TERZ 04.23 – KAPITAL AKTUELL
Der Immobilienkonzern Adler Group befindet sich weiter im Krisenmodus. Das Unternehmen steht exemplarisch für ein spekulatives, hochriskantes, stark schuldenbasiertes – die Schuldenlast des Konzerns liegt bei knapp 7 Mrd. Euro – und in Teilen illegales Geschäftsmodell. Mit dem Ende des über zehnjährigen Booms auf den Immobilienmärkten sind Firmen mit solchen Strategien als erste in die Krise geraten. Die Adler Group, die mit sechs Immobilienprojekten in Düsseldorf nach wie vor zu den großen Playern der Stadt gehört, hat sich inzwischen an den Rand der Insolvenz manövriert. Nur durch einen mit hohen Kosten verbundenen Deal mit der Mehrheit der Anleihegläubiger des Konzerns konnte die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit vorerst abgewendet werden. Der Deal beinhaltet neben einer Verlängerung der Rückzahlungsfrist für die laufenden Anleihen eine Erhöhung der dafür zu zahlenden Zinsen sowie einen neuen, mit 12,5% abenteuerlich hoch verzinsten Kredit von fast 1 Mrd. Euro.
Besonders wichtig ist die Verschiebung der Berichtspflicht für die Jahresbilanzen 2022 und 2023 auf Ende September 2024, auf die sich die Adler Group mit der Gläubigermehrheit bereits im Februar verständigt hatte. Denn eigentlich sollte eine geprüfte Jahresbilanz für 2022 bis Ende April vorliegen. Weil der Konzern nach der Weigerung von KPMG aber keinen neuen Wirtschaftsprüfer für diese Aufgabe finden konnte, war dieser Termin nicht einzuhalten. Ohne die Zustimmung der Gläubigermehrheit zu der späteren Vorlage der geprüften Bilanz wäre im Mai die Rückzahlung einer Anleihe von Adler Real Estate über rund 500 Mio. Euro fällig gewesen. Da die Adler Group nach eigenem Bekunden die dafür nötigen Finanzmittel nicht aufbringen kann, hätte das die Insolvenz bedeutet.
Die entscheidende Bedingung für das Rettungspaket einschließlich der späteren Vorlage einer geprüften Bilanz für 2022 ist allerdings ein Sanierungs- und Finanzrestrukturierungsplan für den Adler-Konzern, dem eine Mehrheit der Gläubiger zustimmen muss. Da die nach deutschem Recht dafür erforderliche Mehrheit von 75% nicht zustande gekommen ist, versucht die Adler Group nun einen alternativen Weg nach englischem Recht zu gehen. Das ist für Unternehmen meist vorteilhafter, denn es ermöglicht zum Beispiel, dass eine Gläubigermehrheit die Minderheit überstimmen darf, um eine Insolvenz zu vermeiden. Voraussetzung dafür ist aber die Genehmigung der Konzern-Umstrukturierung durch einen Beschluss des High Court, des obersten Gerichts in London. Zur Umsetzung dieses Vorhabens hat die Adler Group eigens eine Tochtergesellschaft in London gegründet, die Adler Group PS BondCo PLC, der alle Verbindlichkeiten des Konzerns übertragen wurden.
