Von der Mieter*innenversammlung des „Bündnisses für bezahlbaren Wohnraum“

Gemeinsam und solidarisch!

Gegen Mietenwahnsinn, Verdrängung und Spekulation!

Es gibt zahlreiche Gründe, über Missstände in Gesellschaft und Politik unzufrieden oder gar wütend zu sein. Der Unmut und Zorn, den in den letzten Wochen auch in Düsseldorf Tausende auf Straßen und Plätzen zum Ausdruck gebracht haben, scheint aber außer dem Protest gegen die Pandemiepolitik keinen anderen Inhalt mehr zu kennen. Wir haben als Düsseldorfer „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ das Anliegen der Gegenkundgebung „Gemeinsam durch die Pandemie“ vom 5. Februar 2022 unterstützt, solidarische Lösungen von unten zu entwickeln. Denn das ist auch die Richtschnur für unser Bemühen, für alle Stadtbewohner*innen die Versorgung mit bezahlbarem und den Bedürfnissen der jeweiligen Haushalte entsprechendem Wohnraum sicherzustellen. Wir wollen nicht, dass Wohnen in der Stadt zu einem Privileg der einkommensstärksten Bevölkerungsgruppen wird! Die Stadt gehört allen!

Die Wohnungsfrage – ungelöst

An der Wohnungsfrage – die manche schon warnend als die soziale Frage des 21. Jahrhunderts bezeichnet haben – entzündet sich zwar im Moment kein vergleichbarer, zumindest kein massenhafter, öffentlich sichtbarer Protest. Wie sehr aber dennoch die Unzufriedenheit mit den Zumutungen auf dem Wohnungsmarkt unter der Oberfläche schwelt, kann man am Ausgang der Berliner Volksabstimmung vom 26. September 2021 ablesen: Nach dem endgültigen amtlichen Ergebnis haben sich dort knapp 58 Prozent der Wähler*innen für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen ausgesprochen! Und Gründe für diese Unzufriedenheit gibt es genügend. Während der Pandemie mussten sich Mieter*innen weiter gegen Wohnungskündigungen und Zwangsräumungen zur Wehr setzen oder waren gezwungen, über Mietstundungen zu verhandeln. Die Immobilienwirtschaft – insbesondere die großen Wohnungsunternehmen – gehören dagegen zu den Wirtschaftszweigen, die nicht nur gut, sondern sogar sehr gut durch die Pandemie gekommen sind. Sie haben in den letzten beiden Jahren glänzende Gewinne eingefahren, der Immobilienboom ist trotz Corona ungebrochen. Immobilienpreise und Mieten kennen seit über einem Jahrzehnt nur eine Richtung: nach oben! Inzwischen warnt nicht nur der europäische Rat für Systemrisiken – gegründet nach der Finanzkrise von 2008 – sondern auch der Dachverband der Immobilienbranche ZIA eindringlich vor der Gefahr von Immobilienblasen. Neben Österreich wird diese Gefahr in Deutschland als besonders groß eingeschätzt. Düsseldorf gehört dabei zu den führenden Adressen für Immobilieninvestitionen. Seit mehr als zehn Jahren kennzeichnen steigende Mieten, noch rasanter steigende, vor allem spekulativ angetriebene Immobilienpreise, die Verdrängung von Mieter*innen im Wohnungsbestand und ein gravierender Mangel an bezahlbaren Wohnungen die Lage auf dem Düsseldorfer Immobilien- und Wohnungsmarkt.

Düsseldorfer „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“

Vor diesem Hintergrund hat sich im Jahr 2019 das „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ neu konstituiert. Wir sind ein parteiunabhängiger, aber keineswegs unpolitischer Zusammenschluss verschiedener Initiativen, Organisationen und Einzelpersonen. Wir wollen mit außerparlamentarischem Druck auf die lokale Politik einwirken, mehr bezahlbaren und sicheren Wohnraum zu schaffen, wir machen mit exemplarischen Aktionen Missstände auf dem Wohnungsmarkt öffentlich. Aber wir machen uns auch Gedanken darüber, wie eine dauerhafte Lösung der Wohnungsfrage aussehen könnte und stellen die grundsätzliche Frage, in welcher Stadt wir eigentlich leben wollen. Nicht zuletzt und ganz praktisch unterstützen und ermutigen wir betroffene Mieter*innen, selbst für ihre Interessen einzutreten, sich mit anderen zusammenzutun und Zumutungen von Vermieter*innenseite selbstbewusst entgegenzutreten. Wir bemühen uns, Betroffene miteinander zu vernetzen und so der Vereinzelung entgegenzuwirken. Und wir freuen uns über alle, die sich über die eigene Betroffenheit hinaus entschließen können, in unserem Bündnis mitzuwirken.

