Kämpfen für den König

Reichsbürger*innen in Düsseldorf

Von der Öffentlichkeit offenbar weitgehend unbemerkt, wurde in Düsseldorf ein regionaler Stützpunkt des reichsbürgerlichen „Königreichs Deutschland“ (KRD) aufgebaut. Inzwischen existieren hier mindestens ein Gewerbebetrieb, der sich als extraterritorial definiert, sowie zwei Zahlstellen des königlichen Bankensystems. Die hiesige rechts-offene bis offen extrem rechte Protestszene gegen die Corona-Maßnahmen bildete hierfür einen Nährgrund. Von Düsseldorf wirken Vernetzungs- und Aufbauaktivitäten bis ins Ruhrgebiet und Münsterland. Die Landeshauptstadt lässt die Untertanen des Königs bisher gewähren.

„Kein öffentlicher Bereich / Seminar- / Praxisraum. Zutritt nur für Staatsangehörige und –zugehörige des Königreichs Deutschland. Anträge auf Zugehörigkeit hier erhältlich“, so steht es auf dem Schild im Schaufenster. 250 Meter Luftlinie von der Kö, 200 Meter vom Sitz der Landeszentralbank und weniger als 1,5 Kilometer vom Landtag entfernt hat das KRD einen Stützpunkt aufgebaut, der Kommerz, Bankgeschäfte und den Aufbau politischer Strukturen bündelt. Beim Vorbeigehen wirkt das Lokal im Erdgeschoss der Kreuzstr. 64a wie ein leicht angestaubtes Studio für asiatischen Kampfsport. „Campus-Concept“ steht in den Fenstern. Der Eingang liegt hinter einem kräftigen Eisengitter, an dem Werbeflyer ausgehängt werden. Auch sie tragen den klaren Hinweis, dass es sich um ein Unternehmen „im Königreich Deutschland“ handelt.

Ich bin ein kleiner König…

Das KRD wurde 2012 von dem Ex-Karatelehrer Peter Fitzek in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) vor zahlenden Gästen ausgerufen. Fitzek ist Teil der Reichsbürger*innen-Szene, deren Gefährlichkeit seit den bundesweiten Razzien und Verhaftungen der Führungsriege der „Patriotischen Union“ am 7. Dezember 2022 wieder in aller Munde ist. Hierzu zählen Reichsbürger*innen, Selbstverwalter*innen, Souveränist*innen, sich „natürliche Menschen“ nennende Personen und andere, die der Bundesrepublik, ihren Gesetzen, Institutionen und Vertreter*innen die Legitimation absprechen. Reichsbürger*innen im originären Sinn sind überzeugt, dass das Deutsche Reich weiter bestehe, wobei sie sich auf unterschiedliche Daten (z. B. 1871, 1919, 1937, 1945) und verschiedene Verfassungen berufen. Andere wollen nicht das Deutsche Reich zurück, sondern gründen lieber ihre eigenen, neuen Fantasiestaaten, treten individuell aus der Bundesrepublik aus oder zeichnen als Einzelpersonen einseitige „Friedensverträge“ mit Siegerstaaten des 2. Weltkriegs. Während antisemitische Verschwörungserzählungen in allen Szenen eine fundamentale Rolle spielen, sind nicht alle Personen und Gruppierungen der extremen Rechten zuzurechnen.

Fitzek und seine Anhänger*innen streben die Errichtung eines souveränen deutschen Staates in den Grenzen von 1937 an. In der BRD sieht er nur eine „Firma“ mit verschiedenen Verwaltungseinheiten. Dass sein Drei-Stände-Staat kein demokratischer sein soll, zeigt sich bereits in der Selbsterhöhung zu König Peter I. Untertan*in in seinem Reich kann werden, wer Deutsche*r nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 ist.

… gebt mir nicht zu wenig

Es kostet harte Euros, um in das KRD aufgenommen zu werden. Dies geht von zahllosen Informationsveranstaltungen und Seminaren, die bei 30 Euro anfangen und derzeit bei 34.000 Euro enden, über die faktisch wertlosen Dokumente im Staatsangehörigkeitspaket für 610 Euro, teure Ausbildungen zu „Klimagisten“ und anderen Fantasieberufen, Lizenzen zur Ausübung der erlernten KRD-Berufe bis hin zur „Investition Zukunft“ für 150.000 bis 500.000 Euro. Für das Servicepaket „Investition Zukunft“ erhält die*der Untertan*in „ein bevorzugtes Recht, auch im Krisenfall Teil einer stabilen und wertschätzenden Gemeinschaft zu sein oder zu werden“ und das im „dauerhaft ungeimpften Status“ – also das Recht auf nichts. Außerdem ist der Tausch von Euro in „E-Mark“ (früher „Engelgeld“) möglich, doch wird wegen steigender Euro-Inflation der Kurs von 1:1 am 2. Februar 2023 angepasst: Für 100 Euro gibt es dann nur noch 90,91 E-Mark.

