Unsere Solidarität gegen ihre Repression

Zum ersten Prozess gegen einen Teilnehmer der Demo gegen das neue Versammlungsgesetz in NRW

Am 26. Juni 2021 demonstrierten rund 8.000 Menschen gegen das inzwischen in Kraft getretene, repressive Versammlungsgesetz von NRW (VersG NRW). Als sollte den Demonstrant*innen ein Vorgeschmack auf das, was seinerzeit gesetzlich noch in Planung war, gezeigt werden, war das Polizeiaufgebot damals mehr als massiv. Die laute und bunte Demonstration wurde immer wieder von der Polizei gestoppt. Mit einer Einkesselung sollten hunderte Personen aus dem antifaschistischen Block vom „Demonstrationsgeschehen“ formal ausgeschlossen werden. Polizeibeamt*innen verbrachten Dutzende Personen bis in die frühen Morgenstunden des Folgetages in „Gewahrsam“, in die Hafträume im Präsidium in Unterbilk. In und am Rande der Demo wiederum wurden knapp 100 Menschen von der Polizei verletzt. Auch ein Journalist war betroffen. Besonders brutal waren mehrere Festnahmen, bei denen die Demonstrant*innen von der Polizei in eine Tiefgarage geschleift und dort unter absichtlichem Ausschluss der Öffentlichkeit festgehalten wurden.

Der eskalierende Polizeieinsatz wurde im Nachhinein nicht nur von Demonstrant*innen sondern auch von zahlreichen Politiker*innen von SPD, Grünen und der Linken kritisiert. Bundesweit war der Demo-Samstag ein Medien-Ereignis.

Versuch der Kriminalisierung

Nicht gegen Polizeigewalt oder die Unrechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen, mit der die Demo im Juni 2021 belegt wurde, stehen nun bereits die ersten Gerichtsprozesse an. Vielmehr wird seit Mitte Januar 2022 gegen einen Demonstrierenden(!) vor Gericht verhandelt. Betroffen ist einer der Antifaschist*innen, die in die Tiefgarage gezerrt worden waren.

Der Aktivist, der gerade die Demonstration verlassen hatte, war ohne unmittelbaren Anlass und ohne, dass ihm der Grund für die Festnahme genannt worden war, von den Polizist*innen aus einer friedlichen Gruppe von Menschen herausgezogen und in das Parkhaus gedrängt worden. Dort wurde er, wie auf einem Augenzeug*innen-Video zu sehen ist, mit brutaler Gewalt auf dem Boden fixiert. Seine starken Schmerzen sind deutlich erkennbar, seine Schreie drangen durch die Tiefgarage. Sanitäter*innen, Vertreter*innen der Presse und einer Rechtsanwältin wurde der Zugang verwehrt. Angeklagt ist der Aktivist vor dem Amtsgericht Düsseldorf jetzt unter dem Vorwurf des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.

Das Bild, das sich am ersten Prozesstag vor Gericht und noch vor Verhandlungsbeginn zeigte, spricht Bände. 20 bis 30 Personen, die in Solidarität mit dem Angeklagten eine Kundgebung vor dem Gebäude abhielten, sahen sich einem massiven Polizeiaufgebot gegenüber. So wurde schon im Vorfeld versucht, eine vermeintliche „Gefährlichkeit“ des Angeklagten zu konstruieren und die Proteste gegen die Repression zu delegitimieren, noch bevor ein einziges Wort vor Gericht gesprochen worden war. Es scheint, als wolle die Staatsanwaltschaft in diesem Fall ein Exempel statuieren – um im Nachhinein den völlig übertriebenen Polizeieinsatz auf der Demonstration im Juni 2021 zu rechtfertigen. Einzelne Demonstrant*innen und ihr Anliegen werden kriminalisiert. Wer für demokratische Grundrechte und gegen ein Versammlungsgesetz auf die Straße geht, das Demonstrationen in Zukunft verhindern und beschneiden soll, hat mit dieser Drohkulisse zu rechnen, so die unverhohlene Botschaft.

