Die Party ist vorbei

Krisengemurmel am Immobilienmarkt

Die über zehnjährige Boomphase auf dem Immobilienmarkt hat Investor*innen, Immobilieneigentümer*innen und Wohnungsunternehmen enorme Wertzuwächse und satte Renditen beschert. Die Wohnungsmieten wurden im Zuge des Booms in bisher nicht gekannte Höhen getrieben. Nun aber ist die Party fürs Erste wohl vorbei. Zwar steigen die Mieten noch immer, der Markt für Grundstücke, Häuser und Wohnungen ist jedoch inzwischen stark rückläufig.

Die Preise für Wohnimmobilien sind in Deutschland im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahresquartal um durchschnittlich 6,8% eingebrochen, nach Aussage des Statistischen Bundesamtes so stark wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Noch kann man nicht vom Platzen der Immobilienblase sprechen, wohl aber von einer veritablen Krise auf dem (Wohn)Immobilienmarkt. Und die trifft nicht mehr nur kleinere Unternehmen oder solche, die – wie die Adler Group – mit fragwürdigen und hochriskanten Geschäftsmodellen unterwegs waren, sondern inzwischen auch die Großen der Branche: Die Aktie des größten deutschen Wohnungskonzerns Vonovia ist seit Anfang 2022 um 62% eingebrochen. Der Multi hat für dieses Jahr seine Neubautätigkeit eingestellt. Stattdessen muss Vonovia Wohnungspakete verkaufen, um sich aus der Liquiditätsklemme zu befreien. Ähnliches gilt auch für andere Wohnungsunternehmen wie die LEG. „An den Immobilienmärkten wird das Krisengemurmel immer hörbarer“ stellt ein besorgter FAZ-Kommentator fest (FAZ 21.6.23). Seine Einschätzung, „erste Schieflagen scheinen nur eine Frage der Zeit“, ist aber eher eine verharmlosende Untertreibung: Die Schieflagen sind längst da.

Auf dem Düsseldorfer Immobilienmarkt hat der Preisboom im letzten Jahr nur wenig nachgelassen. Ein Grund: Die Landeshauptstadt gehört für in- wie ausländische Kapitalanleger*innen zu den Top-Adressen in Deutschland für Immobilieninvestitionen, die besonders hohe Renditen versprechen. Aber die Hoffnung, deswegen glimpflich durch die Krise zu kommen, war trügerisch. Für das laufende Jahr zeichnet sich ab, dass die spekulativ hochgetriebenen Immobilienpreise nun auch in Düsseldorf stark unter Druck geraten. In der Branche wird bei Wohnimmobilien für 2023 inzwischen mit einem Rückgang der durchschnittlichen Quadratmeterpreise um 5% gerechnet. Die größten Preisrückgänge stellt das Statistische Bundesamt dort fest, wo die Preise bereits rekordverdächtige Höhen erreicht haben: in den größten Metropolen, zu denen in Deutschland neben Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main und Stuttgart auch Düsseldorf gehört.

Ein kurzer Rückblick

Um die gegenwärtige Immobilienkrise zu verstehen, ist ein kurzer Rückblick hilfreich. Denn nach der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008 hat sich der Immobilienmarkt gravierend verändert. Die Krise hatte sichere und zugleich gewinnträchtige Optionen für Kapitalanlagen drastisch reduziert. Einen Ausweg aus dieser Notlage - in manchen Kommentaren war von „Anlagenotstand“ die Rede – bot der als renditestark und relativ sicher geltende Immobilien- und Wohnungsmarkt, in den seit 2009 enorme Kapitalmengen vor allem von internationalen Finanzinvestor*innen geflossen sind. Europaweit sind Wohnimmobilien zu einer attraktiven Anlageklasse geworden: Seit 2019 wurde knapp 67 Mrd. Euro allein in Mietwohnungen investiert (Tagesspiegel 2.6. 2022). In Düsseldorf flossen von 2010 bis 2020 pro Jahr rund 5 Mrd. Euro in den Immobilien- und Wohnungssektor. Befeuert wurde der dadurch ausgelöste Boom noch zusätzlich durch die Niedrigzinspolitik des „billigen Geldes“ der Europäischen Zentralbank (EZB), mit der die Folgen der Finanzkrise eingedämmt werden sollten. Die spekulativen Wetten von Investor*innen auf immer weiter steigende Preise haben den Erwartungshorizont für Renditen, Häuser- und Wohnungspreise, nicht zuletzt aber auch für Mieten in so schwindelerregende Höhen getrieben, dass sie inzwischen am Markt kaum noch oder gar nicht mehr durchsetzbar sind. Die begrenzte und inflationsbedingt schrumpfende Kaufkraft hat den spekulativen Boom nun vorerst ausgebremst.

