SICHTGRÜN vs. SICHTBETON

Unter dem Titel SICHTGRÜN lädt das FFT zu einem Stadtspaziergang durch die steinernen Täler und über die grünen Hügel der Düsseldorfer Innenstadt ein: eine audio-guided Tour, die von den Schöpfern des Projekts, dem Fotografen Jan Lemnitz, dem Schauspieler Hauke Heumann und dem Dramaturgen Moritz Haumann, persönlich begleitet und moderiert wird.

Die steinernen Täler und grünen Hügel Düsseldorfs befinden sich am Kö-Bogen II. Das sogenannte Ingenhoven-Tal, entworfen von dem gleichnamigen Architekten, besteht aus einem begrünten Geschäfts- und Bürohaus sowie einer dreieckigen, schräg ansteigenden Rasenfläche. Dazwischen verläuft ein schneisenartiger Durchgang von der Schadowstraße zum Schauspielhaus und zum neu gestalteten Gustaf-Gründgens-Platz. Nach dem Abriss der Hochstraße Tausendfüßler und der unterirdischen Neuordnung der Verkehrswege ist hier ein Ensemble aus Gebäuden, Freiflächen und einem Platz entstanden, mit dem die Stadt nachhaltig und ökologisch repariert und ein unwirtlicher Durchgangsort in einen attraktiven öffentlichen Platz verwandelt werden soll. Der Spaziergang führt anhand von zehn Stationen entlang freier und verdichteter Flächen zu den Grenzen, Übergängen und Bruchstellen, die die Innenstadt durchziehen. An den einzelnen Orten werden historische und zeitgenössische Materialien in Ton und Bild aufgerufen.

Die Exploration des FFT belässt es nicht bei einem Blick auf das anmutige Ingenhoven-Tal. Ein zweiter Blick führt uns in die unterirdischen Tiefen leerstehender Tiefgaragen, in die Untiefen der zugrundeliegenden Immobiliendeals, die das Verschwinden des Autoverkehrs unter die Erdoberfläche erst ermöglichten, zu den Urgründen des Düsseldorfer Architektenstreits, aus dem das ungewöhnliche Ensemble von Dreischeibenhochhaus und geschwungenem Schauspielhaus hervorging.

Die über Kopfhörer eingespielten kurzen Audio-Lectures begleiten die Führung. Begonnen wird mit einer Grundsatzerklärung von Friedrich Tamms zu den Planungsaufgaben in Düsseldorf (1949). Tamms, später Baudezernent Düsseldorfs, war in unserer Stadt maßgeblich für die Umsetzung des Konzepts einer autogerechten Stadt verantwortlich. Dabei konnte Tamms auf seine Erfahrungen beim Reichautobahnhof als Angehöriger der Gruppe Todt zurückgreifen.

Es folgen weitere Audio-Clips unter anderem von Marcus Woeller (Brutale grüne Architektur 2020) / Andreas Roloff (Laudatio Die Hainbuche 1996) / Timothy Morton (Ökologie ohne Natur 2007) / Henri Lefebvre (Die Revolution der Städte 1970) / Rem Koolhaas (Junk-Space 2002) / Nicole Mayer-Ahuja / Oliver Nachtwey (Verkannte Leistungsträger:innen 2021) / Paul Virilio, (Nachwort zu Bunkerarchäologie 2008) / Pablo Sendra / Richard Sennett (Designing Disorder. Experiments and Disruptions in the City 2020).

All diese Lectures können natürlich auch zu Hause auf der Couch gehört werden - ein spannender Ritt durch die Architektur- und Kulturgeschichte (nicht nur Düsseldorfs).

Aufruf der Audiotracks über QR-Code oder https://fft-duesseldorf.de/journal/sichtgruen

Das Booklet als PDF zum Downloaden https://fft-duesseldorf.de/files/Sichtgruen_Faltblatt_Reinzeichnung_web.pdf

Bei einem solchen Home-Streaming entgeht einem allerdings nicht nur die Live-Moderation der Guides (Hauke, Jan und Moritz), sondern auch eine Perle der Einspielungen, die nicht online verfügbar ist: Der Song von Hauke Heumann (Orpheus und Amphion) wird beim Spaziergang vom Schauspielhaus entlang der Düssel zum Malkastenpark eingespielt.

Die vorerst letzte Live-Performance des FFT ist für Samstag, 2. September um 16.00 Uhr angesetzt. Eintritt frei. Anmeldung unter https://fft-duesseldorf.de/spielplan/sichtgruen-peer-to-peer notwendig. Ein lohnenswerter Trip, auch finanziell. Denn FFT lässt sich nicht lumpen und legt noch einen Euro drauf. Den braucht man zum Zutritt über ein Drehkreuz zum Malkastenpark, wo die Tour endet.

Fotos (siehe Druckausgabe) + Text: Michael Flascha