Mieter*innenversammlung im zakk

Am Samstag, den 12. Februar 2022 hatte das Bündnis deshalb zu einer Mieter*innenversammlung im Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation (zakk) eingeladen. Gekommen sind betroffene Mieter*innen, aber auch Vertreter*innen u. a. von Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften, die als Multiplikator*innen das Anliegen des Bündnisses weitertragen werden. Insgesamt kamen rund 75 Teilnehmer*innen zusammen, viel mehr als wir angesichts der pandemiebedingten Einschränkungen erwartet hatten. Nach einem einleitenden Vortrag über die aktuelle Lage auf dem Wohnungsmarkt haben sich die Teilnehmer*innen in vier Workshops damit befasst, wie sich Betroffene gegen Vermieter*innen zur Wehr setzen können, wie sich öffentlichkeitswirksame Aktionen organisieren lassen, welche Handlungsmöglichkeiten es auf Stadtteilebene gibt und welche Auswirkung die Immobilienspekulation auf den Wohnungsmarkt der Stadt hat. Es ging darum, die Teilnehmenden nicht nur zu informieren, sondern mit ihnen ins Gespräch zu kommen, Kontakte zu knüpfen und gemeinsam zu überlegen, wie man gegen die alltäglichen Gemeinheiten vorgehen kann, denen man als Mieter*in auf dem Düsseldorfer Wohnungsmarkt ausgesetzt ist.

Konkrete Hilfe und Unterstützung, aber auch längerfristige Perspektiven

Mieter*innen stehen im Konfliktfall ihrem Haus- oder Wohnungseigentümer meist allein gegenüber, sie fühlen sich dann oft rat- und hilflos, auch weil die Gegenseite meist juristisch besser informiert ist und sich, wenn nötig, auch auf versierte Fachanwält*innen stützen kann. Die Zusammenkunft im zakk hatte deshalb zum einen den Zweck, dass Betroffene die wichtige Erfahrung machen konnten, mit dem eigenen Wohnungsproblem nicht allein zu sein und sich mit anderen in ähnlicher Lage austauschen zu können. Darüber hinaus gab es aber auch ganz praktische Informationen, an wen man sich bei Konflikten mit Vermieter*innen und Hauseigentümer*innen wenden kann. Für juristische Beratung und Unterstützung ist hier vor allem der Mieterverein Düsseldorf zu nennen, mit dem das „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ eng zusammenarbeitet. Ratsam ist in jedem Fall, sich auch selbst über seine Rechte als Mieter*in zu informieren. Das Bündnis hat die wichtigsten Informationen dazu in einer Rechtshilfe-Broschüre zusammengestellt.

Als Bündnis ist es uns wichtig, über konkrete Hilfe und Unterstützung in Einzelfällen hinaus die Wohnungsfrage gemeinsam mit Betroffenen durch öffentlichkeitswirksame Aktionen zu einem politischen Thema zu machen. Wir wollen so auf die lokalpolitisch Verantwortlichen in der Stadt Druck ausüben, deutlich mehr für die Schaffung von leistbarem und angemessenem Wohnraum zu tun. Welche Dimension das Problem hat, wird klar, wenn man sich die folgenden Zahlen vor Augen führt: In Düsseldorf wohnen mehr als drei Viertel aller Haushalte zur Miete. Rund die Hälfte davon – das sind ca. 141.000 Haushalte – hat Anspruch auf eine Sozialwohnung. Im Jahr 2020 gab es aber nur 15.617 Sozialwohnungen in der Stadt, aktuell können also nur gerade gut elf Prozent des Bedarfs gedeckt werden! Es ist zu befürchten, dass die ohnehin sehr niedrige Zahl an Sozialwohnungen bis zum Ende des Jahrzehnts sogar noch weiter abnehmen wird, weil mehr Wohnungen aus der Mietpreisbindung herausfallen, als neue gebaut werden können.

