Immobilien- und Wohnungskrise
Adler-Krimi – neue Folge:

Droht jetzt das Ende mit Schrecken?

Der britische Finanzmarktzocker Fraser Perrings, ein Spezialist für spekulative Wetten auf fallende Aktienkurse, hat im letzten Jahr das Immobilienunternehmen Adler Group mit seinen Vorwürfen der Bilanzmanipulation, Falschbewertung von Immobilien und Geschäften zu Lasten von Aktionär*innen und Anleger*innen schwer in Bedrängnis gebracht. Seitdem reißen die schlechten Nachrichten für das Unternehmen – das in Düsseldorf mit mehreren Projekten nach wie vor zu den großen Immobilienplayern gehört – nicht mehr ab. Aber statt Schrecken ohne Ende könnte der Adler Group nun ein Ende mit Schrecken drohen. In den Chefetagen des Konzerns hat mensch vermutlich lange geglaubt, schlimmer könne es nicht mehr kommen. Aber weit gefehlt: Es kann.

Bei Aktionär*innen und Anleger*innen hat die Adler Group massiv an Vertrauen verloren, die Sprache der Börse ist unmissverständlich: Als Folge einer ganzen Serie von schlechten Nachrichten und wirtschaftlichen Rückschlägen ist innerhalb eines Jahres der Aktienkurs des Adler-Konzerns um sage und schreibe 85 Prozent eingebrochen! Zunächst gab es bei Adler die Hoffnung, die Vorwürfe von Fraser Perrings mit einer Bilanzsonderprüfung aus der Welt schaffen zu können. Das erhoffte Entlastungsmanöver wurde jedoch zum Bumerang. Das mit dieser Aufgabe beauftragte Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG sah sich nicht in der Lage, die Hauptvorwürfe auszuräumen. Schlimmer noch: KPMG verweigerte der Adler Group wegen mangelnder Kooperation – den Prüfer*innen waren Tausende interner Mails vorenthalten worden – auch das Testat für die Jahresbilanz 2021. Ein verweigerter Prüfvermerk kommt auf dem Finanzmarkt einem maximalen Misstrauensvotum gleich. Auch für weitere Prüfaufträge von Adler steht KPMG nicht mehr zur Verfügung. Zu groß ist die Sorge, durch eine weitere Zusammenarbeit könne die eigene Reputation Schaden nehmen. Ein neuer Wirtschaftsprüfer ist noch nicht gefunden.

Glasmacherviertel im Fokus

Die Vorwürfe Perrings gegen die Adler Group veranlasste schließlich auch die dem Bundesfinanzministerium unterstellte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), ein amtliches Bilanzkontrollverfahren zu eröffnen. Es bezieht sich auf die Adler-Jahresbilanzen für die Jahre 2019 bis 2021. Für Adler Real Estate – einer 97-prozentigen Tochter der Adler Group – steht nun für das Jahr 2019 ein erstes Zwischenergebnis der BaFin fest. Es geht dabei um das Düsseldorfer Projekt „Glasmacherviertel“, das mit über 1.000 Wohnungen auf dem seit 2009 brachliegenden Gelände der ehemaligen Gerresheimer Glashütte realisiert werden sollte. Die BaFin kommt bei ihrer Prüfung nun zu dem Ergebnis, dem 2019 erfolgten Verkauf von 75 Prozent der Gesellschaftsanteile der „Glasmacherviertel GmbH“ zum Preis von 375 Mio. Euro habe eine falsche – nämlich gemessen am Preisumfeld des Grundstücksmarktes viel zu hohe – Bewertung der Immobilie zugrunde gelegen. Die Behörde schätzt die Differenz auf 170 Mio. bis 233 Mio. Euro. Für unabhängige Beobachter*innen und selbst für Brancheninsider*innen war die Höhe des Verkaufspreises schon damals nicht mehr nachvollziehbar, weil er sich mit keiner denkbaren ökonomischen Nutzung des Grundstücks gerechnet hätte. Nun haben diese Vermutungen mit der Feststellung der BaFin, es liege eine fehlerhafte Bewertung vor, eine offizielle Bestätigung erhalten.