Verschärfte Wohnungsnot

Auf den ersten Blick ist angesichts der umfangreichen Kapitalzuflüsse in den Immobilienmarkt völlig unverständlich, warum der Mangel an Wohnraum, der nicht nur für wenige, sondern für alle angemessen, sicher und bezahlbar ist, in der über zehnjährigen Boomphase nicht nur nicht geringer geworden ist, sondern sich sogar noch ausgeweitet hat. Verständlicher wird die Entwicklung, wenn auch das Kalkül renditeorientierter Investor*innen berücksichtigt wird, für die nicht der Gebrauchswert von Wohnungen, sondern nur der Tauschwert und die damit erzielbare Rendite von Interesse ist. Investiert wird dann in Projekte, die die höchsten Renditen versprechen, aber nicht in das, was gebraucht wird. Deswegen ist die Lücke zwischen Bedarf und Angebot auf dem Wohnungsmarkt ständig gewachsen. Neubauziele wurden regelmäßig verfehlt, Sozialwohnungen fallen schneller aus der Preisbindung, als neue gebaut werden. Erst vor kurzem hat das Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ für das laufende Jahr vor dem „größten Wohnungsdefizit seit 20 Jahren“ gewarnt und von bundesweit 700.000 fehlenden Wohnungen gesprochen. In Düsseldorf hat das Bündnis für bezahlbaren Wohnraum wiederholt darauf hingewiesen, dass eine Wohnungspolitik des „weiter so wie bisher“ der sich verschärfenden Wohnungsnot nicht gerecht wird. Skepsis ist angebracht, ob die mit dem Oper-Neubau-Deal zwischen CDU und SPD nun ins Spiel gebrachte „Wohnbauoffensive“ eine wirkliche Wende bringen wird. Konkrete Details zur Umsetzung wurden bisher jedenfalls nicht auf den Tisch gelegt.

Ein marktwirtschaftliches Märchen

Zu dem Mangel an Wohnraum, vor allem an bezahlbarem Wohnraum, der nicht erst jetzt entstanden ist, sondern sich über Jahre aufgebaut hat, kommen nun noch die Auswirkungen der Krise auf dem Immobilienmarkt hinzu, die den Wohnungsneubau nahezu zum Erliegen gebracht haben. Für die Krise der Wohnraumversorgung hat Martin Kessler, langjähriger Leiter des Wirtschaftsressorts der „Rheinischen Post“ und seit 2008 Leiter des Berliner Büros der Zeitung, eine einfache Erklärung parat: „Es liegt vor allem daran, dass der Wohnungsmarkt so reguliert ist wie kaum ein anderer Markt in Deutschland“. Und weiter: „Selbst wenn der Wert der bestehenden Immobilien deutlich steigt, lösen die geringen Renditeerwartungen im Neubau wegen fehlender Möglichkeiten, die Mieten der Marktlage anzupassen, nur eine unzureichende Bautätigkeit aus“. („Wohnungsdebakel mit Ansage“, RP vom 8.6.23). Besser kann man die marktwirtschaftliche Märchenerzählung, die trotz aller widersprechender Fakten immer noch zahlreiche gläubige Anhänger*innen und Prediger*innen hat, nicht auf den Punkt bringen! In der Tat sind die Möglichkeiten, Preise und Mieten der Marktlage so anzupassen, dass sie den Renditeerwartungen der Investoren genügen, aktuell weitgehend erschöpft – aber nicht wegen einer angeblichen Überregulierung des Marktes, sondern weil sich die „eigentlich“ erforderlichen Preise am Markt nicht mehr durchsetzen lassen! Praktiker*innen des Immobilienmarktes wie der Vonovia-Chef Rolf Buch haben da schon berufsbedingt einen realistischeren Blick für die aktuelle Marktlage: Auf der Aktionärsversammlung des Konzerns im Mai erklärte Buch, er müsste Mieten von 20 Euro/qm nehmen, wenn sich der Neubau noch rechnen solle. Das aber sei für seine Kunden utopisch weil unbezahlbar. Ähnlich hat sich auch der Düsseldorfer Catella-Chef Klaus Franken geäußert: Auf dem seit 2015 bis heute brachliegenden und noch im Eigentum der Adler Group befindlichen Teil des Grand Central Projekts in Oberbilk müsste er im Neubau sogar 20,50 Euro/qm Miete verlangen, damit es sich rentiere. Das aber wäre am Markt nicht durchsetzbar (Nur am Rande: Noch gehört Catella das Adler-Grundstück nicht, über den Rückkauf wird weiter verhandelt).

Zu den „ungünstigen Entwicklungen“ (NZZ) auf dem Immobilien-und Wohnungsmarkt gehören sicher auch die Auswirkungen, die mit dem russischen Krieg in der Ukraine verbunden sind: die kriegsbedingte Zuwanderung, ein inflationärer Schub und als Reaktion darauf vor allem die deutliche Zinsanhebung durch die EZB, die für Investoren wie für Immobilienkäufer*innen die Finanzierungskosten nach oben getrieben haben. Auffallend ist aber schon das laute Schweigen darüber, dass der über zehnjährige spekulative Boom auf dem Immobilienmarkt einen Erwartungshorizont für Preise, Renditen und Mieten erzeugt hat, der sich bereits lange vor dem Ukrainekrieg weit von den Marktrealitäten entfernt hatte. Schon im Jahr 2021 hatte die Deutsche Bundesbank festgestellt, dass Wohnimmobilien in den größeren Städten um 40% überbewertet seien, sich also durch „wirtschaftliche Fundamentalfaktoren“ nicht mehr rechtfertigen ließen.

