Schatten-Verteidigungsministerin Strack-Zimmermann

Die Mutter der Kompanie

Düsseldorf beherbergt mit Rheinmetall nicht nur einen der deutschen Hauptlieferanten von Kriegsgerät an die Ukraine, sondern passend dazu mit der FDP-Politikerin
Marie-Agnes Strack-Zimmermann auch die Hauptpropagandistin der Waffenhilfe.

Als „Kriegstreiberin der Herzen“ titulierte die taz Marie-Agnes Strack-Zimmermann unlängst. Und wirklich nutzte die Düsseldorfer FDP-Politikerin in den vergangenen Wochen jedes Interview und jeden Talkshow-Auftritt, um für die Lieferung von Panzern in die Ukraine zu werben. Nur Selenskyj himself übertraf MASZ noch in diesem Job. Besonders mit der eher zögerlichen Haltung von Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Causa haderte die Liberale. Nachdem dieser auch die NATO-Konferenz in Ramstein, die am 20. Januar stattfand, ohne eine Zusage hatte verstreichen lassen, gab es für sie kein Halten mehr. Von einer „Katastrophe“ sprach die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag. „Die Geschichte schaut auf uns, und Deutschland hat leider gerade versagt“, konstatierte sie.

Das ging selbst Partei-Kolleg*innen zu weit. So verteidigte Alexander Graf Lambsdorff bei einer Rede in Düsseldorf die Scholz-Linie und distanzierte sich von den Scharfmacher*innen. Er mokierte sich über den Grünen Anton Hofreiter mit den Worten: „Heute heißt der führende Panzer-Experte der Bundesrepublik Anton Hofreiter“ und schob dann laut Rheinischer Post „den kaum freundlich gemeinten Halbsatz nach, dass nur Strack-Zimmermann noch kompetenter sei“.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich kritisierte Strack-Zimmermann ebenfalls. „Eine Politik in Zeiten eines Krieges in Europa macht man nicht im Stil von Empörungsritualen oder mit Schnapp-Atmung, sondern mit Klarheit und Vernunft“, erklärte er. Zum „Sinnbild aller zentralen Verfehlungen der deutschen Außenpolitik“ erkor die Politikerin Mützenich daraufhin. „Realitätsverlust“ lautete die Diagnose: seine „Ansichten von gestern führen in die Probleme von morgen“.

Dabei sollten sich die Warnungen Mützenichs vor einer Eskalationsspirale schon bald nach dem Kanzler-Wort zur Freigabe der Leopard-Lieferungen als sehr real erweisen. Kampfjets waren jetzt die neuen Panzer. Aber das focht die FDPlerin nicht an. Sie wollte munter weiter am Rad drehen. „Mich stört (...) der immer wieder hervorgehobene Begriff der roten Linie. Es gibt nur eine rote Linie, und die hat Russland völkerrechtswidrig mit dem Angriff auf die Ukraine vor einem Jahr überschritten“, sagte sie der Rheinischen Post in einem Interview.

Das Buch zur Talkshow

Und in ihrem Buch „Streitbar“ wälzt sie die Zeitenwende auf 133 Seiten aus. „Die grundsätzlich positive Entwicklung nach dem Fall der Mauer und dem Ende des Kalten Krieges hat manchen hierzulande satt und zufrieden gemacht. Aber wir müssen jetzt unsere Komfortzone verlassen“, meint MASZ. Um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden, bräuchte es „dringend mehr Wehrhaftigkeit“ und zwar „nach außen wie nach innen“. Zahlreiche Bedrohungen ortet Strack-Zimmermann, längst nicht nur Russland hat die Verteidigungspolitikerin im Blick. Stattdessen verweist sie allgemeiner auf „zukünftige System-Auseinandersetzungen“ und denkt dabei nicht zuletzt an die Volksrepublik China. In deren „Wirtschaftsübermacht“ sieht sie eine Gefahr. Deshalb tat die Bundestagsabgeordnete es auch der US-Demokratin Nancy Pelosi gleich und reiste gemeinsam mit ihren Parteifreund*innen nach Taiwan, um zu zeigen, „dass wir als demokratische Gesellschaften zusammenstehen“. „Wir sind in tiefer Freundschaft hier und stehen gemeinsam gegen militärische Drohungen Chinas“, hielt sie in Taipeh fest. China wertete den Besuch zu Recht als eine Provokation und erklärte: „Wir drängen die betreffenden Parlamentarier, damit aufzuhören, falsche Signale an die taiwanesischen Behörden zu senden.“

Noch allerdings hemmt „eine Skepsis gegenüber allem Militärischen“ die Wehrertüchtigung. Hier tut sich MASZ zufolge jedoch was. „Langsam, aber sicher nähern sich Zivilisten und Angehörige der Streitkräfte wieder an“, beobachtet sie: „Viele Soldatinnen und Soldaten, mit denen ich auf meinen Reisen gerne das spontane Gespräch suche, haben mir von einem positiven Feedback berichtet.“ Und auch in den Zügen, die Rekrut*innen umsonst benutzen dürfen, wenn sie Uniform tragen, reagierten die Reisenden zumeist positiv, notiert Strack-Zimmermann mit Genugtuung.

