Nicht kugelsicher

Mal wieder Atommüll-Transporte in Aussicht

In der Nacht vom 21. auf den 22. November 2023 hat das Wirtschaftsministerium NRW erneut einen leeren Castor-Behälter auf einem speziell hierfür angefertigten Lastwagen auf die Reise von Jülich nach Ahaus geschickt, eine sogenannte „Kalthandhabung“. Die erste war vor zwei Wochen, wobei es kaum Proteste seitens der Anti-Atomkraft-Initiativen gab, diesmal jedoch protestierten rund 100 Menschen, ein beleuchteter Corso mit 20 Traktoren fuhr durch Ahaus, wo sich parallel ca. 150 Atomkraftgegner*innen versammelten. Sie alle wollten verhindern, dass ab 2024 mit hochradioaktivem Atommüll befüllte Castor-Behälter vom Forschungsreaktor Jülich aus ins 170 km entfernte Ahaus gekarrt werden.

In einem Zwischenlager der JEN (Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen) in Jülich lagern rund 300.000 tennisballgroße Brennelemente-Kugeln aus dem 1988 stillgelegten Versuchsreaktor in 152 Castor-Behältern. Die JEN will diese lieber heute als morgen loswerden. Im Versuchsreaktor wurden ca. 20 Jahre lang verschiedene Brennelemente getestet, die Stilllegung erfolgte nach mehreren massiven Störfällen, die u.a. zu einer übermäßig starken radioaktiven Kontamination des Reaktors sowie einer Verstrahlung des darunterliegenden Bodens geführt haben. Für die hochradioaktiven Überbleibsel muss eine neue Bleibe gefunden werden, denn 2013 ist die Genehmigung für dieses Zwischenlager ausgelaufen, wegen angeblicher Erdbebengefahr. Die unverzügliche Räumung wurde vom NRW-Wirtschaftsministerium angeordnet, ist bis dato jedoch nicht erfolgt. Die Castoren wiederum haben nur eine Laufzeit von 40 Jahren, was nahelegt, dass deren Inhalt angesichts der völlig ungeklärten Endlager-Lösung nochmal umgepackt werden muss, was wiederum nicht in Ahaus, aber in Jülich möglich ist.

Die Bundesministerien für Forschung, Umwelt und Finanzen bevorzugen Ahaus als Zwischenlager, wie in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages zu lesen ist. Die in NRW seit 2022 regierenden Parteien CDU und Grüne hingegen hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag für Jülich ausgesprochen: „Wir setzen uns für eine Minimierung von Atomtransporten ein.“ Für den Verbleib des Jülicher Atommülls ist der Neubau eines Zwischenlagers erforderlich, das werde die NRW-Landesregierung vorantreiben. Mit diesem werde allerdings erst voraussichtlich ab 2032 zu rechnen sein. Die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur ist auch für die Atomaufsicht zuständig. Das JEN solle beide Optionen, Jülich und Ahaus, gleichwertig verfolgen, aber man wolle den Atommüll lieber weiterhin in Jülich lassen. Eine neue Genehmigung für das bestehende Lager habe weniger Unsicherheiten und sei wohl schneller zu erreichen.

Kurios ist auch, dass das Zwischenlager in Ahaus nur eine Betriebsgenehmigung bis 2036 hat. Grund hierfür ist u.a., dass Ahaus nicht ausreichend gegen Terroranschläge und Flugzeugabstürze gesichert ist. Jülich hingegen liege in einem Erdbebengebiet. Eine halbwegs sichere Zwischen- oder gar Endlagerung ist an beiden Orten nicht verantwortbar, oder was?

Auf jeden Fall sieht es so aus, als habe NRW mit Hendrik Wüst und Mona Neubaur eine andere Position als die Bundesregierung.

Anti-Atomkraft-Initiativen sprechen sich für den Verbleib der heißen Kugeln in Jülich aus, schon alleine wegen der Transport-Problematik. Bei 152 strahlend beladenen LKW (1 Castor pro LKW) ergäben sich 304 Hin- und Rückfahrten quer durch NRW. Beim ersten Probetransport Anfang November führte die Route auch durch heikle Gebiete wie den Düsseldorfer Flughafentunnel (A44) und die Großbaustelle am Autobahnkreuz Kaiserberg (A3), dann kreuz und quer über die Duisburger Stadtautobahnen (A40, 59, 42) durch dicht besiedeltes Gebiet zurück auf die A3. Was für ein Irrsinn!

Mit Protesten darf gerechnet werden, Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstrant*innen sind vorprogrammiert. Die Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ begründet ihre Ablehnung damit, dass Atommüll-Transporte niemals ohne Risiko seien und der Atommüll an dem Ort verbleiben solle, wo er entstanden ist, solange es kein genehmigtes Endlager gebe. Die Gesamtdauer der Transporte, so sie denn stattfinden, wird etwa zwei Jahre dauern. Während der Fußball-EM im Sommer 2024 müssten die Castor-Transporte z.B. pausieren, da die Polizeikräfte nicht für beide Events ausreichen.

Bereits im Vorfeld gibt es Klagen u.a. der Stadt Ahaus, die den Atommüll nicht haben will. Es ist also denkbar, dass aus Ahaus nichts wird, weil die Transporte juristisch verhindert werden.

Christine

Infos: bbu Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V.
https://bi-ahaus.de
https://westcastor.org
https://bbu-online.de