Wer braucht schon eine Oper?

Niemand! Ein neues Opernhaus soll in Düsseldorf trotzdem gebaut werden.

Opernhäuser haben eine lange Tradition. Im 19. Jahrhundert wollte sich auch das durch die industrielle Revolution zu Reichtum gekommene Bürgertum in der Sonne der Kultur aalen. Opernhäuser wurden zu repräsentativen Symbolen des Bürgerlichen. So auch in Düsseldorf, wo 1873 mit dem Bau des Opernhauses begonnen wurde. Schon damals, direkt zu Beginn der Düsseldorfer Operngeschichte, standen mit der ersten finanzielle Schieflage die Probleme ins Opern-Haus. Denn die Baukosten verschlangen die doppelte Höhe des geplanten Budgets.

Misskalkulationen scheinen eine Düsseldorfer Spezialität zu sein. Bei allen Prestigebauten in Düsseldorf (U-Bahn, Kö-Bogen I+II) sind die Kosten aus dem Ruder gelaufen. Das Gleiche ist bei dem geplanten Opern-Neubau in Düsseldorf zu erwarten. In der Debatte um Neubau oder Sanierung des Hauses an der Heinrich-Heine-Allee, das inzwischen in die Jahre gekommen ist, steht aber grundsätzlich der Sinn einer Oper für die Stadtgesellschaft nicht in Frage. Ist die Oper wirklich für alle da? Brauchen wir sie überhaupt? Dabei ist die Antwort einfach: 83 Stück buhlen hierzulande um die Gunst des Publikums. Damit hat Deutschland die höchste Dichte an Opernhäusern weltweit. Allein in unmittelbarer Umgebung von Düsseldorf gibt es gleich fünf: in Duisburg, Köln, Aachen, Essen und Bonn.

Eine Oper für wen?

Selbst unter den wenigen Opernfreund*innen in Deutschland läuft die Düsseldorfer Oper unter „ferner liefen“! Das liegt unter anderem auch an einem altbackenen Konzept, mit dem die Düsseldorfer Oper kaum attraktiv ist. Innovative Ideen, wie man sich öffnen könnte? Neue Formate für ein opernfernes Publikum? Fehlanzeige.

Dass das Düsseldorfer Opernhaus ein strukturelles Problem hat, zeigen auch die Besucher*innenzahlen. Sie sinken beständig. Waren es laut Erhebungen des Kulturamtes vor 20 Jahren in der Saison 2000/2001 noch über 231.000 Besucher*innen, die in die Oper gingen, wurden in der letzten Saison vor Corona 2018/2019 nur noch 163.995 Karten verkauft. Darunter, und das ist wichtig: 39% ermässigte Karten. Einen großen Anteil dürften dabei Karten für Schüler*innen eingenommen haben, die gewissermaßen zwangsweise in das Opernhaus gekarrt und dort beschallt wurden. Die Auslastung liegt aktuell zusammengenommen gerade einmal bei 70%. Im Vergleich haben die verschiedenen Opern in Berlin eine Auslastung von über 90%.

Aber auch bei der Struktur der Besucher*innen zeigt sich, dass „Oper“ nur ein bestimmtes Klientel anzieht. Die Rheinische Post berichtete über eine Befragung im Jahr 2018, die die Oper in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kultur und Medienwirtschaft (Berlin) ausrichtete. Nur 32% der Besucher*innen sind jünger als 50 Jahre, während diese jüngere Altersgruppe in der Düsseldorfer Gesamtbevölkerung mit 60,2% fast einen doppelt so hohen Anteil hat. Bei den unter 30-Jährigen macht der Anteil sogar nur 11% aus (bei 31,1% aller Düssel­dorfer*innen). Dafür sind 45% älter als 60 Jahre bei einem Gesamtanteil von 25%. 24% aller Opern­besucher*innen sind sogar über 70 Jahre alt. Und auch sonst macht sich eine deutliche Homogenität bemerkbar: 54% der Opernbesucher*innen haben ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Diesen haben in der Gesamtbevölkerung nur 20%. Was in der Umfrage leider fehlt, ist die Frage nach den Einkommensverhältnissen. Begründet ist aber anzunehmen, dass Opernbesucher*innen ein überdurchschnittliches Einkommen haben.

Trotzdem werden Opernhäuser von der Politik auf Händen getragen. Während vor gut 12 Jahren jede verkaufte Opernkarte in Düsseldorf mit 133,87 Euro öffentlich subventioniert wurde, waren es 2018/2019 schon 182,53 Euro. Es ist klar, dass Kultur (fast) immer einen Zuschuss benötigt, nur stimmen die Verhältnisse schon lange nicht mehr. Im kommunalen Haushalt wurde für 2022 mit 32,5 Millionen Euro mehr als die Hälfte der finanziellen Unterstützung für Kultur allein zur Vergabe an die Oper eingeplant. Im Gegensatz dazu sollte die Off-Kultur eine Kürzung von über 800.000 Euro hinnehmen. Sie sollte nur noch mit 5,6 Millionen Euro (ohne die größten Posten für das ZAKK und und das FFT) abgespeist werden. Diese massiven Kürzungen wurden erst durch die lauter werdende Debatte um den geplanten Neubau der Oper und den offenkundigen Zusammenhang von Oper-Megalomanie einerseits und Kürzungspolitik andererseits als politisch heikel wieder zurückgenommen.

Closed Shop: Oper fürs Feinste

Das Missverhältnis der finanziellen Unterstützung insbesondere bei der freien Kulturszene bleibt eklatant. Diese hat teilweise ganz profane, aber überlebenswichtige Probleme zu meistern, wie etwa schlicht: bezahlbare Orte und Spielstätten zu finden. Hier lässt die Unterstützung der Stadt zu wünschen übrig.

Die Kommunalpolitik lässt sich lieber vom Korruptions- und Rechtsaußen-verdächtigen Immobilien-Milliardär René Benko Vorschläge für Protzbauten präsentieren. Benko hat seine Kaufhof-Filiale Am Wehrhahn dichtgemacht und möchte nun mit dem Grundstück Profite rausschlagen. Das von Benko beauftragte Architekturbüro mit dem passenden Namen „BIG“ präsentierte der Auswahlkommission für den Baugrund am „Wehrhahn“ Entwürfe für Wolkenkratzer mit integrierter Oper.

Auch andere Architektenvorschläge zum Neubau der Oper, für wiederum andere Standorte, sind ebenfalls vor allem eins: groß und teuer. Mehr Kultur wird Düsseldorf dadurch nicht erreichen. Ein Protzbau macht die Erreichbarkeit und Offenheit nicht besser. Das Gerede über „Eine Oper für alle“ kann nichts anderes als ablenkender Blödsinn sein. Eine Propaganda-Floskel. Denn ein Konzept, das ernsthaft zur Umsetzung einer Öffnung der Oper beitragen könnte, gibt es nicht.

Nun wurde im Stadtrat mit den Stimmen von CDU/Grüne sowie aus der Opposition von SPD und FDP ein Neubau für 750 Millionen Euro bestimmt. Es ist mit einem neuen, milliardenschweren Ressourcen-Grab zu rechnen, gut wiederum nur für die Reichen und für die, die daran verdienen. Nicht aber für die Kommune und schon gar nicht für alle, die in Düsseldorf leben. Denn dass es bei der genannten Summe bleiben wird, ist unwahrscheinlich. Wohin der Protzbau kommen soll ist, noch unklar. Ob es Am Wehrhahn sein wird oder doch am jetzigen Standort, eins ist sicher: Es wird Proteste geben. Niemand braucht solch eine Oper.