TERZ 06.23 – DICKES D:
Am 15. Juni entscheidet der Rat der Stadt über die Zukunft der Düsseldorfer Oper. Die CDU möchte einen Neubau an alter Stelle, kann dafür aber nicht mehr mit der Zustimmung ihres Koalitionspartners rechnen, denn die Grünen haben sich umentschieden und lehnen das Projekt ab. Aber SPD und FDP stehen bereit.
„Ich selbst war von Anfang an vom historischen Standort an der Heinrich-Heine-Allee überzeugt und werde ihn entsprechend dem Rat vorschlagen“, mit diesen Worten bekannte sich Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller Mitte Mai zu einer neuen Oper an alter Stelle. Die Grünen waren davon anfangs auch überzeugt, am Ende jedoch nicht mehr. Am 23. Mai nahm die Mitgliederversammlung der Partei den Vorschlag des Vorstands an, das Unternehmen „aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen“ abzulehnen und auf der Ratssitzung am 15. Juni entsprechend abzustimmen.
Jetzt muss die CDU ihre Pläne gemeinsam mit der Opposition vorantreiben. FDP und SPD signalisierten dafür auch bereits ihre Zustimmung. Die Sozialdemokrat*innen stellten dafür allerdings Bedingungen. Sie forderten im Gegenzug 8.000 neue Wohnungen, was Keller eine sehr ehrgeizige Größenordnung nannte. Und zu mehr Geld für die freie Szene und die Stadtteil-Kultur mochte er sich ebenfalls nicht bekennen. Der OB erinnerte jedoch an seine gleichzeitig mit der Ankündigung des Neubaus gegebene Zusicherung, alle Stadtteilbüchereien zu kulturellen Zentren umzuwandeln, womit er prophylaktisch Hochkultur-Ressentiments entgegenzutreten gedachte.
Die Grünen hatten sich auf ihrer Veranstaltung nicht generell gegen den Bau ausgesprochen, aber für ein Moratorium – Grund: die Zeitenwende. „Wir stehen zur Oper“, betonte Philippe Büttner vom Vorstand, nur fehle „zum jetzigen Zeitpunkt“ das Geld. Mit einem Finanzaufwand von einer Milliarde Euro und dazu eventuell noch Kreditkosten in beträchtlicher Höhe rechnet die Partei. Dadurch sieht sie ihre Herzensprojekte auf den Feldern „Energie- und Verkehrswende“ ebenso gefährdet wie eine Fortsetzung der Arbeiten an den maroden Schulen und nahm deshalb Abstand von dem Vorhaben. Zu einer Politik der Nachhaltigkeit gehöre eben auch eine nachhaltige Haushaltsplanung, stellte ein Mitglied klar. Einstweilen sollen es in Sachen „Oper“ deshalb erst einmal bloße Instandhaltungsmaßnahmen richten.
Das hieße, Unsummen in eine marode Bau-Substanz zu versenken, wendete ein Gegenredner an dem Abend ein und beharrte auf dem Unterschied zwischen einer lediglich ein „Weiter so“ ermöglichenden Flickschusterei und einer richtigen Sanierung, die kaum preiswerter zu haben wäre als die Errichtung eines neuen Gebäudes. Karin Trepke forderte mit Verweis auf den grünen Wahlkampf-Spruch „Zukunft wird aus Mut gemacht“ mehr Beherztheit und weniger Bedenkenträgerei ein. Die Grünen dürften sich nicht den Ruf einer Neinsager-Partei einfangen, die sich immer sperre, wenn groß gedacht werden muss, warnte in gleichem Sinne Olaf Bursian und konfrontierte den Saal mit all den schönen Dingen, gegen welche die Partei sich einst ausgesprochen hatte: Rheinufer-Tunnel, Arena, Kö-Bogen und Wehrhahn-Linie. Einige Mitglieder schreckten auch davor zurück, durch den Meinungsumschwung den Koalitionsfrieden mit der CDU aufs Spiel setzen, während andere sich dagegen sträubten, die Partei selbst „aus dem Rennen“ zu nehmen, wenn es um die Frage „Welche Art von Oper wollen wir?“ geht. Aber es half alles nichts, sie drangen mit ihren Argumenten nicht durch. Am Ende votierten 48 der 76 Anwesenden gegen das Projekt, 16 dafür und zwölf enthielten sich.
Erwartungsgemäß zeigte sich die CDU not amused. Die Entscheidung führe zu einer „schweren Belastung für die Kooperation“, erklärte Oberbürgermeister Keller. Und Fraktionschef Rolf Tups kommentierte: „Das ist kurzfristig und keine rationale Politik.“ „Irgendeine Krise ist immer“, meinte er und sprach von einer Investition, „die auch ein Wertschöpfungsfaktor und ein Magnet für die Stadt sein soll“. Die FDP teilt diese Vorstellung und nannte die Oper „ein Leuchtturm-Projekt für Düsseldorf“.
