TERZ 04.22 – MUSIC
Ich wollte eigentlich diesen Monat wieder tolle Veröffentlichungen besprechen, aber wenn ca. 2000 km entfernt ein Krieg in Europa tobt und Menschen sterben, ist mir nicht danach. Obwohl mir Musik gerade in diesen Zeiten immer wieder aus den tiefsten Löchern heraushilft! Darum gibt es in dieser Ausgabe einen Mix aus traurigen Lieblingsliedern, Protest - und Politsongs, die mir immer wieder Trost und Liebe spenden..
Fangen wir an mit Marlene Dietrich und Sag mir wo die Blumen sind von 1962. Die Version von Joan Baez werden wahrscheinlich alle kennen, ich persönlich finde die Version von Marlene genauso schön. Das Original Where Have All The Flowers Gone ist von Pete Seeger, einem amerikanischen Folksänger, 1955 geschrieben worden. Und der hat unter anderem 1964 eine wunderschöne Version von We Shall Overcome herausgebracht.
Ein Klassiker der Antikriegsbewegung ist natürlich von Bob Dylan Blowin‘ In The Wind, 1963 auf The Freewheelin‘ Bob Dylan erschienen. Und den Text kann ich immer noch auswendig.“And how many times must the cannonballs fly, before they‘re forever banned?“ – Diese Zeile passt immer noch, leider. Das Album von Bob Dylan wird immer wieder nachgepresst und ist somit noch erhältlich.
Ein weiterer Klassiker ist Barry McGuire mit Eve Of Destruction. Ca. 1964 von P. F. Sloan komponiert wurde Eve Of Destruction dann 1965 von Barry McGuire in einem Take im Studio eingespielt und klingt dadurch bis heute so wütend und roh. Die Endzeitstimmung in dem Lied passte der US-Regierung gar nicht. P. F. Sloan wurde als Autor boykottiert und das Stück von vielen offiziellen Radiostationen nicht gespielt. Aber dennoch landete es im September 1965 auf Platz eins der US-Charts, was unter anderem auch daran lag, dass viele Piratensender den Song trotz des Bannes spielten.
Ein anderer Song, der ein Endzeitzeitszenario entfaltet, ist London Calling von The Clash, 1979 auf dem gleichnamigen Album erschienen. Und es passt heutzutage besser denn je! Krieg, Hungersnot, Klimakollaps, Flut und ein Nuklearunfall werden textlich verarbeitet, mit dem klassischen Punk-Viervierteltakt kombiniert – und fertig ist einer der besten und auch bekanntesten Punksongs aller Zeiten. Das ikonische Cover trägt dazu bei, dass London Calling bis heute nichts an seinem Einfluss auf die Popkultur verloren hat.
Bleiben wir beim Punk und wenden uns den Stiff Little Fingers und ihrem zweiten Album Nobody‘s Hero von 1989 zu, auf dem als letzter Song auf Seite B Tin Soldiers zu finden ist. Er widmet sich der Arbeitslosigkeit und der Armee als einziger Möglichkeit, in UK sein täglich’ Brot zu verdienen. Thematisch passt der Song zu den russischen Soldaten, die Putin unter falschen Vorrausetzungen in die Ukraine geschickt hat und von deren Verbleib viele Familienangehörige , Partnerinnen und Freund*innen nichts wissen.
The Clash und Stiff Little Fingers habe ich übrigens ca. 1981 kennengelernt und beide Bands haben viel, sehr viel, zu meiner politischen Sozialisation beigetragen.
Ein weiterer ikonischer Punksong ist von Crass: Fight War, Not Wars. Er stammt von ihrer ersten 1979 veröffentlichten EP The Feeding Of The Five Thound. Nur knappe 42 Sekunden lang, wird zu einem Marschmusiktakt nur monoton die Textzeile Fight War, Not Wars wiederholt. Auch das Layout der Crass-Veröffentlichungen im Allgemeinen weist immer wieder auf die Haltung der Band hin.
Ein Song, der mich ebenfalls seit vielen Jahren begleitet, ist von Spizzenergi. Soldier Soldier ist 1979 als Single erschienen. Die Textzeile Soldier soldier - what‘s your price? sagt genug aus. Damals ein Coverkauf, seitdem begleitet mich Spizz aka Kenneth Spiers in all seinen Reinkarnationen!