Mensch könnte natürlich der Ansicht sein, es sei doch nicht verwerflich, wenn bei einem Verkauf ein weit über dem marktüblichen Niveau liegender Preis erzielt werden kann, das sei nur Sache der Vertragspartner*innen. Schließlich gab es einen Käufer, der bereit war, den geforderten Preis zu bezahlen. Die Umstände des Verkaufs in Gerresheim verweisen allerdings auf etwas ganz anders: In Wahrheit ging es offensichtlich gar nicht um einen Verkauf, sondern um eine betrügerische Bilanzmanipulation zugunsten der Adler Group. Der Verkauf wurde an einem Wochenende ohne größere Vertragsverhandlungen und die eigentlich erforderliche sorgfältige Prüfung (due diligence) durchgezogen. Käuferin war die Berliner Spree Holding, vertreten durch eine Person aus dem undurchsichtigen Umfeld der Adler Group. Der Käufer hat nie auch nur einen Cent des Kaufpreises aus eigener Tasche gezahlt. Geflossen ist zwar eine erste Rate, bezahlt jedoch aus einer Hypothek auf das mit den Gesellschaftsanteilen erworbene Grundstück. Der vertraglich besiegelte Verkaufspreis von 375 Mio. Euro wurde für die Adler Group unmittelbar bilanzwirksam. Sie konnte so ihre Bilanz kräftig aufbessern und den Anleihegläubiger*innen das Signal senden, man halte bei dem branchenwichtigen Verschuldungsindikator LTV (loan to value) den Grenzwert von 60 Prozent ein. Ohne den Gerresheim-Deal wäre das nicht möglich gewesen. Ein Bruch mit den vereinbarten Anleihekonditionen hätte zu Rückzahlungsforderungen von bis zu 1,8 Mrd. Euro führen können. Als Folge wäre dann vermutlich schon im Jahr 2019 die Zahlungsunfähigkeit des Konzerns eingetreten.

Die geschilderten Umstände und der zwischenzeitlich wieder rückabgewickelte, weil nie ernst gemeinte Verkauf des Dreiviertel-Anteils der „Glasmacherviertel GmbH“ haben bei der BaFin den Verdacht erhärtet, dass hier die Bilanz der Adler Group in betrügerischer Absicht manipuliert werden sollte. Deswegen hat die Behörde inzwischen bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft Strafanzeige gestellt. Damit sind die Bilanzprüfungen bei Adler allerdings keineswegs beendet. Bis jetzt gibt es für das Geschäftsjahr 2019 nur die geschilderte „Teil-Fehlerfeststellung“. Die Prüfungen der BaFin für die Jahre 2020 und 2021 stehen noch aus. Man darf gespannt sein, was dabei noch ans Tageslicht kommen wird. Gegenstand dürften dabei auch die mutmaßlichen Insidergeschäfte im Rahmen von family-and-friends-Strukturen zu Lasten von Aktionär*innen und Anleihegläubiger*innen sein, bei denen der österreichische Geschäftsmann und Adler-Berater Cevdet Caner wohl eine zentrale Rolle gespielt hat. Caner, der bei Adler nie eine formale Position innehatte, hat stets alle Vorwürfe bestritten. Inzwischen ist er Chef und Anteilseigner des Immobilienunternehmens Aggregate Holdings SA, einst der größte Aktionär der Adler Group. Aggregate Holdings hat im letzten Jahr zwar 20 Prozent seiner Adler-Anteile – die als Sicherheit für ein Darlehen an den größten deutschen Wohnungskonzern Vonovia verpfändet waren – abgeben müssen, bleibt aber mit einem Aktienanteil von rund sechs Prozent ein relevanter Aktionär.

LEG & Co. bekommen kalte Füße

Die konkurrierenden Immobilienunternehmen Vonovia und LEG waren im vergangenen Jahr der Adler Group, deren Aktienkurs nach den für viele Aktionär*innen offensichtlich glaubhaften Vorwürfen Fraser Perrings kräftig eingebrochen war, mit Stützungskäufen und Kaufoptionen zur Hilfe geeilt. Altruistische Motive muss mensch dabei nicht unterstellen. Es ging darum, einen möglichen Zusammenbruch der Adler Group abzuwenden, der die gesamte Immobilienbranche in Mitleidenschaft hätte ziehen können. Dass mensch sich dabei schon mal vorsorglich Zugriff auf Filetstücke des Konkurrenten gesichert hat, darf angenommen werden. Zugleich hatten Vonovia und LEG Kaufoptionen für weitere Anteile vereinbart. Das aber hat sich nun nach den jüngsten Erklärungen beider Unternehmen erledigt – ein weiterer schwerer Rückschlag für die Adler Group, die dringend auf frische Einnahmen angewiesen ist, um aus der Verschuldungsklemme herauszukommen.

