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Mit der Insolvenz der Signa-Holding von René Benko verschärft sich die Immobilien-Kriese weiter, mit auch in Düsseldorf sichtberen Folgen.
Ende November 2023 hat die Signa-Holding GmbH des österreichischen Unternehmers und Multimillionärs René Benko nach ergebnislosen Rettungsbemühungen wegen Zahlungsunfähigkeit beim Handelsgericht Wien Insolvenz angemeldet. Für den international tätigen Immobilien- und Handelskonzern mit einem auf 20 Mrd. Euro geschätzten Gesamtvermögen wurde die Eröffnung eines Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung beantragt.
Die Signa-Gruppe besteht unter dem Dach der Signa-Holding aus über 1.000 Einzelunternehmen, die untereinander durch komplexe Finanzverflechtungen, gegenseitige Beteiligungen und Unternehmensgeschäfte verbunden sind. Die Intransparenz der Geschäftstätigkeit ist keineswegs Zufall, sondern offensichtlich gewollt, um Investor*innen und Banken über die tatsächlichen finanziellen Risiken im Unklaren zu lassen. Sich einen Überblick über den verschachtelten Konzern und die bestehenden Finanzrisiken zu verschaffen, ist nicht nur für Außenstehende, sondern auch für den Insolvenzverwalter eine gewaltige Herausforderung.
Seit der über zehnjährige spekulative Immobilienboom im Jahr 2022 zu Ende gegangen ist, steckt die Branche in einer tiefen Krise. Allein in Düsseldorf mussten mehrere Immobilienunternehmen wegen Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden: Dazu gehören Project Immobilien, Centrum, Gersch Group und Development Partner – um nur einige zu nennen. In diese Reihe gehört auch die Adler Group, die zwar formell bisher nicht zahlungsunfähig ist, aber unter dem Druck ihrer Gläubiger*innen und unter gerichtlicher Aufsicht (nach englischem Recht) eine Sanierung betreiben muss, die einer Selbstabwicklung durch Ausverkauf gleichkommt.
In Düsseldorf ist das Ringen um die Zukunft der Adler-Immobilien, allen voran die Spekulationsbrachen des ehemaligen Glashüttenareals in Gerresheim und der Adler-Anteil am Grand-Central-Projekt in der Nachbarschaft des Hauptbahnhofs, derzeit im Gange. Der Ausgang dieses Ringens ist offen.
Vor der Insolvenz der Signa-Holding hatte schon Signa Sports United Insolvenz angemeldet. Inzwischen sind mit Signa Prime Selection AG und Signa Development Selection AG auch zwei Kerngesellschaften des Immobilienzweigs der Signa-Gruppe insolvent. Wie die Holding hatten beide ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung beantragt. In Düsseldorf gehören zu den gefährdeten Signa-Immobilienprojekten das im Umbau befindliche Carsh-Haus und der benachbarte Komplex Kasernenstraße 6. Insolvent ist auch das Kaufhausunternehmen Galeria-Karstadt-Kaufhof, das in Düsseldorf mit zwei Standorten vertreten ist. Unter dem Dach des Einzelhandelszweigs Signa Retail ist Galeria Teil der Signa-Gruppe.
Bei der Krise der Signa-Gruppe handelt es sich aber nicht nur um eine weitere Immobilienpleite in einer immer länger werdenden Reihe. Der Zusammenbruch der Signa-Gruppe ist vielmehr die größte Insolvenz der Immobilienwirtschaft der zurückliegenden Jahrzehnte! Nach Informationen von Creditreform (Unternehmensberatung und Marktanalyse) belaufen sich die Verbindlichkeiten der gesamten Signa-Gruppe auf rund 12 Mrd. Euro. Neben der Größenordnung der Insolvenz machen aber auch mehrere prestigeträchtige Immobilienobjekte wie etwa der Elbtower in Hamburg, Luxuskaufhäuser wie Oberpollinger in München, in Berlin KaDeWe und das Mynd-Hochhaus am Alexanderplatz, das Goldene Quartier in Wien oder in Düsseldorf das im Umbau befindliche Carsh-Haus die Signa-Pleite zu einem besonders spektakulären Fall. Brancheninsider*innen gehen davon aus, dass die Signa-Pleite den Immobilienmarkt bis ins kommende Jahr hinein negativ beeinflussen wird: „Signa wird der Auslöser für eine weitere Abwärtsbewegung sein“, so Matthias Rant, Vorsitzender des Europäischen Sachverständigenverbandes Euro Expert.