Diese Bezeichnung nahm der OB in seiner Presseerklärung zur Ratssitzung am 15. Juni auf. Er wurde sogar noch etwas deutlicher: „Das Opernhaus der Zukunft wird über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus Interesse und Aufmerksamkeit generieren.“ Keller stellte die Oper in eine Tradition mit dem Bau des Rheinufer-Tunnels, der Versetzung des Carschhauses, dem U-Bahn-Bau sowie dem Abriss des Tausendfüßlers und hielt fest: „Ein modernes Konzerthaus muss für eine Kunst- und Musikmetropole wie Düsseldorf, deren Strahlkraft ihrer Akademie und Hochschule [sic] weit über die Landesgrenzen hinaus reicht, eine Selbstverständlichkeit sein.“
Die SPD, die sich von allen Parteien die umfassendsten Gedanken zum Thema gemacht hatte, verwirft solche Vorstellungen ebenso wie die eines sozio-kulturellen Zentrums mit ein bisschen „Don Giovanni“ obendrauf. „Eine Oper ist vor allem eine Oper. Sie ist keine Mehrzweckhalle: zur einen Hälfte vollintegrierte Freizeitstätte und Bürgerzentrum, zur anderen Hälfte neues City-Wahrzeichen“, schreibt sie in ihrem Positionspapier. Proberäume, Ausstellungsflächen, Säle und Kleinbühnen sieht die SPD an der Stelle eher nicht. Mit einem solchen erweiterten Opern-Begriff hatten vor ihrem „Nein“ vor allem die Grünen operiert, ohne ihn jedoch konkreter mit Inhalt zu füllen. Ihnen schwebte eine Oper „als Ort der Begegnung zu den spielfreien Tageszeiten für alle Altersklassen und alle Schichten der Stadtgesellschaft“ und „als Labor für ungewöhnliche interdisziplinäre Kulturprojekte“ vor. Ausdrücklich gegen die Oper als Hort bürgerlicher Kultur, zu dem andere keinen Zugang hätten, wetterte bei der Versammlung am 23. Mai nur ein Grüner, der – wie er betonte – aus der Unterschicht stammte.
Aber auch Stephan Keller bringt den Leuchtturm „als künftiges Zuhause für Kunst, Kultur und gemeinsame Erlebnisse“ ins Gespräch, und der „Rheinischen Post“ zufolge erklärt sich sogar die Opern-Spitze selbst bereit, das Haus für andere Formen der Musik von Jazz bis Rock zu öffnen.
So ganz ohne Änderungen geht es aber auch für die SPD nicht. Sie plädiert für eine „Popularisierung und Verbreiterung des Angebots in Richtung eines modernen Musiktheaters“ und parallel dafür, die Mittel für die kulturelle Bildung zu erhöhen, denn für die Partei ist Oper „eine vergnügliche Anstrengung, die erlernt werden will“. Zudem wirft sie die auf den ersten Blick ganz plausible Frage auf: „Oper für alle – das klingt gut! Aber warum ist die Deutsche Oper am Rhein dann nicht längst auf diesem Weg? Nur aus Platzmangel in dem alten Gebäude?“ Die selbst gegebene Antwort lautet: „Wer das behauptet, nutzt die vage Aussicht auf eine ‚Oper für alle’ als durchsichtige Rechtfertigung für einen sehr teuren Bau.“
Ein Opernhaus ist aber nicht einfach eine leere Schachtel, die nach Belieben mit Inhalten gefüllt werden kann. Eine „Oper für alle“ muss auch wie eine „Oper für alle“ aussehen und nicht wie ein Musentempel. Schon ihrem Standort kommt in dieser Hinsicht Bedeutung zu. Die neue Pariser Philharmonie beispielsweise erfüllt solche Kriterien. Sie hat der bekannte französische Architekt Jean Nouvel weit draußen am Pariser Autobahn-Ring errichtet, der an die Arbeiter*innen-Vorstadt Pantin grenzt, errichtet und tatsächlich multifunktional angelegt. So verfügt der Bau etwa über einen hochmodernen, mit allen akustischen Finessen ausgestatteten Konzert-Saal, der aber wiederum auch so flexibel gestaltet ist, dass er in der Lage ist, Klassik, Pop et cetera eine Bühne zu bieten.
Aber das dürfte in Düsseldorf auf ewig Zukunftsmusik bleiben. Am 15. Juni fällt erst einmal die Entscheidung über den Standort und die Mittelfreigabe für die ersten Planungsschritte. Die Partei „Die Linke“ will an dem Tag vor das Rathaus ziehen. „Wir werden mit einer Protest-Kundgebung den Düsseldorferinnen und Düsseldorfern die Wahrheit sagen: Die Milliarde für den Opern-Bau wird die CDU bei euch einsparen – zum Beispiel bei den Schwimmbädern – oder sie verkauft Tafelsilber – städtische Gebäude oder Unternehmensanteile. Wofür das alles? Für das Vergnügen weniger Opernfreunde und für die Geltungssucht weniger CDU- und SPD-Politiker“, erklärte Kreissprecherin Kea Detmers.
Jan