Überregulierter Wohnungsmarkt?

In der Boomphase hat die Immobilienbranche regulierende Eingriffe in das Verfügungsrecht von Eigentümer*innen stets vehement abgelehnt und heftig bekämpft, und das sehr oft mit Erfolg. Unterstützt wurde sie dabei politisch von marktradikalen Kräften vor allem in der FDP und CDU/CSU sowie juristisch durch höchstrichterliche Urteile im Interesse von Immobilieneigentümer*innen (z.B. die Aufhebung des Berliner „Mietendeckels“). In NRW ist Gefahr für Immobilieneigentümer*innen besonders gering, Opfer von regulierenden Eingriffen durch die Politik zu werden. Denn hier sitzt ihre einflussreiche Schutzpatronin mit am Kabinettstisch. Alle Vorhaben, die auch nur den Anschein erwecken, es könne sich um einen Eingriff in das Verfügungsrecht des Eigentums handeln, werden von Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) unterbunden. Dazu gehört, dass bundesgesetzliche Regelungen, die den Kommunen Instrumente in die Hand geben könnten, gegen die Verdrängung von Mieter*innen vorzugehen, auf Landesebene nicht umgesetzt werden. So wird den Kommunen in NRW verweigert, darüber zu entscheiden, ob Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden dürfen (sog. Umwandlungsverordnung). Auch von der Möglichkeit des Wirtschaftsstrafgesetzes, gegen missbräuchliche Baumaßnahmen vorzugehen, die nur den Zweck haben, Altmieter*innen aus ihren Wohnungen zu drängen, kann in NRW kein Gebrauch gemacht werden. In beiden Fällen wurden die nötigen Rechtsverordnungen einfach nicht erlassen. Was im ebenfalls schwarz-grün regierten Hessen problemlos möglich ist, wird in NRW von der Bauministerin verweigert. Leider gibt es aber auch auf kommunaler Ebene Kräfte, die diesen Kurs unterstützen. Ein Antrag der Grünen-Ratsfraktion, der Rat der Stadt Düsseldorf möge die Landesregierung auffordern, den Kommunen doch noch die Entscheidung darüber zuzugestehen, ob Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollen, wurde in der Ratssitzung am 15. Juni mit knapper Mehrheit abgelehnt. Begründung der CDU-Fraktion: Der Nutzen der Umwandlungsverordnung sei nicht nachgewiesen und die Gefahr eines ungerechtfertigten Eingriffs in das Eigentumsrecht sei zu groß. Von einer Überregulierung des Wohnungsmarktes kann jedenfalls vor diesem Hintergrund kaum gesprochen werden.

Neuentdeckte Liebe zum Staat

In der Krise entdeckt die Immobilienbranche nun aber (wieder) ihre Liebe zum Staat. Da werden Erinnerungen an die Finanzkrise wach, als die Banken ähnlich reagiert haben. Jetzt soll der Staat der notleidenden Immobilien- und Wohnungswirtschaft unter die Arme greifen. Wenn sich die Renditeerwartungen der Branche nicht mehr durch hohe, aber am Markt nicht durchsetzbare Preise erfüllen lassen, dann soll die Entlastung eben auf der Kostenseite erfolgen. Das heißt z.B. mehr staatliche Förderung von Kaufinteressent*innen von Wohnungen und Häusern, Ausweitung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus (Sozialwohnungen) und Steuererleichterungen. Großen Zuspruch findet auch die Forderung, den Empfänger*innenkreis von Wohngeld auszudehnen und die ausgezahlten Beträge zu erhöhen. Mit Steuergeld werden dabei Mieter*innen in die Lage versetzt, die geforderten hohen Mieten bezahlen zu können, was einer direkten Subventionierung der Immobilienwirtschaft gleichkommt. Auch die öffentliche Förderung von Wohnungen, die nur zeitlich befristet günstig vermietet werden, ist eine solche Subventionierung, wenn auch mit sozialer Zwischennutzung.

Die private Immobilien- und Wohnungswirtschaft war in der Phase des Booms nicht der Lage, eine ausreichende Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum sicherzustellen. In der jetzigen Krise ist das noch weniger zu erwarten. Wäre es da nicht endlich an der Zeit, die Befriedigung des Grundbedürfnisse Wohnen nicht länger dem Markt zu überlassen? Würden die Steuermittel, die derzeit zur Subventionierung der privaten Wohnungswirtschaft aufgewendet werden, in den Aufbau eines demokratisch kontrollieren kommunalen Wohnungssektors investiert, könnte damit ein Anfang gemacht werden.

Helmut Schneider
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum