2,4 Cent Gas-Umlage

Der Uniper-Soli

Der Düsseldorfer Energie-Konzern Uniper ist für die Bundesregierung „too big to fail“. Also stützt sie ihn mit Milliarden-Summen und beteiligt per „Gasbeschaffungsumlage“ auch die Strom-Kund*innen daran.

„Unique Performance“ – davon soll der Name Uniper künden. Diesem macht das Unternehmen gerade aber nicht besonders viel Ehre, denn seine Performance ist alles andere als unique. Und in Schwierigkeiten steckt der Konzern nicht erst seit dem Ukraine-Krieg. Die hohen Gas-Preise machen dem Unternehmen, in das E.ON im Jahr 2016 seine schmutzigen Energie-Geschäfte abspaltete, um sich ein Saubermann-Image geben zu können, schon länger zu schaffen. Uniper muss seinen Kunden nämlich für die schon zugesagten, aber noch nicht erfolgten Energie-Lieferungen Sicherheitsgarantien geben, die sich an den aktuellen Beschaffungskosten auf den Strom-Märkten orientieren. Bereits im letzten Jahr verteuerten sich diese Kautionen beträchtlich, weil die Füllstände der Gasspeicher abnahmen und die Windflaute gleichzeitig die Nachfrage nach Gas erhöhte. Die wieder anziehende Konjunktur tat dann ein Übriges. „Diese extremen Preis-Bewegungen erforderten erhebliche liquide Mittel“, klagte ein Unternehmenssprecher im Januar 2022. Darum erweiterte Uniper seine Kreditlinien bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und bei der finnischen Aktiengesellschaft Fortum, die seit der feindlichen Übernahme von 2019 Mehrheitseigner des Multis ist. Fortum, zu 50,8 Prozent im Besitz des finnischen Staats, sicherte acht Milliarden Euro zu und die KfW zwei Milliarden.

Hohe Mittelabflüsse

Mit Beginn des Ukraine-Krieges verschlimmerte sich die Lage dann noch einmal drastisch. Uniper erhielt die von Gasprom vertraglich zugesicherten Gas-Mengen nicht. Um die Liefer-Verpflichtungen Stadtwerken und Unternehmen gegenüber zu erfüllen, muss der Konzern deshalb Gas zum jeweiligen Tagespreis zukaufen, was schwer ins Geld geht. War eine Megawattstunde im Sommer 2020 auf den Spotmärkten noch für fünf Euro zu haben, kostet sie heuer rund 200 Euro. „Uniper erfährt unter den gegenwärtigen Bedingungen täglich Mittelabflüsse im mittleren zweistelligen Millionen-Bereich“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Klaus-Dieter Maubach. Damit nicht genug, schlug auch noch das vorläufige Ende von North Stream II ins Kontor. Als einer der fünf westlichen Finanzpartner des Projekts musste die Gesellschaft ein Darlehen in Höhe von rund einer Milliarde Euro abschreiben.

In dieser Situation wandte sich Uniper an die Politik. Aus Finnland kam jedoch ein abschlägiger Bescheid. „Fortum als Haupteigentümer von Uniper wird keine neue Kapitalspritze für Uniper mehr vornehmen“, teilte die für Staatsbeteiligungen zuständige Ministerin Tytti Tuppurainen mit. „Wir wollen sicherstellen, dass diese Vereinbarung nicht zu zusätzlichen, ungerechtfertigten Kosten für den finnischen Steuerzahler führt“, so Tuppurainen. Fortum-Chef Markus Rauramo wollte stattdessen das Gas-Geschäft in einer deutschen Bad Bank zwischenlagern. Er plädierte dafür, dass „die systemkritischen deutschen Unternehmensteile unter die Kontrolle des Staates kommen, der über die erforderliche Kreditwürdigkeit verfügt“. Und in etwa lief es auch darauf hinaus, obwohl Wirtschaftsminister Robert Habeck den Vorschlag der Finnen als Versuch der Rosinenpickerei bezeichnete. Die Bundesregierung sprang dem armen Multi bei, der über seine lange so einträglichen Russland-Geschäfte ins Trudeln geriet, aber nicht fallen durfte – too big to fail. „Uniper ist von überragender Bedeutung für die Energie-Versorgung der Bürger und von Unternehmen“, verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz. Sogar seinen Urlaub hatte er unterbrochen, um dem Konzern seine Solidarität zu versichern: „Niemand wird mit den Herausforderungen alleingelassen“.

So kaufte der Bund dann Ende Juli 30 Prozent der Uniper-Anteile und pumpte über eine Pflichtwandelanleihe 7,7 Milliarden Euro in die Firma. Überdies verlängerte die KfW die Kreditlinie noch einmal auf neun Milliarden. Sollte all das nicht reichen und die Verluste sieben Milliarden Euro übersteigen, müsste Uniper immer noch nicht darben. Für einen solchen Fall sicherte die Bundesregierung weitere Unterstützung zu.

Dafür mussten die Manager*innen auf ihre Boni verzichten und die Aktionär*innen auf ihre Dividende. Deren Schmerz dürfte sich allerdings in Grenzen halten, denn Uniper hatte die Ausschüttungen bereits im Februar auf 0,07 Cent pro Aktie gesenkt. Darüber hinaus haben sie nichts zu befürchten, dafür sorgte Klaus-Dieter Maubach laut Rheinischer Post bei seinen Gesprächen in Berlin: „Sollten weitere Verluste anfallen, würden diese nicht auf die Aktionäre verteilt verteilt, betonte Maubach. So sei es mit dem Bund vereinbart.“ Zudem verlangt die Bundesregierung von der Aktien-Gesellschaft, die sich eine „sichere Versorgung mit grüner Energie für eine nachhaltige Zukunft“ auf die Fahnen geschrieben hat, ihre Klage gegen den niederländischen Staat wegen der erzwungenen Abschaltung einer Kohlekraft-Dreckschleuder zurückzuziehen.

