erschien nur noch alle zwei Monate. Das hat zwar entzerrt und wir konnten uns wieder ‚sanieren‘, inhaltlich war das aber gar nicht gut. Über die acht Wochen lange Druckvorbereitung hinweg hatten wir Schwierigkeiten, am Puls zu bleiben. Andererseits ist so eine lange Zeitspanne zwischen den einzelnen Heften auch für die Motivation nicht förderlich. In dieser Zeit der Entscheidungen und Umbrüche wurde die Redaktion dann auch zusehends kleiner.
Heute sind nicht alle in der Redaktion schon seit dreißig Jahren dabei. In den letzten zehn Jahren sind Jüngere dazugekommen – und geblieben. Geld ist bei der TERZ aber immer noch knapp. Denn wir sind – oh, Wunder – immer noch keine Geschäftsleute. So ist die TERZ heute (und das seit fast 25 Jahren) monatlich kostenlos an vielen Orten in der Stadt zu bekommen. Das ist möglich, weil wir Leser*innen haben, die über ein Abo nicht nur die Zeitung druckfrisch nach Hause geschickt bekommen, sondern dabei auch noch spenden. Schließlich gibt es natürlich auch noch treue und neue Anzeigenschalter*innen, die mit der TERZ auf sich und ihre Projekte oder ihre Arbeit aufmerksam machen.
Es ist ein Selbstverständnis, das uns motiviert: Wir verstehen uns als einen kleinen, aber wichtigen Baustein von Gegenöffentlichkeit. Was in der Stadt los ist, können wir auch in anderen Zeitungen lesen. Aber die kritische Perspektive, die ist doch mitunter rar. Was bedeutet es für uns und unser Leben in der Stadt, wenn die Stadtpolitik nur auf die Reichen blickt? Wie gehen wir in der Stadt mit Solidarität um, wo kannst Du dich engagieren? Wogegen wollen wir uns wehren? Sei es gegen Repression gegen linke Positionen und ‚unsere‘ Leute, gegen einen Staat, der das Recht auf Versammlung einschränkt und linke Proteste und soziale Bewegungen kriminalisiert. Sei es gegen Nazis oder Rassismus, sei es gegen den Ausverkauf von kulturellen Freiräumen und gegen die Kapitalisierung des Rechts auf bezahlbaren Wohnraum.
Wir haben staatliches Handeln zum sogenannten „NSU“ dokumentiert und zusammen mit NSU Watch NRW den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ beobachtet. Wir haben über den „Wehrhahn-Prozess“ berichtet und haben Polizeigewalt in NRW im Blick. Wir unterstützen soziale Bewegungen mit unserer Berichterstattung, verstärken ihre Anliegen.
Es freut uns, wenn wir etwas veröffentlichen können, was in keiner anderen Zeitung steht oder noch nicht aus dieser Perspektive beschrieben worden ist. Gerne auch mal mit einer Glosse. Dass dabei so manche*r sein oder ihr Fett wegkriegt, ist selbstverständlich. Trotzdem recherchieren wir immer so gründlich, wie es uns möglich ist. Nicht zu vergessen: Wir gehen alle den lieben langen Tag über anderen Tätigkeiten nach, stehen in Normallohnarbeitsverhältnissen oder sind für Kids und Job gleichzeitig unterwegs. Dass wir trotzdem die Energie dafür finden, seit 30 Jahren die TERZ zu machen, verwundert uns manchmal selbst.
Vielleicht ist der Grund, der uns hilft, jeden Monat eine Ausgabe zustandezubringen, ganz simpel: Die TERZ erscheint als Zeitung. Sie wird gedruckt. Wir haben einen festen Drucktermin, und der ist nicht verhandelbar. Die TERZ erscheint. Basta. Das ist einfach so. Vielleicht ist unsere Sturheit ein Motor für unser zähes, aber erfolgreiches Ringen mit dem Schweinehund, der uns manchmal an ein gemütliches Sofa oder eine versoffene Party denken lässt, die wir sausen lassen, wenn wir am Wochenende vor dem neuen Monatsanfang zusammen die Zeitung produzieren.
Immer wieder setzen wir uns auch mit der Frage auseinander, ob eine Zeitung wie die TERZ im Print-Format überhaupt noch zeitgemäß ist. Es gibt in der Zwischenzeit ja etliche Magazine, die nur noch als Online-Veröffentlichungen erscheinen oder von Beginn an Netz-Projekte waren. Aber wie Ihr wisst, haben wir uns für’s Papier entschieden. Das hat ganz banale Gründe: Die TERZ kann sich einstecken, wer in der Stadt unterwegs ist. Wir können sie Freund*innen mitbringen, sie weiterreichen. Wir können sie in der Straßenbahn oder im Waschsalon lesen, lassen sie liegen für die Nächsten. Und, machen wir uns nichts vor – sie taugt auch gut, um nasse Schuhe auszustopfen. Weiterhin beharrlich auf Papier zu erscheinen hat auch politische Gründe: Wir möchten gerne so erreichbar wie möglich sein. Um TERZ zu lesen, brauchen wir keinen Computer, kein Smartphone, keinen Strom, keine „Ressource“ außer uns selbst – und vielleicht eine Person, die sie uns vorliest. TERZlesen ist nicht an Konsum gebunden. Wir gehen einfach zu „BiBaBuZe“ oder in die Stadtbibliothek, ins „Tigges“, das Linke Zentrum oder in eine der Kneipen, die „uns“ verteilt, und nehmen uns eine Zeitung – kost‘ immer genau 0 Euro. Ist aber nie umsonst.
Wir bleiben laut und unbequem, auf Papier und radikal altmodisch, damit wir auch weiterhin kommentieren und beschreiben können, was uns wichtig ist. Das macht uns aus – und berühmt, oho! So haben wir es inzwischen sogar zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht, wer auch immer dahintersteckt (wir waren’s nicht!). Danke für 30 Jahre TERZlesen!
Unbequem und ungewöhnlich & Thank you for the music – Eure TERZ!
Und wenn ihr dann am Monatsanfang die Zeitung in den Händen haltet, dürft Ihr ruhig auch eine Spende an die TERZ überweisen (geht auch mit Spendenquittung), uns auf ein Spendenabo ansprechen (terz[at]free[dot]de ) oder eine Anzeige für Euer florierendes Konsum-Kollektiv oder Euer Projekt schalten. Das alles macht TERZ möglich, mit uns zusammen.
Unser Herz der TERZ geben, das würden wir letztlich nicht tun, wenn es uns am Ende nicht einfach auch eine Menge bedeuten würde, eine kleine gehässige, gehörte und gelesene Stimme in der Stadt und ihrer linken Kultur zu sein. Und über den Tellerrand hinaus, wo immer es geht.
Spenden unter: Verein zur Förderung gleichberechtigter Kommunikation e.V.
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Außerdem können wir immer auch tatkräftige Mithilfe gebrauchen, ob extern oder im Team.
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