Pandemie-Politik

Die Linke zeigt sich

Lange Zeit hatte es nicht nur die Düsseldorfer Linke dabei belassen, gegen die Corona-Proteste rechtsoffener Wutbürger*innen zu protestieren, ohne eigene Positionen zu formulieren und dafür auf die Straße zu gehen. Das hat sich mit der Demonstration vom 5. Februar geändert.

„Die stille Mehrheit steht auf. Gemeinsam durch die Pandemie – solidarische Lösungen statt autoritäre Maßnahmen und Verschwörungswahn“ lautete am 5. Februar das Motto der von „Düsseldorf stellt sich quer“ (DSSQ) initiierten Demonstration. Es ging also um mehr, als nur darum, ein Zeichen gegen die notorischen Aufzüge der rechtsoffenen Wutbürger*innen in der Stadt zu setzen. Mitnichten gingen an dem Tag vom Corneliusplatz und Johannes-Rau-Platz aus „Tausende Gegner und Befürworter der Corona-Maßnahmen“ auf die Straße, wie die „Rheinische Post“ vermeinte. Auch aus den Reihen der DSSQ-Demo gab es nicht zu knapp Kritik an den Maßnahmen und an der Handhabung der Gesundheitskrise im Allgemeinen. „Viele Menschen sind unzufrieden mit der Corona-Politik der Bundes- und Landesregierung. Und dafür gibt es viele gute Gründe. Als DSSQ stehen wir aber für einen solidarischen Umgang, und deshalb sind die Aktionen der Corona-Leugner und Impfgegner keine sinnvolle Alternative zu dem, was auch uns alle nervt“, hieß es in der Rede der DSSQ-Vertreterin.

Die Beiträge von see red!, I Furiosi, dem „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“, dem Uniklinik-Personalrat, der „Coordination gegen BAYER-Gefahren“ und weiterer Gruppen standen dem nicht nach. So berichtete der Personalratsvorsitzende der Uni-Kliniken, Martin Koerbel-Landwehr, von den Belastungen der Beschäftigten in den kaputtgesparten Krankenhäusern und warnte angesichts dessen vor einer Impf-Pflicht: „Dann werden uns nur noch mehr Kräfte verlassen“. Andere Aktivist*innen griffen die Pharma-Multis scharf an, die aus Profit-Gründen an ihren Impfstoff-Patenten festhalten und damit die ausreichende Versorgung der Länder des globalen Südens mit Vakzinen verhindern. Auch den Versuch der Industrie, die Ungunst der Stunde zu nutzen und die mRNA-Erzeugnisse als Einfallstor für mit vielen Risiken behaftete Gentech-Produkte zu nutzen, verurteilten sie.

Und nicht zuletzt rückten die Redner*innen die sozial Benachteiligten, die besonders unter der Pandemie und ihren Folgen leiden, ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Linke Leerstellen

Einlassungen dieser Art zur Pandemie aus dem linken Spektrum fehlten bisher. „Warum gibt es kaum Kritik von anti-autoritärer, antikapitalistischer Seite an der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen und Impfungen gegen Corona“, fragte etwa ein Leserbrief-Schreiber der „Graswurzelrevolution“. In derselben Zeitung konstatierte Gerhard Hanloser: „Während viele rechte und irrationale Akteur*innen auf der Straße alle möglichen Personen verantwortlich machen wollen (...), war und ist eine Linke, die eine korrekte Benennung von kapitalistischen Akteuren vornehmen hätte können und sollen, schlicht abwesend.“ Auch herrscht nach seinem Befund ein unreflektiertes Bekenntnis zur Wissenschaft als solcher vor – und im Gegenzug oft eine allzu leichtfertige Verdammnis der Naturheilkunde als per se faschistisch kontaminiert. „Wer den sicherlich – vor allem bei den aktuellen Impfgegnern – anzutreffenden Irrationalismus kritisiert, sollte zumindest einen Gedanken daran verschwenden, welcher Art des ‚Rationalismus’ er das Wort redet. Jenem der herrschenden Verhältnisse?“, gibt er zu bedenken.