Aber gehen wir nochmal in die Endsechziger Jahre zurück zu Creedence Clearwater Revival mit Fortunate Son, 1969 auf dem Album Willy And The Poor Boys erschienen. Fortunate Son war der Song der amerikanischen Antikriegsbewegung,die sich gegen den fürchterlichen Vietnamkrieg aufgelehnt hat. Er wurde immer wieder von unzähligen Punkbands gecovert, und so habe ich ihn auch kennengelernt. Auf das Original mit dem Text von John Fogerty stieß ich erst danach. Aber für CCR ist es nie zu spät!
Ein weiterer Song, der sich mit dem Vietnamkrieg beschäftigt, ist War, 1969 geschrieben von Barrett Strong und Norman Whitfield, die als Songwriter-Duo viel für Motown komponiert haben. Original auf dem Temptations-Album Psychedelic Shack von 1970 erschienen, ist die Version von Edwin Starr die bekanntere und auch die bessere, da mehr Beat. Die Textzeile War, uhh, Yeah, what is it god for, absolutely , nothin ... say it again geht ins Ohr und ins Tanzbein!
Neil Young hat 2006 ein ganzes Album dem Krieg im Irak gewidmet, Living With War. Er hat damals gnadenlos mit George W. Bush abgerechnet und Living With War war nach vorher eher schwächeren Alben wieder ein herausragendes! Mein Highlight ist Shock And Awe. Dass Neil Young einer von den Guten ist, bräuchte ich eigentlich nicht extra erwähnen.
Die Dead Kennedys mit Holiday In Cambodia dürfen natürlich auch nicht fehlen. 1980 wurde die Single mit dem Coverfoto von Neal Ulevich, einem bekannten Kriegsfotografen, veröffentlicht. Fun Fact: das Foto wurde 1976 bei Studentenprotesten an der Thammasat University in Bangkok, Thailand aufgenommen und nicht Kambodscha. Der Text fordert, sehr ironisch, US-amerikanische Studierende auf, doch mal Urlaub in Kambodscha zu machen und sich über die Wirklichkeit zu informieren.
Anti Flag haben es mit You‘ve Got To Die For The Government 1992 ebenfalls treffend auf den Punkt gebracht: You‘ve gotta die, gotta die, gotta die for your government? Die for your country? That‘s shit!
Auch ein Song von Green Day, beginnend mit der Textzeile Do you know what‘s worth fighting for, when it‘s not worth dying for? trifft den Nagel auf den Kopf. 21 Guns wurde 2009 auf dem Album 21st Century Breakdown veröffentlicht. Dass 21 Salutschüsse eigentlich nur dem Präsidenten vorbehalten sind, macht den ganzen Text schlüssig. Denn jeder von uns, egal wie mächtig oder unbedeutend er oder sie ist, trägt die Verantwortung für sein Handeln, immer!
Kommen wir noch einmal zu Joan Baez. 1969 hat sie Song For David komponiert. Das Lied ist ihrem damaligen Ehemann David Harris, einem Journalisten, gewidmet, der später wegen Widerstandes gegen seine Einberufung inhaftiert wurde. Der Song ist auf diversen Samplern veröffentlich worden und etwas mehr Joan Baez würde uns allen etwas besser zu Gesicht stehen.
2001 hat Anita Lane Bella Ciao auf Sex O‘Clock neu interpretiert. Diese Version steckt aber auch jede, wirklich jede andere Cover-Version dieses alten italienischen Widerstandsliedes in den Sack! Wie oft habe ich Bella Ciao in schlechten Interpretationen gehört und mir gedacht: Wie schade für das Lied!
Zum Schluss oute ich mich als bekennender Alexandra Fan. Alle kennen wahrscheinlich Mein Freund der Baum ist tot aber passender sind gerade die Lieder Auf dem Wege nach Odessa und Sehnsucht (Das Lied der Taiga). Textlich eigentlich keine Antikriegslieder, aber auf den Russland & den Ukraine-Krieg passen die Songs schon. Leider ist Alexandra 1969 viel zu früh im Alter von 27 Jahren bei einem Autounfall verstorben. Sie hatte gerade angefangen, an ihrer internationalen Karriere zu basteln und ihre eigenen Lieder zu komponieren wie eben Mein Freund der Baum ist tot. Schade, ich hätte gerne ihren weiteren Schaffensweg verfolgt.
Und als kleiner Hinweis, bei Wikipedia gibt es eine sehr gute Liste mit Antikriegsliedern mit 26 Untergliederungen. Die Russische Invasion in die Ukraine ist da schon mit zwei Songs vertreten.
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_anti-war_songs
Das war es dann und bis nächsten Monat.
Euer Oberbilker