Dabei ist das ganze Ausmaß der Signa-Insolvenz derzeit noch gar nicht absehbar. Ob die beantragte Insolvenz in Eigenverwaltung (für die Holding und die Untereinheiten Prime und Selection) vom Wiener Handelsgericht akzeptiert würde, war unklar. Denn dafür müssen eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein. Nachdem sich der Unternehmensgründer René Benko schon Anfang November 2023 auf Druck von Investor*innen aus der Signa-Unternehmensführung zurückgezogen hatte, blieb, wie bei einer Sanierung in Eigenverwaltung vorgesehen, das bisherige Management weiter im Amt. Ein vom Gericht bestellter Sanierungsverwalter überwachte jedoch alle Management-Entscheidungen und Ausgaben. Ein Sanierungsplan muss erstellt werden, der vom Gericht und den Gläubiger*innen akzeptiert werden muss. In jedem Fall müssen die Gläubiger*innen auf einen erheblichen Teil ihrer Forderungen verzichten. Das ist aber immer noch attraktiver als die Aussicht auf noch höhere Einbußen oder gar einen Totalverlust ihrer Investments, was bei einer Zerschlagung des Konzerns und der Liquidation einzelner Vermögenwerte im Zuge einer Regelinsolvenz drohen könnte. Der Sanierungsplan muss innerhalb von 90 Tagen angenommen und mit dem Gericht abgestimmt werden: Danach hätte die Holding zwei Jahre Zeit für die Sanierung. Inzwischen ist fraglich, ob es überhaupt noch dazu kommt.
Am 25. Januar 2024 wurde bekannt, dass die Signa-Holding nicht mehr vom bisherigen Management weitergeführt werden soll. Signa hat beantragt, die Eigenverwaltung über das Insolvenzverfahren abzugeben und die Geschäfte dem Insolvenzverwalter der Holding, Christof Stapf, zu übertragen. Dadurch könnten die Insolvenzen der Holding sowie der beiden wichtigen Immobilien-Einheiten Signa-Prime und Signa-Development besser koordiniert werden. Die praktischen Konsequenzen dieser Entscheidung sind noch nicht absehbar. Allerdings müssen die Gläubiger*innen nun damit rechnen, bei einem Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung auf bis zu 80% ihrer Forderungen (statt „nur“ 70%) zu verzichten.
Schon jetzt wird geschätzt, dass das Immobilienvermögen der Signa-Holding bereits auf 60 bis 70% der begutachteten Ausgangswerte bei Anmeldung der Insolvenz im letzten Jahr geschrumpft ist. Um die geforderte Gläubiger*innenquote zu erfüllen, muss noch genügend werthaltige „Masse“ vorhanden sein. Der Signa-Insolvenzverwalter muss deswegen möglichst alle Kapitalabflüsse unterbinden. Das aber führt auf den Baustellen der einzelnen Projektgesellschaften zwangsläufig zum Baustopp, da die beauftragten Bauunternehmen dann nicht mehr bezahlt werden können. In letzter Konsequenz geraten die Projektgesellschaften schließlich selbst in die Zahlungsunfähigkeit und müssen Insolvenz anmelden, wenn keine neuen Investor*innen gefunden werden. Dieser Fall ist jetzt bei dem wohl bekanntesten Signa-Immobilienprojekt, dem halbfertigen Elbtower-Hochhaus in der Hamburger Hafencity, dessen Gesamtkosten ursprünglich auf 950 Mio. Euro kalkuliert worden waren, eingetreten: Am 19. Januar 2024 hat die Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG Insolvenz angemeldet. Damit gerät der Insolvezverwalter des Signa-Konzerns in eine Zwickmühle. Denn je mehr Projektgesellschaften selbst zahlungsunfähig werden, weil die Muttergesellschaften die Zahlungen eingestellt haben, um so mehr schrumpft auch die werthaltige „Masse“ der Dachgesellschaften und der Holding, so dass am Ende selbst eine Sanierung ohne Eigenverwaltung fraglich wird. Um drohende Zahlungsausfälle und damit verbundene Wertverluste zu vermeiden, wirbt der Signa-Sanierer Erhard Grossnigg derzeit „dringendst“ um frische Kredite in Höhe von 350 Mio. Euro, die mit stattlichen 9% Zinsen vergoldet werden sollen. Über den Erfolg des Werbens ist nichts bekannt. Die Zerschlagung des gesamten Signa-Konzerns sowie die Liquidation der einzelnen Vermögenswerte steht inzwischen als realistische Möglichkeit im Raum.