Mit einem wohnungspolitischen „weiter so wie bisher“ ist diese enorme Angebotslücke bei leistbarem und angemessenem Wohnraum in Düsseldorf jedenfalls nicht zu schließen. Ohne eine grundsätzliche Neuorientierung in der Wohnungspolitik lässt sich die derzeitige Wohnungsnot nicht beheben. Nötig ist aus Sicht unseres Bündnisses vielmehr die Schaffung eines hinreichend großen gemeinnützigen kommunalen Wohnungssektors, der sich am Gemeinwohl orientiert und nicht dem Spiel der Marktkräfte unterworfen ist. Unter dem Titel „Wohnraum ist keine Ware“ haben wir unsere wohnungspolitischen Forderungen an die Stadt Düsseldorf in einer aktuellen Broschüre zusammengestellt. Es geht darin um kurz- und mittelfristig umsetzbare Maßnahmen, aber auch um längerfristige Perspektiven.

Angeregte Diskussionen in vier Workshops

In den vier Workshops der Versammlung am 12.02. standen zwar praktische Fragen im Vordergrund, zur Sprache kam aber auch Grundsätzliches zu den Ursachen der Wohnungsnot in der reichen Stadt Düsseldorf und wie man sich einen an den Bedürfnissen der Menschen und nicht an der Rendite orientierten Wohnungssektor vorstellen kann.

Im Workshop „Mieter*innenproteste und Möglichkeiten des Widerstehens. Rechtliche und tatsächliche Möglichkeiten“ ging es darum, wie Mieter*innen sich verhalten sollten, wenn sie mit Mieterhöhungen, Eigenbedarfskündigungen oder ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Als erstes sollten sie Kontakt mit Nachbar*innen aufnehmen und sich miteinander austauschen. Wichtig ist zudem herauszufinden, mit welchem Vermieter*innen-Typ man es zu tun hat: Sind es Privatpersonen, Unternehmen, Wohnungsgesellschaften usw. Und schließlich sollte man auf jeden Fall juristische Unterstützung suchen. Eine Workshop-Stunde reichte bei Weitem nicht aus, um alle Aspekte zu besprechen, deswegen haben sich die Teilnehmer*innen direkt zu einem Folgetreffen verabredet: Am 24. März wollen sich die Mieter*innen erneut treffen, Abends im Linken Zentrum (Corneliusstr. 108) in entspannter Atmosphäre. Dieser Mieter*innen-Stammtisch ist offen für alle, die sich mit ähnlichen Problemen herumschlagen müssen.

Im Workshop „Kreativ, ungehorsam und (öffentlichkeits-) wirksam – auf der Straße für eine Stadt für alle“ wurden die bisherigen Aktionen des Bündnisses, deren Hintergründe und Wirksamkeit näher beleuchtet (u. a. Aktionen wegen ungerechtfertigter Mietforderungen, gegen drohende Mieterhöhungen aufgrund von Modernisierungen, Kündigungen wegen vorgetäuschtem Eigenbedarf, gegen die zweckfremde Nutzung von Wohnraum als Ferienwohnungen). Es gab viele Ideen zu weiteren Themen und möglichen Aktionen wie z. B. zum Leerstand im Stadtteil Flingern. Die Agentur für urbane Unordnung berichtete über die am Samstag, 30.04.2022 geplante Demonstration „Für eine rebellische Stadt“. Wir werden uns als Bündnis mit unseren Forderungen daran beteiligen. Mit der Herstellung von Sprühschablonen und Plakaten, die die wohnungspolitischen Forderungen sichtbar auf die Straße bringen sollen, ging es schließlich auch ganz handfest zur Sache. Auch in diesem Workshop wurde bereits ein Folgetermin vereinbart: Interessierte treffen sich am 16. März um 18 Uhr in der zakk-Kneipe.