Vonovia ist bereits mit 20,5 Prozent an der Adler Group beteiligt. Diese Beteiligung musste durch den Kurseinbruch bei Adler bereits um 160 Mio. Euro abgewertet werden. „Die Märkte haben sich verändert“, stellt der Vonovia-Chef Rolf Buch fest. Deswegen sei auch die ursprüngliche Überlegung, den Adler-Konzern ggf. ganz zu übernehmen, nun „definitiv vom Tisch“. Nach der Übernahme der Deutsche Wohnen steht auch für Vonovia nicht mehr Expansion, sondern Schuldenabbau durch Verkäufe auf dem Programm. Kurz nach Vonovia teilte auch die LEG mit, die Option, die Aktienmehrheit an der 70-prozentigen Adler-Tochter Brack Capital Properties (BCP) zu erwerben, „endgültig nicht in Anspruch zu nehmen“. Die LEG ist bereits mit 35 Prozent an BCP beteiligt. Zum Portfolio von BCP gehört auch die Gerresheimer „Glasmacher Viertel GmbH“, deren Zukunft somit weiter im Ungewissen bleibt.

Der Verkauf an die LEG hätte BCP und damit der Adler Group ca. 768 Mio. Euro einbringen können. Der nun geplatzte Deal wiegt besonders schwer, weil sich die hochverschuldete Adler Group derzeit nur über Verkäufe von Wohnungen und Immobilienprojekten frisches Geld beschaffen kann, um ihren milliardengroßen Schuldenberg abzutragen. Durch den verweigerten Prüfvermerk der KPMG-Wirtschaftsprüfer*innen ist Adler momentan die Kreditaufnahme auf dem Kapitalmarkt verwehrt. Zwar konnte der Konzern kürzlich durch den Verkauf von zwei Entwicklungsprojekten in Frankfurt am Main 166 Mio. Euro erlösen, musste dabei aber bereits einen Abschlag von 13,6 Prozent auf den Buchwert hinnehmen. Und dabei wird es vermutlich nicht bleiben. Die Schnäppchenjäger*innen warten bereits darauf, dass die Adler Group noch billiger verkaufen muss, wenn sie stärker unter Druck gerät.

Ob das auch eine Chance für die Stadt Düsseldorf sein kann, wie der Vorsitzende des Mietervereins Hans-Jochem Witzke hofft, der bereits den Rückkauf des Glashüttenareals in Gerresheim durch die Stadt fordert? Zweifel sind angebracht. Noch steht die Glasmacherviertel GmbH mit einem bilanzieren Buchwert von 391 Mio. Euro auch gar nicht zum Verkauf. Dieser Wert wird sich mit ziemlicher Sicherheit nicht am Markt realisieren lassen. Die BaFin-Feststellung einer fehlerhaften Bewertung bezog sich zudem auf den Verkauf von Gesellschaftsanteilen, nicht auf das Grundstück. Aber auch die von der BaFin als realistisch angenommene Preisspanne für diesen Verkauf würde sich immer noch zwischen 156 und 215  Mio. Euro bewegen. Eine Wohnnutzung des Areals, die sich rechnen soll, ist bei diesem Preisniveau und dem verschlechterten Marktumfeld kaum vorstellbar – und die Schaffung von dringend benötigtem bezahlbaren Wohnraums schon mal gar nicht.

Unter welchem Gläubiger*innendruck die Adler Group steht, lässt sich einer Beschlussvorlage für die Hauptversammlung des Tochterunternehmens Adler Real Estate Ende August entnehmen: Danach sollen die Aktionär*innen den Vorstand ermächtigen, bis zu 95 Prozent der Wohn- und Gewerbeeinheiten der Adler-Tochter zu verkaufen, um den Verschuldungsgrad des Gesamtkonzerns Adler Group zu reduzieren. Man wird abwarten müssen, welche der sechs Adler-Projekte in Düsseldorf davon betroffen sein werden, zu welchen Konditionen sie dann ggf. zum Verkauf stehen und welches Preisschild am Ende darauf kleben wird. Und erst dann lässt sich beurteilen, ob und für welche Immobilienobjekte von Adler ein Kauf durch die Stadt überhaupt eine realistische Option wäre. Kurzfristig ist das von der schwarz–grünen Ratsmehrheit ins Spiel gebrachte Instrument der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme jedenfalls nicht für einen Erwerb brachliegender Adler-Grundstücke durch die Stadt geeignet. Ob und wann es überhaupt zur Anwendung kommt, steht zudem in den Sternen.