Wie ist die Stadt Düsseldorf durch die Signa-Pleite betroffen? Die Signa-Gruppe ist in der Landeshauptstadt mit dem Carsh-Haus-Projekt und dem benachbarten Gebäudekomplex Kasernenstraße 6, den beiden Galeria-Karstadt-Kaufhof-Standorten an der Kö und in der Schadowstraße vertreten. Zwei weitere Signa-Großprojekte – Umbau des Parkhauses neben Galeria-Kaufhof an der Kö und die Immobilie Am Wehrhahn 1 (ehemaliger Kaufhof) – sind noch nicht über das Planungsstadium hinausgekommen.
Carsh-Haus: Ende 2019 hatte die Stadt das Carsh-Haus-Grundstück am Heinrich-Heine-Platz einschließlich der unterirdischen Bereiche für 49 Mio. Euro an Signa verkauft. Als Zugabe erhielt Signa auch das benachbarte Gebäude Kasernenstraße 6. Mit über 5 Mio. Euro sollte sich Signa auch an der Umgestaltung des Heine-Platzes beteiligen. Nach dem Vorbild des Berliner KaDeWe sollte das Carsh-Haus in ein Luxuskaufhaus verwandelt werden: geschätzte Kosten 55 Mio. Euro. Der Heine-Platz vor dem Carsh-Haus gehört weiter der Stadt. Der Plan war, hier über einen Lichthof einen neuen Zugang ins Untergeschoss des Kaufhauses zu schaffen. Als Anfang November 2023 wichtige Baudienstleister wegen Zahlungsverzugs der Carsh-Haus GmbH die Arbeit einstellten, schrillten bereits alle Alarmglocken. Um das Carsh-Haus-Projekt zu retten, wurden aber Ende Dezember von der thailändischen Central Group, sie ist mit 51% zusammen mit Signa beteiligt, offene Rechnungen beglichen. Die Arbeiten wurden daraufhin wieder aufgenommen. Hoffnungen, die Central Group, die der thailändischen Milliardärs-Familie Chirathivat gehört, würde das Carsh-Haus-Projekt ganz übernehmen, haben sich bisher jedoch nicht realisiert. Eher steht inzwischen zu befürchten, dass auch die Projektgesellschaft Carsh-Haus-GmbH zahlungsunfähig wird, nachdem das am 4. Januar 2024 bereits mit der Kasernenstraße 6 Immobilien GmbH & Co KG geschehen ist. Diesem Objekt kommt für die Logistik des Carsh-Hauses eine unverzichtbare Funktion zu. Damit könnte der Stadt Düsseldorf nach dem Adler-Desaster mit dem Carsh-Haus-Projekt eine zweite Immobilien-Großpleite drohen, noch dazu in einer prestigeträchtigen Innenstadtlage. Das Carsh-Haus wäre dann ein mahnendes Symbol der aktuellen Immobilienkrise.