Im Workshop „Investorengetriebene Wohnentwicklung im Stadtteil – was tun?“ standen die Stadtteile Bilk und Unterbilk im Mittelpunkt. Dargestellt wurde die von renditeorientierten Investor*innen/Investmentgesellschaften bestimmte Wohnentwicklung (hochpreisiger Neubau auf ehemaligen Industrie- und Gewerbebrachen und Hauskauf, Modernisierung und Verdrängung). Als Ansatzpunkte für eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik wurden städtische Vorkaufsrechte für Grundstücke und Häuser diskutiert. Die Bilker Stadtteilinitiative „Wohnen für alle“, die mit unserem stadtweiten Bündnis zusammenarbeitet, hat mit verschiedenen Aktionen die Investor*innenprojekte in Bilk/Unterbilk in den Blick genommen. Als wichtig wurde dabei erachtet, die entwickelten Forderungen so in der Öffentlichkeit und gegenüber der Politik zu vertreten, dass die Initiative für Betroffene und Interessierte als Ansprechpartner erkennbar ist.

Der vierte Workshop hatte die „Immobilienspekulation“ in Düsseldorf zum Thema. Dass die Stadt damit ein Problem hat, ist inzwischen in der Politik, aber auch in sonst eher wirtschaftsfreundlichen Medien angekommen. Vorgestellt wurden die beiden derzeit krassesten Fälle in Düsseldorf: die Spekulationsbrachen „Glasmacherviertel“ und „Grand Central“, auf denen „eigentlich“ längst ca. 2.500 Wohnungen stehen sollten, wo sich aber seit Jahren (fast) nichts tut, weil ein großer Investor – in beiden Fällen handelt sich um die Adler Group – es vorzieht, auf weiter steigende Preise zu wetten, anstatt Wohnungen zu bauen. Und selbst wenn gebaut würde: Bei dem spekulativ nach oben getriebenen Preisniveau der Grundstücke werden es dann ganz sicher keine bezahlbaren Wohnungen sein. In der Diskussion wurde deutlich, dass solche Spekulationsvorgänge keine isolierten Ereignisse sind, sondern Auswirkungen auf den Immobilien- und Wohnungsmarkt in der gesamten Stadt haben: Sie treiben den spekulativen Erwartungshorizont für Renditen und Mieten, an dem sich auch Eigentümer*innen und Investor*innen im Wohnungsbestand orientieren, weiter in die Höhe. Zur Frage „Was tun gegen Immobilienspekulation?“ gab es zahlreiche Vorschläge, deren Für und Wider diskutiert wurde. Einig war man sich aber darin, dass eine rasche Umsetzung derzeit sowohl am mangelnden politischen Willen als auch an fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen scheitern dürfte.

Was bleibt?

In der Schlussrunde wurde das Treffen im zakk von den Teilnehmer*innen durchweg positiv – vor allem als sehr anregend – gewertet. Es wurden Informationen vermittelt, Kontakte geknüpft, Folgetreffen vereinbart, aber auch mögliche Lösungen für die Probleme auf dem Immobilien- und Wohnungsmarkt diskutiert. Deutlich wurde dabei, dass die rechtlich stark geschützte Verfügung privater Eigentümer*innen über Grund und Boden ein gewaltiges Hindernis ist für alle Antworten auf die Wohnungsfragen, die sich nicht an der Rendite, sondern an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Wer nach solchen Antworten sucht, wird deshalb nicht umhinkommen, das private Eigentum an Grund und Boden in Frage zu stellen. Das Ergebnis der Berliner Volksabstimmung „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ zeigt, dass es möglich ist, dafür auch Mehrheiten zu gewinnen.

Helmut (Bündnis für bezahlbaren Wohnraum)

Publikationen
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum
Wohnraum ist keine Ware. Wohnungspolitische Forderungen an die Stadt Düsseldorf
Abrufbar (PDF) unter: https://bezahlbarer-wohnraum-duesseldorf.de/wp-content/uploads/2022/02/Broschuere.pdf

Rechtshilfe für Mieter*innen
Abrufbar (PDF) unter: https://bezahlbarer-wohnraum-duesseldorf.de/rechtshilfe-fuer-mieterinnen/

Kontakte
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum
Mail: mail[at]bezahlbarer-wohnraum-duesseldorf[dot]de
Homepage: https://bezahlbarer-wohnraum-duesseldorf.de
Tel: +49 (0) 179 535 8460
Mieterverein Düsseldorf
Mail: info[at]mieterverein-duesseldorf[dot]de
Tel.: 0211 16 99 6-0