Der Prozesstag am 19. Januar 2022 endete nur wenige Minuten, nachdem er begann. Er wurde vertagt. Denn bis zum Verhandlungsbeginn waren der Verteidigung des Angeklagten – gegen jede Strafprozessordnung – erhebliche Teile der angeblichen „Beweise“ gegen ihren Mandanten nicht zur Verfügung gestellt worden.

Ein Anschluss-Verhandlungstermin steht noch nicht fest. Aber wann auch immer der Prozess fortgesetzt wird: Es bleibt niemand alleine. In den kommenden Wochen und Monaten werden weitere Verfahren gegen Demonstrant*innen folgen. Auch diese werden wir begleiten. Unsere Solidarität gegen ihre Repression!

Rechtshilfegruppe Düsseldorf
rhg-duesseldorf[at]riseup[dot]net

Prozesse sind teuer!

Spendenkonto für Verfahrenskosten: Rote Hilfe e.V. OG Duisburg, GLS Bank IBAN: DE02 4306 0967 4007 2383 98 BIC: GENODEM1GLS Stichwort: NoVersG NRW


Wie befürchtet

Nur eine Woche nach Inkrafttreten des neuen Versammlungsgesetzes in NRW findet das neue Gesetz schon Anwendung. In Wuppertal wurde der Anmelder einer Demonstration von der Polizei als Versammlungsleiter abgelehnt. Der Paragraph § 12 Abs. 1 VersG NRW erlaubt es der Polizei, eine Person als Versammlungsleitung abzulehnen, wenn sie davon ausgeht, dass durch diese Person die öffentliche Sicherheit gefährdet wird. Das Polizeipräsidium Wuppertal versucht damit nun, einen offenbar nicht genehmen Anmelder des „Forums gegen Polizeigewalt und Repression“ als Versammlungsleiter loszuwerden. Mit Schreiben vom 13.01. teilte das Polizeipräsidium dem Anmelder mit, ihn für eine am 29.01. in Wuppertal geplante Demonstration als Leiter ablehnen zu wollen. Die Demonstration soll unter anderem an den kürzlich unter ungeklärten Umständen in Polizeigewahrsam verstorbenen Georgios Zantiotis erinnern – ein Verfahren gegen die zuständigen Polizisten wurde von der Staatsanwaltschaft abgelehnt.

In einer Pressemitteilung des Bündnisses gegen das NRW-Versammlungsgesetz heißt es dazu: „Die Aktion zeigt, dass das Gesetz ein Versammlungsverhinderungsgesetz ist“, erklärt Bündnissprecherin Gizem Koçkaya. „Kaum ist das Gesetz in Kraft, bedient sich die Polizei der neuen Instrumente, um unbequemen Demonstrationen das Leben schwer zu machen. Es zeigt sich einmal mehr, dass auch die Polizei ein politischer Akteur und keine neutrale Behörde ist!“

Als Grund für die Ablehnung teilt das Wuppertaler „Forum gegen Polizeigewalt und Repression“ mit: „Unser Anmelder wurde wegen angeblicher ‚Unfähigkeit’ zum Leiten einer Versammlung abgelehnt. Deswegen soll jetzt eine Anhörung bei der Polizei Wuppertal stattfinden. Grund der Einschätzung auf ‚Unfähigkeit’ sind Eintragungen im Polizeisystem, die auf angebliche Straftaten im Zusammenhang mit Versammlungen hindeuten. Dass diese ‚Straftaten’ überhaupt nicht rechtskräftig verurteilt wurden, interessiert die Polizei offensichtlich nicht.“ Das Forum hat mitgeteilt, das sie gegen diese Maßnahme der Polizei klagen wird. Es bestätigen sich die Befürchtungen, dass dieses Versammlungsgesetz vor allem ein Willkür-Gesetz für die Polizei ist, um Demonstrationen zu erschweren.

Weitere Infos unter: https://forumnrw.noblogs.org