Fitzek hat ein politisches Pyramidensystem aufgebaut, in dem ein Gewinn unmöglich und ein Ausstieg nur mit Verlust möglich ist. Von jeder Tätigkeit, die im Namen des KRD „erdient“ wird, erhält der König einen Anteil. So fließen z. B. von den 30 Euro für die günstigste Infoveranstaltung 9 Euro direkt in seine Tasche. Wer neue Untertan*innen anwirbt, erhält eine Prämie. Zur Abwicklung dieser Geschäfte hat Fitzek ein eigenes Bankensystem aufgebaut, die „Gemeinwohlkassen“. Diese entziehen sich der gesetzlich vorgeschriebenen Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die meisten Strafverfahren gegen Fitzek betrafen bisher Wirtschaftskriminalität; die Verfahren wegen schwerer Veruntreuung, unerlaubter Bankgeschäfte, Betrug und unzulässiger Versicherungsgeschäfte führten teils zu Geld- und Haftstrafen.

Eine Pyramide in Düsseldorf

Doch zurück nach Düsseldorf auf die Kreuzstraße. An der Verbreiterung der königlichen Pyramide arbeitet in Düsseldorf bzw. von Düsseldorf ausgehend ein Team aus mindestens drei Personen. Daneben gibt es mehrere Personen, die sich für das KRD begeistern, aber dort (noch) nicht aktiv sind, u. a. weil ihnen die Mittel zum Einstieg fehlen. Inhaber von „Campus Concept“ ist Kevin Mender. Vor der Umbenennung in den heutigen Geschäftsnamen befand sich dort die Kampfsportschule „Kung Fu-Campus“ von Holger Wiese. Die letzten Lebenszeichen des „Kungfu-Campus“ bei Facebook fallen genau in die Anfangszeit der Corona-Pandemie, doch die neue Domain „campus-concept.pro“ wurde erst im September 2021 registriert. Der Besitzer- und Namenswechsel geschah mithin in der Hochphase der Pandemie, als auch Sportstudios vorübergehend schließen mussten. Wiese bot zeitweise nur „online + outdoor Training“ an, während sein Schüler Mender weiterhin Indoor-Training abhielt.

Der ursprünglich aus Waltershausen (Landkreis Gotha) stammende 38-jährige Mender teilt mindestens seit Dezember 2014 bei Facebook verschwörungsideologische, antisemitische und reichsbürgerliche Gedanken. So teilte er einen Post, der die Legitimität der BRD verneinte und von dem Konstrukt einer NWO („New World Order“) und der Durchsetzung der Demokratie durch „zionistische Juden“ sprach. Bis zum Beginn der Covid19-Pandemie finden sich immer wieder ähnliche Beiträge in Menders Facebook-Auftritt. So verwundert es nicht, dass er sich von Anfang an den Düsseldorfer Protesten der rechts-offenen bis offen extrem rechten „Corona Rebellen Düsseldorf“ anschloss. Bereits am 9. Mai 2020 wurde er erstmals bei einer deren Demos gesehen. Am Vortag, dem 75. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reichs, postete er das Bild eines gelben „Judensterns“ mit der Aufschrift „Vaccinated“. Dazu schrieb er: „Das ist der Plan… Punkt. Wenn ihr wie 1933 alle handelt, indem ihr schlaft, wird die Geschichte sich wiederholen. Nur diesmal nicht rechts sondern linksfaschistisch. Ich glaube, aber fest an eine bessere Zukunft.“ Im November 2020 folgte ein Post mit Fotos von Adolf Hitler und Angela Merkel, der nationalsozialistische Gesetze mit Pandemie-Schutzmaßnahmen gleichsetzte und so den Nationalsozialismus verharmloste.

