Die Straßen-Umbenennungen

Namen und Orte

Mit den Umwidmungen von Straßen, deren Namenspatron*innen nach heutigen Maßstäben keine Ehre mehr gebührt, geht es in Düsseldorf voran. Die Stadt lud die Anwohner*innen in den letzten Wochen zu Versammlungen ein, um über konkrete Vorschläge zu den Umbenennungen zu diskutieren.

Eine „Einladung zur Veranstaltung ‚Umbenennung der Wissmannstraße’“ fanden alle Anwohner*innen Mitte März in ihren Briefkästen. „Das Vermessungs- und Katasteramt, die Bezirksverwaltungsstelle und der Bezirksbürgermeister möchten Ihnen gerne den aktuellen Sachstand des Prozesses vermitteln und stehen für Fragen zur Verfügung. Darüber hinaus ist das Ziel, ein Stimmungsbild zu möglichen Vorschlägen für eine Umbenennung der Wissmannstraße zu erhalten“, teilte „Ihr Team der Straßenbenennung“ mit.

Im März 2018 hatte die Stadt eine Expert*innen-Kommission mit der Aufgabe betraut, Düsseldorfs Straßennamen zu überprüfen und zu schauen, ob diese nicht etwa zum Ruhme von Personen, die in den Bereichen „Kolonialismus“, „Militarismus“, „Nationalsozialismus“ und/oder „Antisemitismus“ auffällig geworden waren, so heißen, wie sie heißen. Im September 2021 stand schließlich das Ergebnis fest, und die Wissmannstraße fiel zusammen mit elf weiteren Straßen unter das Rubrum „schwer belastet/nicht haltbar“.

Hermann von Wissmann

Hermann von Wissmann hatte es nach Ansicht des Begutachter*innen-Gremiums, das aus einem wissenschaftlichen Beirat sowie Vertreter*innen der Mahn- und Gedenkstätte und des Stadtarchivs bestand, von 1888 bis 1890 im ehemaligen „Deutsch-Ostafrika“ doch ein wenig zu dolle getrieben (siehe auch TERZ 11/17). Von Bismarck mit dem Marsch-Befehl „Siegen Sie!“ zur Aufstandsbekämpfung in die Kolonie beordert, richtete Wissmann dort mit seiner Privatarmee ein regelrechtes Gemetzel an. Die Truppe verfolgte eine Strategie der verbrannten Erde und entvölkerte ganze Landstriche. Tausende Menschen fielen den Schergen zum Opfer. Sogar altgedienten Kolonial-Offizieren ging das zu weit. Als „äußerst grausam“ schilderten sie das Vorgehen der Kämpfer. Und im Reichstag kritisierte der liberale Abgeordnete Eugen Richter: „Wir lasen neulich, dass Herr Wissmann schon 700 Araber und Aufständische, wie sie genannt werden, hätte erschießen lassen, wir hören, dass bald dieses, bald jenes Dorf in Flammen aufgeht. Seine Truppen ziehen sengend und brennend umher, und die Aufständischen tun dergleichen, und das Ganze nennt man in der Sprache der vorjährigen Thron-Rede ‚Kultur und Gesittung nach Afrika tragen!’“

Aber genau das qualifizierte Hermann von Wissmann 1908 in den Augen deutscher Kolonialist*in­nen zum neuen Namenspatron für eine Straße. Zu einer Zeit, da sich die Kolonial-Truppen in schwere Kämpfe verwickelt sahen, in deren Folge rund 50.000 Afrikaner*innen ihr Leben verloren, wollten interessierte Kreise mit Wissmann an einen Menschen erinnern, der gegen Aufständische in „Deutsch-Ostafrika“ erfolgreich zu Felde gezogen war und deshalb als „Deutschlands größter Afrikaner“ galt. Und so musste dann in Unterbilk die Kaulbachstraße, bis dahin benannt nach einem Maler, dran glauben und fürderhin dem ehrwürdigen Andenken des Haudegens Wissmann dienen.

Das jedoch ist bald Geschichte. Erste Schritte zur neuen Namensfindung sollte die Veranstaltung im Bürgerhaus Bilk am 29. März unternehmen. Und anders als befürchtet tat sie das auch. Es brachen keine Grundsatz-Diskussionen über den Sinn und Zweck von Straßen-Umbenennungen an sich aus, wie sie der ehemalige CDU-Landtagsabgeordneter und Vertriebenen-Aktivist Rüdiger Goldmann laut Rheinischer Post in Garath anzuzetteln versuchte. Er wollte dort noch einmal eine Lanze für Hans-Christoph Seebohm, der sich in der Nazi-Zeit an der Arisierung jüdischen Eigentums beteiligt hatte, brechen. Aber Goldmann drang damit nicht durch. Er könne gegen den neuen Namen ja den Rechtsweg beschreiten, beschieden ihm die Vertreter*innen der Stadt.