Wetterleuchten am Markt

Die Krise des Immobilienunternehmens Adler Group, die immer mehr auf ein Ende mit Schrecken zuzulaufen scheint, ist weder ein Zufall noch eine nur durch ein fragwürdiges Geschäftsmodell verursachte Ausnahme. Lange vor der aktuellen Zuspitzung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage – verursacht durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine sowie die westlichen Gegenmaßnahmen, durch die drohende Energiekrise, die steigende Inflation und die von den Zentralbanken eingeleitete Zinswende – gab es bereits Anzeichen dafür, dass das Ende des nun schon über ein Jahrzehnt währenden spekulationsgetriebenen Immobilienbooms in Sicht ist. Die US-Investment Bank Goldman Sachs hatte einen Abschwung auf dem globalen Markt für Wohnimmobilien bereits als „reales Risiko“ eingestuft. Und die Deutsche Bundesbank warnte schon im vorigen Jahr vor der wachsenden Gefahr einer Immobilienblase, weil in den sieben größten Städten Deutschlands – darunter auch Düsseldorf – Wohnimmobilien bereits um 40 Prozent überbewertet seien, die Immobilienpreise sich also deutlich von realistischen Kalkulationen abgekoppelt hatten. Immobilienblasen haben die unangenehme Eigenschaft, dass sie irgendwann platzen können. Dann korrigieren viele Marktakteur*innen Renditeerwartungen und Preise in einer Kettenreaktion schlagartig nach unten. Ob dieser Fall eintritt oder ob eher ein allmählicher Abschwung zu erwarten ist, lässt sich zum Leidwesen von Immobilienökonom*innen nicht prognostizieren. Schlauer ist man erst, wenn der Schaden eingetreten ist. Fest steht jedenfalls, dass geplatzte Immobilienblasen historisch oft Auslöser schwerer Wirtschaftskrisen waren, so wie zuletzt im Jahr 2008.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Investor*innen schon seit letztem Jahr vorsichtiger und Banken bei der Kreditvergabe zögerlicher wurden und strengere Maßstäbe angelegt haben. Durch die veränderte Marktsituation geraten dann Unternehmen wie die Adler Group, die ein besonders riskantes, in hohem Maße schuldenfinanziertes und in Teilen offenbar auch mit kriminellen Methoden betriebenes Geschäftsmodell verfolgen, als Erste unter Druck. Finanzmarktzocker und Leerverkäufer wie Fraser Perrings haben dafür – wie schon bei Wirecard – offensichtlich einen guten Spürsinn. Die Krise der Adler Group ist aber mehr als nur ein selbstverschuldeter Einzelfall. Sie ist ein erstes Wetterleuchten des heraufziehenden Krisengewitters am gesamten Immobilienmarkt. Bundesweit sind die Immobilienpreise gegenüber dem letzten Jahr im Schnitt zwar noch um rund 12 Prozent gestiegen, auch in Düsseldorf haben sie im ersten Halbjahr 2022 nochmals kräftig zugelegt. Für die nahe Zukunft wird jedoch ein spürbares Abbremsen der Preisspirale erwartet. Die Kaufpreise für Wohnhäuser und Eigentumswohnungen und auch die Mieten in den großen Städten sind durch die spekulativen Wetten von Investor*innen auf immer höhere Preise – jetzt noch verstärkt durch steigende Zinsen und Baukosten – auf ein Niveau hochgetrieben worden, das sich immer schwerer am Markt halten lässt. Damit zeichnet sich ein Ende des spekulationsgetriebenen Immobilienbooms ab. In der Wohnungswirtschaft wird schon vor einem „Ende des Neubaus“ gewarnt, da er sich kaum noch rechne. Dahinter verbirgt sich kaum verhüllt ein Ruf nach staatlichen Eingriffen in den Markt, was man von dieser Seite bei anderer Gelegenheit bisher immer vehement abgelehnt hatte. Aber die Zeiten ändern sich. In jedem Fall ist absehbar mit einem Rückgang der Immobilieninvestitionen zu rechnen.