In der Woche vor Ostern (3.-5.4.23) steht eine Anhörung des High Court in London zum Restrukturierungsplan der Adler Group an. Das Gericht muss dann feststellen, ob die nötige Mehrheit der Anleihegläubiger – in England genügen dazu 70 % – dem Rettungsplan zustimmt oder nicht. Derzeit stehen die Chancen für eine solche Mehrheit gut. Die Gläubiger haben am 21. März in sechs sogenannten Plansitzungen, differenziert nach der Länge der Anleihelaufzeiten, abgestimmt: In fünf von sechs Plansitzungen wurden die Restrukturierungsvorschläge mit deutlichen Mehrheiten von über 80% angenommen. Nur in der Sitzung, in der die bis 2029 und damit am längsten laufende Anleihe verhandelt wurde, gab es mit nur 62% Zustimmung nicht die erforderliche Mehrheit. Die Investoren dieser Anleihe um das US-Unternehmen Strategic Value Partners (SVP) sehen sich durch den vorgelegten Restrukturierungsplan benachteiligt und lehnen ihn deswegen ab. Diese „Rebellengruppe“, zu der auch die Deutsche Bank-Tochter DWS Group gehört, hat verschiedene juristische Anläufe unternommen, um die Sanierung der Adler Group nach englischem Recht zu verhindern. Erfolgreich waren sie damit bisher allerdings nicht, aber das muss keineswegs so bleiben.[2]
Wenn nun wie geplant Anfang April gerichtlich festgestellt wird, dass die nötige Gläubigermehrheit für den Sanierungs- und Restrukturierungsplan der Adler Group vorhanden ist, wonach es derzeit aussieht, kann die Minderheit überstimmt und der Plan in Kraft gesetzt werden. Der zuständige Richter Anthony Mann hat bereits im Vorfeld signalisiert, dass bei einem Scheitern des Restrukturierungsplans die Insolvenz der Adler Group unvermeidlich wäre. Seine Einlassungen lassen sich so interpretieren, dass das Gericht die Annahme des Restrukturierungsplans begrüßen würde. Um den Druck auf die Gläubiger zu erhöhen, hatte die Adler Group selbst zum letzten Mittel gegriffen und ihrerseits mit Insolvenz und Notverkäufen gedroht: Bei einer Insolvenz müsse damit gerechnet werden, so die auf eine Analyse der Boston Consulting Group (BCG) zum Zustand des Konzerns gestützte Adler-Argumentation, dass rund 43% des Konzernkapitals vernichtet würden. Ein Adler-Jurist wird mit den Worten zitiert, dass die Gläubiger „einen sehr guten Grund“ hätten, … „die Folgen einer wertvernichtenden Insolvenz zu vermeiden und dem Plan zuzustimmen.“
Aktuell gibt es in Düsseldorf, aber auch in anderen Städten mit Projekten der Adler Group, kaum Bewegung um Käufe oder Verkäufe von Adler-Immobilien, über die zuvor immer wieder laut nachgedacht wurde. Das dürfte zum einen damit zusammenhängen, dass die Adler Group nicht mehr auf jedes Kaufangebot eingehen muss, weil der Konzern nun auf die Unterstützung einer Gläubigermehrheit setzen kann. Zum anderen warten potenzielle Käufer*innen ab, ob der Sanierungs- und Restrukturierungsplan auch tatsächlich in Kraft gesetzt wird. Denn sollte das Vorhaben doch noch scheitern, könnten sie auf günstige Schnäppchenpreise bei den Immobilien aus der Adler-Konkursmasse hoffen.
Aber auch wenn der Sanierungs- und Restrukturierungsplan wie von der Adler Group angestrebt in Kraft tritt, ist – nicht zuletzt angesichts des aktuellen Einbruchs auf den Immobilienmärkten – keineswegs ausgemacht, dass er auch erfolgreich umgesetzt werden kann. Die akut drohende Gefahr einer Insolvenz der Adler Group mag vorerst abgewendet sein – aus dem Krisenmodus ist der Konzern aber noch lange nicht heraus.
Helmut Schneider
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum
[1] So der für die Adler-Restrukturierung am Londoner High Court zuständige Richter Anthony Mann.
[2] Nach Ansicht einiger Jurist*innen ist es nach dem Brexit nicht mehr zulässig, dass sich Unternehmen aus der EU bei Insolvenz- oder Umstrukturierungsverfahren für die deutlich vorteilhafteren englischen Regeln entscheiden. Es könnte also durchaus sein, dass die Entscheidung des Londoner High Court im Nachhinein noch angefochten wird.