Die Truppe muss ihrer Ansicht nach aber erst einmal in den Stand versetzt werden, ihren Aufgaben auch pflichtgemäß nachkommen zu können. Der Staat hat die Bundeswehr nämlich „24 Jahre lang unverantwortlich verzwergt“, echauffiert sich die Streitbare mit ihrem Lieblingsausdruck für alles Böse in der Welt, den ein größeres Publikum erst seit ihrer Büttenrede bei der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst kennt. Zu wenig Geld, Personal und Material, so der knappe Befund. Schon bei den kleinsten Dingen hapert es laut Marie-Agnes Strack-Zimmermann. So müssten Kampfschwimmer*innen ein Jahrzehnt lang auf ihr Übungsschwimmbecken und Schlauchboote warten. Auch von der Klage eines U-Boot-Kommandanten über das Verpflegungsamt weiß sie zu berichten, das zentral Lebensmittel-Vorräte zuweist, „die weder der Smutje bestellt habe noch die Mannschaft an Bord gerne isst“. Und dass Marineverbände am Wochenende wegen einer neuen Arbeitszeitsverordnung nicht mehr in den Kombüsen ihrer Fregatten übernachten dürfen, nennt sie schlicht „den ganz normalen Wahnsinn“.

Hier macht die Düsseldorferin dringenden Handlungsbedarf aus. Aber eine Bundeswehr-Reform, die es den Soldat*innen erlaubt, verschiedene Aufgaben nicht mehr nur nacheinander („dynamisches Verfügbarkeitsmanagement“), sondern gleichzeitig und zwar zackig („Kaltstart-Fähigkeit“) wahrzunehmen, reicht ihr zur Ertüchtigung der Wehrhaftigkeit nicht aus. Sie strebt eine Militarisierung der gesamten Gesellschaft an. Strack-Zimmermann fordert einen Nationalen Sicherheitsrat, eine Stärkung der Position des Generalinspekteurs der Bundeswehr und einen Ausbau von Polizei und Verfassungsschutz – denn wo viel äußerer Feind ist, da ist auch viel innerer Feind. Und auf EU-Ebene braucht es eine/n Kommissar*in für Verteidigungspolitik.

Aufgeklärtes Eigeninteresse

Bei all dem gilt natürlich: Germany first! „Deutschland muss führen“, dekretiert MASZ. Auch einen Sitz im UN-Sicherheitsrat reklamiert sie. Nur wäre da leider einstweilen noch das „ungeklärte Selbstverständnis der Deutschen“, das dabei hemme, eine selbstbewusstere Rolle einzunehmen. Aber mit der Zeitenwende wird das schon, zumal dabei auch etwas herausspringt und es sich nicht nur um moralische Missionen handelt. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es neben den Werten, die unser Handeln bestimmen, auch Interessen gibt. Strategische Interessen, Sicherheitsinteressen, Wirtschaftsinteressen“, befindet sie und kann die „große Aversion, in Einflusszonen zu denken“ gar nicht verstehen.

So ganz uneigennützig war die Politikerin auch selbst nicht in Sachen „Panzer-Lieferungen“ unterwegs. Sie gehört nämlich Lobby-Verbänden der Rüstungsindustrie an. Bei der „Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik“ (DWT) sitzt MASZ im Präsidium und beim „Förderkreis Deutsches Heer“ (FKH) im Beirat, wie LobbyControl beanstandete. „Beides sind von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen, wo wir es kritisch sehen, wenn Abgeordnete des Bundestages dort leitende Funktionen übernehmen“, erklärte Vereinssprecher Timo Lange gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. Strack-Zimmermann aber findet nichts dabei. „Wir sind als Verteidigungsausschuss in Verantwortung, die Bundeswehr gut auszurüsten. Und wenn man auf diesen Ebenen nicht mehr diskutieren kann, wo soll man dann diskutieren“, fragt sie und fühlt sich durch die Anwürfe persönlich verletzt. „Es fasst mich an, wenn man mir unterstellt, dass ich nicht integer bin“, klagt die Gute und erklärt: „Ich war unbestechlich schon in der Sandkiste.“ Immerhin aber behält sie sich laut lokalkompass.de vor, die Entscheidungen über ihre Mitgliedschaften regelmäßig zu überprüfen. Aber um wirklich einmal aus der DWT und dem FKH auszutreten, müsste sie wohl schon Verteidigungsministerin werden – und das wollen wir doch alle nicht hoffen.

Jan