TERZ 06.23 – MUSIC
Aus Köln kommt nicht nur ‘ölsch, wobei das Mühlen Kölsch besser ist als Frankenheim Alt, das musste mal gesagt werden, sondern auch das Label Rheinschallplatten. Wie in der TERZ vom April diesen Jahres angekündigt, waren Mrs. Cave und ich am 28.04.23 im Kölner Stadtgarten bei David Eugene Edwards (Wovenhand). Ein großartiges Konzert, David Eugene Edwards alleine auf der Bühne hat alles gegeben und uns ca. eine Stunde bestens unterhalten. Mystisch, spirituell und ganz in seiner eigenen Gedankenwelt gefangen, hat DEE uns mitgenommen auf eine Reise in die Geisterwelt Nordamerikas, musikalisch angelehnt an die Solo-LP Risha von 2018, die er damals zusammen mit Alexander Hacke (Einstürzende Neubauten usw.) eingespielt hat. Samples, Electronics, Effekte unterstützten DEE. Sein Outfit – silberne Boots, goldene Jacke, verspiegelte Sonnenbrille und Stetson – sorgten für das richtige Ambiente, und wir fühlten uns in einen illustren Saloon im Outback Nordamerikas versetzt und nicht in den Kölner Stadtgarten.
Vorher waren wir noch auf der Aachener Straße bei Tibet Momo Köln essen. Selbstgezogene Nudeln, gedämpfte Teichtaschen, alles mit frischem Gemüse und dem unvermeidlichen Dalai Lama, der milde lächelnd auf die Teller blickt. Selbst die badische Verwandtschaft ist schon von der tibetanischen Küche überzeugt worden! Ein absoluter Restaurant-Tipp für Köln von Mrs. Cave und mir (unbedingt das Tsampa als Dessert probieren!). Dass der Laden von Parallel Schallplatten direkt um die Ecke liegt, ist natürlich immer wieder ein weiterer Anreiz, Köln zu besuchen. Beim diggern im Laden erreicht eine bezaubernde Akustikversion von New Orders Blue Monday meine Ohren. Auf Nachfrage stellte mir einer der anwesenden Ladeninhaber, Thomas Rhein, daher auch der Name Rheinschallplatten, voller Stolz Monobob vor. Monobob kommen aus München und machen charmanten, rumpligen Low-Fi-Indie-Pop mit Gitarre, Violine, Glockenspiel und Karen Afeld am Gesang. Musik, die dazu verleitet, den Schellenkranz in die Hand zu nehmen und seinen Namen zu tanzen. Weitere Coverversionen wie She Floated Away (Hüsker Dü), Hope (Radical Dance Faction), Spice Up Your Life (Spice Girls), Erykah Sagt (FSK) und Das Letzte Biest Am Himmel (Einstürzende Neubauten) sorgen für ungewöhnliche Wiedererkennungsmomente und lassen das Debüt immer wieder gerne auflegen.
Als ich anmerkte, dass ich Monobob in der nächsten TERZ besprechen könnte, verschwand Thomas im Keller und drückte mir den Rest des Label-Programms in die Hand. Machen wir also weiter mit der Katalognummer 001. Katie Smokers Wedding Party, auch aus München. Auf der 7“ Weltraummollusken werden uns 6 spacige, jazzige und dabei trotzdem punkige (ich fühle mich an alte Kassettentäter*-Aufnahmen erinnert) Songs präsentiert. Wobei Kosmonautenflug auf Seite A eher an Jazz erinnert und die 5 sehr kurzen Tracks auf Seite B eher punkesk rüberkommen. Die ganze 7“ ist auf jeden Fall komplett verstörend und schwer verdauliche Kost am Samstagmorgen!
Katalognummer 002 präsentiert dann DJ Ernesto Et L‘Orchestre Tout Puissant G.Rag Y Los Hermanos Patchekos mit Left On Laura, Left On Lisa. DJ Ernesto alias Daniel Kappla sowie das Orchester kommen auch „wieder“ aus München und präsentieren uns, laut Eigenaussage, karibisch geprägten Folk-Trash. Das passt auch, wobei die A-Seite mit Left On Laura, Left On Lisa ein wenig ruhiger und gemütlicher ist und passt zu einem Feierabend-Bier. Die B-Seite La Camisola dagegen ist dann absoluter Hüftwackler und könnte im Linken Zentrum auf diversen Soliparties für Stimmung sorgen.
Eric Pfeil, Journalist und Songwriter aus Köln kommend und Mondo Sangue, Stuttgart, teilen sich die 7“ Rheinschallplatte #003 und interpretieren jeweils Radio Gelato. In der Version von Eric Pfeil auf Seite A in einem schmachtvollem Deutsch, sehr schön kitschig, schlagerlastig. Mondo Sangue, die große Italo-B-Movie-Soundtrack-Fans sind, gehört dann die B Seite. Musikalisch ist der Sound damit klar: Italo-Pop! Sängerin Yvy Pop trägt Radio Gelato in einem lupenreinen Italienisch vor, ihre Vergangenheit als Sängerin in deutschsprachigen Punkbands schimmert nicht durch. Mein Fazit zu Radio Gelato ist: Der Sommer kann kommen.
Katalognummer 004 gehört Monobob, weiter geht es mit 005 und G.Rag/Zelig Implosion Deluxxe. Die Songs Hans Stumpf und Null Gehen sind wieder krachiger, noisiger, lauter, teils monoton. Die Bezeichnung No Wave trifft hier bestens zu. Als zusätzlicher Vergleich passt auch hier wieder Kassettentäter[1]. Beide Tracks packen mich und würden sehr gut in mein Punks On 45“ DJ-Set passen!