2,4 Cent pro Kilowattstunde

Mitte August gab die Ampelkoalition dann Einzelheiten zur „Bürgerbeteiligung“ an der Uniper-Stabilisierung bekannt. Sie veranschlagte die „Gasbeschaffungsumlage“, die ab Oktober bis April 2024 mit der Strom-Rechnung zu zahlen ist, auf 2,4 Cent pro Kilowattstunde. Bei einer Durchschnittsfamilie mit zwei Kindern, die 20.000 Kilowattstunden im Jahr verbraucht, macht das 518 Euro (den reduzierten Mehrwertsteuer-Satz schon eingerechnet). Dazu kommt dann noch einmal eine Gasspeicher-Umlage in Höhe von 0,059 Cent – und das alles auf die eh schon erhöhte Strom-Rechnung.

Die rechtliche Grundlage für entsprechende Hilfsersuchen der Industrie schufen Scholz & Co. mit einer Veränderung des Energiesicherungsgesetzes von 1973. „Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, wird die Möglichkeit einer Treuhand-Verwaltung über Unternehmen der Kritischen Infrastruktur und als Ultima Ratio auch die Möglichkeit einer Enteignung geschaffen. Des Weiteren wird die Möglichkeit für Preisanpassungen bei verminderten Gas-Importen vorgesehen“, kündigten SPD, Grüne und FDP im Gesetzes-Entwurf an. Die nähere Begründung dafür lieferte dann die „Gaspreis-Anpassungsverordnung“, welche die Bestimmungen konkretisierte. „Die gestiegenen Preise der Ersatz-Beschaffung können aufgrund von vertraglichen Regelungen häufig nicht an die Kunden weitergegeben werden. Hierbei entstehen bei den betroffenen Gas-Importeuren erhebliche Verluste, die sie nur zeitlich begrenzt decken können“, hieß es darin. Damit nicht genug, droht nach Ansicht der Ampel die Kreditwürdigkeit der Konzerne zu leiden. „Außerdem besteht ein hohes Risiko, dass die Rating-Agenturen das Rating der betroffenen Unternehmen herabstufen. Dies erhöht deren Refinanzierungskosten“. Darum hilft alles nichts: „Es bedarf einer Regelung der Weitergabe der Ersatzbeschaffungskosten“.

Die Politik gab sich alle Mühe, die „Anpassungen“ als hart, aber alternativlos darzustellen. Robert Habeck bezeichnete die Abgabe sogar ganz offen als „Zumutung“. „Sie ist bei Weitem kein einfacher Schritt, aber notwendig, um die Wärme- und Energieversorgung in den privaten Haushalten und der Wirtschaft aufrechtzuhalten“, sagte er. Auch Maubach gab sich professionell zerknirscht. „Das ist heute ein Meilenstein für Uniper. Der Antrag auf staatliche Hilfe ist uns nicht leicht gefallen“, betonte er und brachte seine Erleichterung darüber zum Ausdruck, „dass Uniper mit der heutigen Einigung als systemkritisches Energie-Unternehmen finanziell stabilisiert und als Ganzes erhalten bleibt.“

In einem Atemzug mit der Ankündigung der Gas-Umlage versprach die Bundesregierung Entlastungen, blieb dabei aber vage. Nicht nur deshalb stieß das „Notopfer für Konzerne“ (junge Welt) auf massive Kritik. Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale NRW sah Geringverdiener*innen über Gebühr belastet, weil diese oft in schlecht isolierten Wohnhäusern lebten und wandte sich deshalb gegen die Regelung. „Die Umlage ist falsch und hätte steuerfinanziert werden sollen“, sagte er. „Wieder einmal werden Bürger*innen gezwungen, mit ihrem Geld einige Konzerne zu retten“, klagte derweil die taz. Sie verdammte das Instrument jedoch nicht im Ganzen, sondern forderte wie die Jusos und der DGB Nachbesserungen. Sie sprach sich für eine bedingungslose Basis-Versorgung mit Energie zu einem festgelegten Preis aus. Nur „der über den Grundbedarf hinausgehende Konsum – der tendenziell von wohlhabenderen Menschen getätigt wird“ sollte umlage-pflichtig werden. Die Partei „Die Linke“ tritt ebenfalls für einen solchen Gaspreis-Deckel ein, lehnt den Uniper-Soli hingegen grundweg ab. Als Alternative dazu schlägt sie eine Übergewinn-Steuer bzw. „Übergewinn-Umlage“ vor.

Unterdessen stoßen die von der Ampelkoalition auf den Weg gebrachten Maßnahmen bereits an Grenzen. „Die Hilfsmilliarden für Uniper schmelzen in bedrohlicher Geschwindigkeit dahin“, konstatiert die FAZ. Die Marke für ein Rettungspaket II – ein Verlust von sieben Milliarden – kommt für Uniper schon in Sichtweite. „Dieser Backstop wird früher erreicht, als im Juli erwartet“, gibt Konzern-Chef Klaus-Dieter Maubach zu Protokoll. „Die Frage ist jetzt, ob der Bund noch mehr Milliarden aus Steuermitteln nachschießt oder die Zusatzrechnung ebenfalls bei den Verbrauchern landet“, schreibt die FAZ. „Womöglich sind die 2,4 Cent nur der Anfang“, schwant dem Blatt.

Jan