Auch zu einem größeren Lamento wegen des bürokratischen Aufwands, den eine Adress-Änderung mit sich bringt, kam es nicht. Wohlweislich hatte die Stadt hier vorgesorgt und angekündigt, keine Kosten für neue Personalausweise und Führerscheine zu berechnen. Auch wollte sie den betroffenen Anwohner*innen bei Ämter-Gängen eigene Slots einrichten, um ihnen Wartezeiten zu ersparen.

Die Qual der Wahl

Die Stellwände mit Vorschlägen für neue Straßennamen nahmen fast eine ganze Seite des Bürgersaals ein. Darunter fanden sich mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Sport mit oder ohne Düsseldorf-Hintergrund. Alban Berg, Campino, Henry Storch, Blinky Palermo, Charles Wilp, die Pazifistin Clara Immerwahr, Hanns-Dieter Hüsch, Helmut Käutner, Karl-Otto Apel, Nelson Mandela, Rosa Parks, Toni Turek und Fritz Bauer zählten dazu. Sogar Widerstandskämpfer*innen und/oder Kommunist*innen wie der ehemalige TERZ-Autor Peter Baumöller, Klara Schabrod, Clara Kroes (Kroos) und Jupp Angenfort standen auf der Liste. Direkt der Wissmannstraße zugeordnet waren Wissmanns Vorgänger Wilhelm von Kaulbach, John Lennon, Bud Spencer, Am Friedensplätzchen, Bella Bellow, Helene Stöcker, Hermann Smeets, Janis Joplin und Lucy Lameck.

Einige Namen fielen allerdings von vornherein durchs Raster. „Kriterien nicht erfüllt“ lautete dann die Randbemerkung. Entweder lebten ihre Träger*innen noch, waren noch nicht lange genug tot oder bereits auf Straßenschildern verewigt. Manchmal erschloss sich der Ausschluss jedoch nicht so einfach wie etwa im Fall von Rosa Luxemburg. Darum fragte die TERZ nach. „Die Biographie ist nicht ganz unumstritten“, bekam sie vom Stadtarchiv-Leiter Benedict Mauer zur Antwort.

„Am Friedensplätzchen“ entsprach ebenfalls nicht den Anforderungen. Wegen der nahegelegenen Friedensstraße machte die Feuerwehr im Falle von Lösch-Einsätzen mögliche Schwierigkeiten bei der „Auffindbarkeit“ geltend. Ein einfaches „Zurück auf Los“ mit Wilhelm von Kaulbach ging auch nicht so einfach, hatte der Maler seinen künstlerischen Status doch nicht zuletzt mit Schlachtengemälden erworben, wie ein Mann zu bedenken gab. In dem Zusammenhang fiel an dem Abend auch ein Schatten auf die Friedensstraße. Einem pazifistischen Impuls nämlich entsprang die Namensfindung mitnichten. Sie feierte vielmehr den Siegfrieden mit Frankreich nach dem Krieg von 1870/71, bei dem Deutschland sich unter anderem Elsaß-Lothringen unter den Nagel riss. Darum befindet sich in unmittelbarer Nähe der Friedenstraße auch die Sedanstraße, welche an die entscheidende Schlacht bei diesem Waffengang erinnert. Nicht einmal Hermann Smeets – Düsseldorfer, Gründer der Bilker Heimatfreunde und Widerstandskämpfer – konnte auf ungeteilte Zustimmung bauen. Ein Anwohner mahnte an, sich an die Empfehlung der Stadt zu halten, bevorzugt nach honorablen Frauen Ausschau zu halten. Und „Herr“ und dann auch noch „Mann“ – das sei doch ein bisschen heavy, meinte er.

Weitere Vorschläge zielten darauf ab, die Traditionslinie zum Kolonialismus aufzunehmen, aber aus anderer Perspektive. Die lange für die Unabhängigkeit Tansanias streitende Lucy Lameck erschien da als geeignete Kandidatin. Andere plädierten für Fasia Jansen, eine in Hamburg geborene Liedermacherin und Friedensaktivistin mit afrikanischen Wurzeln. Für sie votieren am Ende die meisten im Saal, Hermann Smeets musste sich knapp geschlagen geben. Aber verbindlich für die Politik ist dieses Ergebnis nicht, es dient ihr nur als Richtschnur.

Während des ganzen, nun schon einige Jahre dauernden Prozesses sparte die Stadt in Sachen „fachkundiger Entscheidungsfindung“, „Transparenz“ und „BürgerInnen-Beteiligung“ weder Kosten noch Mühe. An diesem Abend beschlich einen deshalb manchmal das Gefühl, dass die Demokratie sich hier fast schon an sich selbst berauschte, da beim Souverän viele durch Abwesenheit glänzten. Die Mittelschicht blieb mal wieder weitgehend unter sich.

Jan