Die 12“ The Brockas mit Manila By Night mit der Nr. 006 ist aufgenommen und gemischt worden von Brezel Göring (Stereo Total). Wer jetzt aber klassischen Trash-Pop à la Stereo Total erwartet, dürfte enttäuscht sein. Die von den Philippinen kommenden Brockas spielen nämlich ruhigen Psychedelic Rock, auf Filipino und Englisch vorgetragen. Die Brockas sind alle und das spiegelt sich auch in wieder. Manche Instrumentierungen von Manila By Night erinnern uns teilweise an den Soundtrack von Apocalypse Now. Eine ruhige Platte, die trotzdem krachige Momente hat und zwischendurch verstörende und destruktive Elemente bereithält. Ein absoluter Kontrast zur Monobob-LP zum Beispiel. Unser Fazit für Rheinschallplatten wird damit bestätigt:
Für Freunde des „Etwas Anderen Sounds“ eine unbedingte Empfehlung, jede Veröffentlichung ist einzigartig, speziell und abseits des Mainstreams gelegen! Falls es euch einmal nach Köln verschlägt, ist ein Besuch bei Parallel und Rheinschallplatten ein Muss! „Normal“ kann in Köln jeder (-:
In den Startlöchern stehen übrigens Doe Bed mit der Sweaters 7“ (008) und JKCM mit der Morphing Bodies 7“ (009). Indie vs. Electronic wohl. Ich bin gespannt, was Rheinschallplatten uns da auf den Plattenteller legen wird.
Des Weiteren fanden wir beim stöbern das Irrational Habits-Tape von Cosey Mueller, Synthwave auf Static Age, Berlin. Dazu entdeckte ich die erste EP von den Minutemen, Paranoid Time, ein Punkklassiker von 1980 auf SST. Von der Suchliste konnte ich auch die EP von The Antipodes mit vier Bands aus Australien und Neuseeland aus dem Jahr 1989 streichen. Die neueste Single von Killerlady aka Martin Kircher (EA80) schloss dann den Einkauf ab, und wir machten uns zu Fuß auf den Weg Richtung Stadtgarten, um den Abend mit David Eugene Edwards und seinem Konzert zu beenden. Wie schon oben erwähnt, eines der Konzerte, die einem länger in Erinnerung bleiben. Der gesamte Tag war in jeder Hinsicht herausragend, Städtetrips sollten wir doch öfter machen.
Der Wahlkölner Rikk von Raccoone Records drückte mir Rot, die neue LP von Neon Neon, beim Konzert von Haexler, Briefbombe & Kem Trail im Linken Zentrum in die Hand und meinte nur: Die ist super! Raccoone Records war eigentlich mal bei uns in Düsseldorf auf der Kiefernstraße ansässig. Der Liebe wegen ist Rikk aber nach Köln gezogen. Da er sowieso keinen Alkohol trinkt, kann er sich da auch nicht mit „ölsch“ vergiften und somit ist der Wohnort dann auch egal. Widmen wir uns aber Neon Neon, einer All-Star Band aus Bremen. Kobayashi, Dørtebeker, Postford und die Analog Ruins dürften dem oder der eifrigen AK47-Besucher*in ein Begriff sein, und bei dem Bekanntheitsgrad der Bandmitglieder war die Erwartungshaltung natürlich sehr hoch! Was soll ich da groß sagen, Britta (Schlagzeug), Daniel (Bass), Jacob (Gitarre) und Roberta (Gesang) legen die Messlatte bei dem Erstlingswerk Rot auch dementsprechend hoch an. Punk, Post-Punk und Wave geben sich ein fröhliches Stelldichein, und die 11 Songs treiben mich am Rechner immer mehr zum Tippen an, und Ruck-Zuck ist die Platte zu Ende und ich bin schweißgebadet vom Mitwippen. Jetzt erst einmal ein Bier, und die Party kann hoffentlich bald im AK47 oder LZ weitergehen!
Der Bonus Track kommt diesmal aus Düsseldorf, was nach so viel Köln wohlverdient ist.
Graph haben auf Krachladen Dub eine neue EP veröffentlicht. Mad World (Astonished) ist als 12“, sowie als Tape erhältlich. Der Tears For Fears-Klassiker Mad World wird von Graph komplett zerlegt und wieder neu zusammengesetzt. Jens Beyer, diesmal zusätzlich am „Gesang“ und Stefan Jürke geben wirklich alles, um jeglichen Wiedererkennungswert im Ansatz zu ersticken. Mit Unterstützung von Jovan Stojsin, eigentlich Gitarrist bei Oiro, der eine Gitarrennoise-Orgie über Mad World legt, ist dann auch ein komplett neuer Track entstanden. Instabil in der Original-Version und im Bob Humid- Remix, der auch das gesamte Mastering übernommen hat, schließen die EP ab. Der Bob Humid Mix ist ein „Killer On The Dancefloor“, so gut produziert ist die Version. Off Topic, Stefan Jürke aka Yürke meinte nur: Das Tape ist noch fetter im Bass als die 12“. Von Yürke gab es dieser Tage auch noch ein neues Tape, Loyal Credits. 5 Tracks treibend und technoid, da ist der Bass auch janz schön fett (-:!
So das war es dann für diesen Monat, Grüße aus Oberbilk,
Mrs. Cave und der Oberbilker
[1] Kassettentäter, ein Begriff, unter dem Anfang der achtziger Jahre unbekannte und neue Musiker*innen Ihre Musik veröffentlichten. Die Tapes sind heutzutage teilweise sehr gesucht und rar und werden ab und zu auf Vinyl wiederveröffentlicht.
Genaueres hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Kassettentäter