TERZ 01.24 – LAUSIGE ZEITEN
„Frieden, Frieden“, krächzt in Heinrich Bölls „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ der Engel von der Tannenbaumspitze. Der sprechende Engel ist der ganze Stolz der alten Tante, die sich nicht damit abfinden will, dass am 26. Dezember Schluss ist mit Weihnachten. Und deshalb muss die ganze Familie – inklusive Kinder und Enkelkinder – auch im Januar, Februar, März, schließlich das ganze Jahr über Weihnachten feiern. Und immer krächzt der Engel „Frieden, Frieden“ …
Die Friedenstauben von Anne Aumann sind von anderem Kaliber. Die waren schon vor zwei Jahrzehnten mächtig sauer, da es ihnen gewaltig auf die Eier geht, dass zweibeinige Erdenbewohner*innen (Eigenbezeichnung: „homo sapiens“) einen Krieg nach dem anderen vom Zaun brechen. Die nunmehr 71-jährige Aumann hat sich entschlossen, alles was sie seit 1970 über Kampagnen, Kunst- und Karnevalsaktionen gesammelt hat, dem Duisburger Archiv für alternatives Schrifttum (afas) zu übergeben. Im November wählte afas Annes Tauben im Übrigen zum Fundstück des Monats. Begleittext:
„Die Friedenstauben kamen vor kurzer Zeit gemeinsam mit zwei Stahlschränken zu uns ins Archiv geflattert. In diesem persönlichen Vorlass der Düsseldorfer Künstlerin und Wandmalerin Anne Aumann finden sich u.a. Skizzen ihrer Aktionskunst und Unterlagen zum politisch-alternativen Karneval.
Die Friedenstauben erblickten 2003 das Licht der Welt: Wenige Wochen vor dem traditionellen Ostermarsch der Friedensbewegung begann der Dritte Golfkrieg mit dem Überfall der USA und „der Koalition der Willigen“ auf den Irak. In den Vorbereitungen zum Ostermarsch kam Anne Aumann auf die Idee zur Parole „Scheiß Überstunden“ – welche die Täubchen schon damals schieben mussten – und fertigte eine Skizze an. Beim abendlichen Brainstorming mit anderen Friedensaktivist*innen in der Kneipe kamen dann später weitere Sprüche hinzu, etwa „Ich flieg mir noch ‘n Wolf…“
Die Friedenstauben von Anne Aumann sind nach 20 Jahren noch erstaunlich gut erhalten – und thematisch leider nach wie vor aktuell.“
http://afas-archiv.de/fundstuck-des-monats/
Als Zeichen für Toleranz und Vielfalt sind sie gedacht, außerdem sehen sie schön aus und beleben das Stadtbild, auch in Düsseldorf: Sitzbänke in Regenbogenfarben.
Die Grünen hatten Anfang 2022 einen Antrag in den Gleichstellungsausschuss eingebracht, in dem es heißt: „Regenbogenbänke setzen ein klares Zeichen für Vielfalt, Weltoffenheit, Toleranz und Akzeptanz (...). Mit den Sitzbänken setzen wir ein aktives Zeichen gegen Diskriminierung und für Akzeptanz (...) der LGBTIQ-Einwohner*innen in Düsseldorf”. Insgesamt 4.000 Bänke (sie müssen aus Holz sein) im Düsseldorfer Stadtgebiet kämen für die bunte Umgestaltung in Frage. Die Bezirksvertretung 2 (Düsseltal und Flingern) hatte sich im März 2022 hiermit befasst und sich für den Neuanstrich von Bänken im Zoopark, Hanielpark und am Brehmplatz ausgesprochen – gegen die Stimmen der CDU.
Die erste Regenbogenbank war kaum aufgestellt, da wurde sie von bislang Unbekannten in den Farben der früheren Reichskriegsflagge schwarz, rot und weiß übermalt.
Auch die AfD ist nicht unbedingt für die Regenbogenbänke, möglicherweise bevorzugen AfDler*innen braun-blaue Bänke, mensch weiß es nicht.
Der Brahmsplatz in Düsseltal wurde dann als weiterer Standort auserkoren, aber da stellte sich die CDU quer, wie die Rheinische Post am 30.11.2023 berichtete. Die Christdemokraten wehren sich „vehement” gegen eine Regenbogenbank am Brahmsplatz und wollen lieber eine „normale”.