Den Weg ins KRD ist Mender jedoch zusammen mit seinem sportlichen Lehrer und Mentor Holger Wiese gegangen. Wiese ist seit 2000 Berufssportler, 2012 wurde Mender sein Schüler. In dem Werbevideo „Der Gemeinwohlstaat kommt nach NRW!“, das das KRD im Dezember 2022 veröffentlichte, nennt Wiese Mender seinen „Freund und Geschäftspartner“. Der Film folgt Wiese durch die „Königsklasse“, die ihn berechtigt, im Namen des KRD wirtschaftlich tätig zu sein. Die Stimmung beschreibt er als „Goldgräberstimmung“. Auch wenn bei Mender eine länger währende reichsbürgerliche Ideologie belegt werden kann, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Hinwendung zum KRD von Wiese oder Mender ausging. Wiese scheint jedoch der Leiter des Düsseldorfer Teams zu sein. Ebenfalls Teil des Teams und Absolventin der „Königsklasse“ ist Wieses Partnerin Britta Vogelberg. Die in Unna gebore Segellehrerin lebt(e) seit 2004 in Bremen, wo sie 2021 zur Vorsitzenden der Pandemieleugner*innen-Partei „dieBasis“ gewählt wurde. Vogelberg ist Bindeglied nach Bremen, wo am 30. Mai 2022 eine KRD-Veranstaltung stattfand, für die die Anmeldung über Düsseldorf lief.

Düsseldorf als Netzwerknoten

Die Bremer Veranstaltung weist bereits auf die wichtige Netzwerkfunktion, die der Düsseldorfer Stützpunkt in mehrerlei Hinsicht hat. Das königliche Bankensystem, die „Gemeinwohlkasse“, besteht vor allem aus Ein- und Auszahlstellen. Diese sind keine Bankfilialen im üblichen Sinne, sondern Mitglieder des KRD, denen Finanzgeschäfte anvertraut werden. Düsseldorf ist der einzige Ort, der zwei solcher Stellen aufweist. Die Postleitzahl der einen ist identisch mit jener der Kampfsportschule, und es besteht der begründete Verdacht, dass in der Kreuzstr. 64a auch illegale Finanzgeschäfte abgewickelt werden. Die Postleitzahl der zweiten Stelle weist in den Norden Düsseldorfs. Da Bremen keine eigene Zahlstelle hat(te), wurden Anmeldung und Bezahlung des Seminars im Mai 2022 über Düsseldorf abgewickelt.

Ihre Seminare zur Gewinnung neuer Untertanen hält das Düsseldorfer Team spätestens seit September 2022 einmal pro Monat (mit Pause im Dezember) in Bottrop ab. An den Veranstaltungen nahmen bisher im Schnitt 30 Personen teil. Während die Mehrheit aus dem Ruhrgebiet kam, legte rund ein Drittel weitere Wege, meist aus Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bayern, zurück. Einige Teilnehmer*innen besuchten trotz des immer gleichlautenden Themas mehrere Termine. Die Veranstaltungen dienen offenbar nicht nur der Anwerbung neuer Mitglieder, sondern zugleich dem Aufbau nachhaltiger Strukturen für das KRD. Einen ersten Erfolg konnte das Düsseldorfer Team bereits verbuchen: Im Kreis Steinfurt wurde im Dezember 2022 ein neuer königlicher Betrieb gegründet. Als Inhaber agiert auch dort Mender.

Der Aufbau nachhaltiger Strukturen und die Ausweitung in andere Regionen zeigt jedoch vor allem eins: Es ist höchste Zeit zu handeln, wenn Düsseldorf nicht zum wichtigsten Stützpunkte des KRD in Westdeutschland werden soll. Während die Stadtgesellschaft es versäumt hat, den Nährboden für derartige Entwicklungen – die Proteste der Pandemieleugner*innen – zu stoppen, muss hier mit allen Kräften Einhalt geboten werden, umso mehr, als hier Kampfsport trainiert wird. Köln hat vorgemacht, wie es geht: Ein Restaurant, das zum KRD gehörte und als Vereinslokal dienen sollte, wurde geschlossen und die Schließung inzwischen gerichtlich bestätigt.

Recherchegruppe Antisemitismus (ReGA) Düsseldorf

Anmerkung der Autor*innen: Dieser Artikel erscheint im Zusammenhang mit der Veranstaltung zum Thema „‘Reichsbürger‘ und ‚Souveränisten‘“ von „INPUT – Antifaschistischer Themenabend Düsseldorf“ am 31. Januar 2023 im zakk. Ein ausführlicher Beitrag zu der Reichsbürger*innen-Szene in Düsseldorf, der auch auf andere Gruppierungen eingeht, erscheint demnächst auf der Page des „Antifa-Infoportals Düsseldorf“ (https://aipd.noblogs.org). Wir danken „Es reicht! Oberhausen“ für Hinweise bei der Recherche.