Rückkehr der Wohnungsnot

Das war in den zurückliegenden zehn Jahren des Immobilienbooms anders. In Düsseldorf wurden zwischen 2010 und 2020 im Schnitt pro Jahr ca. fünf Mrd. Euro in den Immobiliensektor investiert, 2021 waren es sogar fast 5,8 Mrd. Euro. Diese Investitionen sind aber mehrheitlich nicht dahin geflossen, wo man sie dringend gebraucht hätte – in bezahlbaren Wohnungsbau etwa –, sondern dorthin, wo die höchsten Renditen zu erwarten waren: in den hochpreisigen Wohnungsbau, in Mikroapartments und Hotels – oder auch in Grundstücke, mit denen ohne Bauabsicht nur auf weiter steigende Preise spekuliert wurde. Im Wohnungsbestand versuchen sich Investor*innen ihren Anteil am Spekulationskuchen zu sichern, indem sie Wohnhäuser und Wohnungen kaufen, Altmieter*innen verdrängen, um dann „entmietete“ Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln, die sich teuer vermarkten lassen. So geht immer mehr des wenigen noch bezahlbaren Wohnraums verloren.

Folge dieser Entwicklungen ist die wieder wachsende Wohnungsnot in den großen Städten. In Düsseldorf steht einem wachsenden Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ein schrumpfendes Angebot gegenüber. Rund die Hälfte aller Haushalte in der Landeshauptstadt haben Anspruch auf eine Sozialwohnung, aber nur ca. zehn Prozent des Bedarfs können durch die bestehenden Sozialwohnungen gedeckt werden. Sie machen nur 4,3 Prozent des Wohnungsbestands aus, und ihre absolute Zahl schrumpft weiter. Auf die Frage, wie diese riesige Bedarfslücke für bezahlbaren Wohnraum, die angesichts der jetzt explodierenden Energiepreise noch weiter wachsen wird, geschlossen werden kann, haben die politisch Verantwortlichen der Stadt keine Antworten. Das ist der sprichwörtliche Elefant im Raum, das Problem, von dem alle wissen, über das aber nicht gesprochen wird. Der Grund ist simpel: Es gibt keine mit den vorherrschenden marktwirtschaftlichen Politikkonzepten vereinbaren Lösungen dafür. Der Markt war in der Phase des Immobilienbooms nicht in der Lage, genügend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Und jetzt, da sich dieser Boom dem Ende zuneigt, ist das erst recht nicht zu erwarten.

Deswegen ist es höchste Zeit, dass in der Stadtgesellschaft ein Nachdenken darüber in Gang kommt, wie ein gemeinnütziger kommunaler Wohnungssektor geschaffen werden kann, der sich am Gemeinwohl und nicht am Markt orientiert. Der Berliner Soziologe und Wohnungsforscher Andrej Holm schreibt in seinem jüngsten Buch „Objekt der Rendite. Zur Wohnungsfrage und was Engels noch nicht wissen konnte.“ (Berlin 2022), es gehe um „die deutliche Beschränkung der entfesselten Gewinnorientierung der marktförmigen Wohnungswirtschaft und die Rückgewinnung des Wohnens als Zuhause.“ Das Düsseldorfer „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ hat Andrej Holm am 20. September 2022 zu einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung eingeladen, um von ihm zu hören und mit ihm zu diskutieren, wie das gehen könnte, wie mensch eine andere Wohnungspolitik möglich machen kann, die gemeinwohlorientiert ist und bezahlbare Wohnungen für Alle schaffen kann. Die herrschende, am Markt orientierte Wohnungspolitik ist dazu jedenfalls nicht in der Lage, das hat sie hinreichend unter Beweis gestellt.

Helmut Schneider
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum

Das Düsseldorfer „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ lädt ein zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion:

Andrej Holm
Eine andere Wohnungspolitik ist möglich!
Gemeinwohlorientiert, bezahlbar für Alle und sicher


Dienstag, 20. September, 19 Uhr, Bürgerhaus Bilk (Bürgersaal); Bilk S-Bahnhof“

Wir freuen uns, dass wir den Berliner Stadtsoziologen und Wohnungsforscher Andrej Holm, bundesweit für sein Engagement für das Recht auf Wohnen bekannt, für einen Vortrag gewinnen konnten. Darin wird es um die Möglichkeiten für eine andere Wohnungspolitik gehen, die nicht rendite- und marktorientiert ist. Wir laden herzlich zu dieser Veranstaltung ein und hoffen auf eine rege Diskussion im Anschluss an den Vortrag von Andrej Holm!