Die CDU-Ratsfraktion wirbt auf ihrer Homepage mit dem Slogan: „Starkes Düsseldorf – Heimat zum Wohlfühlen”.
Wir enthalten uns jeden weiteren Kommentars.
Christian Blex, die AfD und der Plenarsaal des Düsseldorfer Landtags
Im September 2022 war es passiert: AfDler Christian Blex, seit 2017 Mitglied des NRW-Landtages, wurde von einer eindeutigen Mehrheit seiner Fraktion rausgeworfen. Seitdem saß er rechts in der letzten Reihe des Plenarsaals auf einem Einzelplatz und war fraktionsloser Abgeordneter.
Der in der AfD seit Jahren nicht unumstrittene Blex hatte anscheinend eine Neigung zu nicht mit den Partei-Oberen abgestimmten Auslandsreisen. 2018 zog es ihn auf die von Russland annektierte Krim, 2019 traf er hochrangige Vertreter*innen des von Russland unterstützten Assad-Regimes in Syrien. Endgültig zu weit ging er nach Ansicht seiner Partei, als er sich im September 2022 von Russland aus zu einer Reise in den von Putins Truppen besetzten Donbass aufmachte. Er brach die Reise zwar ab, erklärte sein Verhalten jedoch für legitim und wurde daraufhin umgehend von seiner Fraktion ausgeschlossen. Er reichte Klage beim Landesverfassungsgericht Münster ein, zog diese inzwischen aber wieder zurück.
Zum 1.1.2024 wird nämlich die Wiederaufnahme von Blex in die AfD-Fraktion vollzogen. Zuvor hatte er in intensiven Gesprächen sein Bedauern über sein missfälliges Verhalten glaubhaft gemacht. Außerdem wird Blex gebraucht: AfD-Landeschef Martin Vincentz könnte sich von Kamerad Blex Rückendeckung beim parteiinternen Machtkampf gegen rechtsextreme Kräfte (sic) um den Bundestagsabgeordneten Matthias Helferich erhoffen. Blex betonte, Vincentz und die Fraktion zukünftig mit voller Kraft unterstützen zu wollen.
Aberwitzige Nebenwirkung dieser Story ist, dass der Plenarsaal des Düsseldorfer Landtags für die Rochaden der AfD-Fraktion zweimal umgebaut werden musste, um die Sitze und Tische der jeweiligen Situation anzupassen. Die Höhe der hierfür aufgewendeten Kosten ist nicht bekannt.
Der Neusser Klimaaktivist Winfried Bernhard beschmierte im Januar 2023 das nordrhein-westfälische Pressefoto des Jahres 2022 mit Kartoffelbrei, den er in den Düsseldorfer Landtag – den Ausstellungsort – hineinschmuggeln konnte. Auf dem Bild ist er selbst zu sehen, wie er vor dem riesigen Monstrum eines Braunkohlebaggers kniet. Das Foto wurde bei einer Großdemonstration gegen den Braunkohletagebau Garzweiler II und die Räumung der Stadt Lützerath aufgenommen. Fotografin Barbara Schnell nannte es „unbeirrbar”.
Die Anklage vor dem Düsseldorfer Amtsgericht lautete auf Sachbeschädigung. Der Richter schlug zunächst eine Verfahrenseinstellungen wegen geringer Schuld ohne Auflagen vor. Der Staatsanwalt lehnte dies jedoch ab und forderte als Auflage, Bernhard solle 200 Euro an den BUND spenden sowie die Kosten für den Neudruck des beschädigten Fotos in Höhe von 62 Euro tragen. Das Gericht folgte dem zunächst. Das wiederum lehnte Bernhard ab. „Kunstaktion am eigenen Bild” nannte er die vermeintliche Sachbeschädigung, er sei mit der Ausstellung des Bildes im Landtag nicht einverstanden gewesen. Das Urteil käme für ihn einem Schuldspruch gleich. Schlussendlich sprach das Amtsgericht Bernhard dann am 29.11.2023 ohne Auflagen frei.
Lützerath wurde bekanntlich trotz aller Proteste und wider jede nachvollziehbare Begründung im Januar 2023 geräumt. Da kommt einem immer noch der Kartoffelbrei hoch.