Ein Aktivist der „Perspektive Solidarität Hamburg“ fühlt sich derweil zerrieben zwischen rechtsextremen Impfgegner*innen und Antifa-Gruppen, die „Wir impfen euch alle!“ skandieren. Nicht nur Autoritarismus sieht er bei Letzteren am Werke, sondern auch den „kulturellen Subtext einer penetrativen Männerphantasie“. Ähnlich wie Hanloser konstatiert er eine „Unkritische Wissenschaftsvergötzung“ und empfindet es keinesfalls als widerrechtliche Aneignung, mit Bezug auf die Losung „My body – my choice“ eine Impfung zu verweigern. Mit solchen Positionen fühlt er sich im linken Umfeld aber ausgegrenzt und umstandslos den „Schwurblern“ zugerechnet. „Ich bin entsetzt, was die bornierte Polarisierung bei den Maßnahme-‚Diskussionen’ insbesondere im Hinblick auf Kommunikation und Verständigung angerichtet hat“, resümiert er in dem Text „Die Implosion der ‚Radikalen’ Linken“. Und wirklich haben ja die verschiedenen Sichtweisen auf die Pandemie nicht nur Familien und Freundeskreise, sondern auch so einige linke Gruppen vor arge Belastungsproben gestellt, was nach einer anderen Gesprächskultur verlangt.

Demo-Kritik

In Düsseldorf gelang es der Linken jetzt erst einmal, nach den Gegenprotesten zu den rechtsoffenen Corona-Demos öffentlich eigene Standpunkte zu dem Thema zu formulieren. Diese Entwicklung begrüßten naturgemäß nicht alle. „Ich möchte eindringlich davor warnen, dass Linksradikale den Aufmarsch der Querdenker nutzen, um sich als gesellschaftliche Mitte zu verkaufen“, tat der CDU-Kreisvorsitzende Peter Blumenrath kund. Marie-Agnes Stark-Zimmermann von der FDP gefiel die Ausrichtung ebenfalls nicht. „Gegen die Pharma-Industrie oder gegen hohe Mieten in Düsseldorf kann man protestieren, natürlich. Nur hier ging es darum, Bürger, die sonst nicht demonstrieren, gegen Rechtsradikale auf die Straße zu bringen“, monierte sie. Nach Meinung der Schatten-Verteidigungsministerin wäre die Organisation solcher Demonstrationen beim Düsseldorfer Appell in besseren Händen gewesen. Der jedoch hatte sich – wie zuerst auch bei den Pegida-Aufmärschen 2014/2015– geziert. Er beließ es bei einem Offenen Brief, „[d]a das Infektionsgeschehen größere Demonstrationen auf der Straße nicht zulässt“.

Darum konnten auch die konservativeren Teile der Großen Rathauskoalition aus Linkspartei, Grünen, SPD, FDP und CDU, die dem „Tross von Impf-Gegnern, Verschwörungstheoretikern und Rechtsradikalen“ ganz real die rote Karte zeigen wollte, die DSSQ-Demo nicht ganz ignorieren. Allerdings rief das Parteien-Bündnis nicht explizit dazu auf, sich ihr anzuschließen, sondern fuhr zweigleisig und schlug vor, wahlweise an der Strecke der Spaziergänge entlang zu protestieren. „[D]as dürfte vor allem für die CDU eine Bedingung gewesen sein“, vermutete die „Rheinische Post“ nicht zu Unrecht.

Strack-Zimmermann und andere Lokalpolitikerinnen fanden sich an dem Samstag aber auf dem Cornelius-Platz ein, wo zum Auftakt auch Superintendent Heinrich Fucks vom Düsseldorfer Appell sprach. Sie fremdelten aber offensichtlich mit den nachfolgenden Redner*innen sowie einigen Transparent-Sprüchen und ließen irgendwann auf dem Weg zur Abschlusskundgebung auf dem Oberbilker Markt abreißen. „Zu diesem Zeitpunkt waren vom Parteien-Bündnis einzig die Linken noch anwesend“, konstatierte das Internet-Portal „Ddorf-aktuell“. So entging ihnen dann noch ein kleiner Zwischenfall am Rande, als eine Gruppe gegen den Schluss-Auftritt des Rappers S. Castro protestierte. Sie warfen dem Musiker unter anderem Antisemitismus vor, was dieser vehement zurückwies.

Jan