Galeria-Karstadt-Kaufhof: Von Insolvenz ist inzwischen auch Galeria-Karstadt-Kaufhof betroffen. Im Januar 2024 hat das Management wegen Zahlungsunfähigkeit Regelinsolvenz beantragt. Es ist die dritte Insolvenz des Handelsunternehmens in vier Jahren. Grund war, dass mit zugesagten Zahlungen in Höhe von 200 Mio. Euro, zu denen sich Signa noch in der vorhergehenden Sanierungsrunde verpflichtet hatte, aufgrund der Signa-Insolvenz nicht mehr gerechnet werden konnte. Mit der Regelinsolvenz wird nicht die Sanierung, sondern ein Verkauf angestrebt. Das Galeria-Management versucht auf diese Weise, sich möglichst ohne Zerschlagung des Unternehmens aus dem Signa-Zusammenbruch zu retten. Ob das gelingt, ist fraglich. Zunächst müsste ein Käufer gefunden werden. Wie beim Carsh-Haus richten sich auch hier Hoffnungen unter anderem auf den „weißen Ritter“ aus Thailand, die Central Group, die bereits mit Signa kooperiert und als zahlungskräftig gilt. Verlässliche Angaben dazu gibt es bisher aber nicht. Ohne Filialschließungen und Stellenabbau wird es nach den bisherigen Erfahrungen aber in keinem Fall abgehen. Bei den vorhergehenden Insolvenzen wurde stets etwa ein Drittel der Filialen geschlossen, jetzt könnte es die Hälfte sein, schätzen Handelsexpert*innen. In Düsseldorf würde es vermutlich den Standort an der Schadowstraße treffen. In den beiden Düsseldorfer Galeria-Filialen sind derzeit ca. 380 Menschen beschäftigt. Ihre berufliche Zukunft ist ungewiss.
Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass das Immobilien- und Handelsimperium Signa nun vor dem vollständigen Zusammenbruch steht? Wie meist in solchen Fällen, wenn nicht über die systemischen Ursachen kapitalistischer Marktdynamik gesprochen werden soll, werden Geschichten von Gier, Eitelkeit und Naivität erzählt. Natürlich spielen solche menschlichen Schwächen eine Rolle, wenn man erklären will, warum sich erfahrene Investor*innen und prominente Politiker*innen von dem windigen Selfmademan René Benko blenden ließen, der scheinbar aus dem Nichts ein milliardenschweres Unternehmen aufgebaut hat. Dass der österreichische „Wunderwuzzi“ 2012 wegen Korruption zu einer zwölfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde, haben viele mit Blick auf die erhoffte Teilhabe an Ruhm und Reichtum gnädig übersehen. Neben menschlichen Schwächen werden auch gern unvorhersehbare Sonderfaktoren als Ursachen der gegenwärtigen Immobilienkrise genannt: allen voran der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die folgende Krise der Energieversorgung, der Anstieg der Inflation und die dadurch ausgelöste Erhöhung der Leitzinsen. Dabei waren warnende Anzeichen bereits lange vorher erkennbar.
Viele Immobilienunternehmen hatten darauf gesetzt, dass Kreditgeld weiter billig bleiben und die spekulativen Wetten auf immer weiter steigende Preise den über zehnjährigen Immobilienboom ad ultimo verlängern würden. Die Erhöhung der Leitzinsen hat aber, in Kombination mit den bereits spekulativ in schwindelerregende Höhen getriebenen Bodenpreisen und inflationär steigenden Baukosten, solche Geschäftsmodelle reihenweise Makulatur werden lassen und die Branche im Jahr 2022 in die jetzige Krise gestürzt, die nun durch die Signa-Pleite weiter verschärft und verlängert werden dürfte. Dass sich die spekulativen Übertreibungen irgendwann nicht mehr am Markt realisieren lassen würden, wussten alle. Gehofft haen aber alle, am Ende nicht zu den Verlierer*innen zu gehören. Nun hat es mit Signa eines der großen Immobilienunternehmen erwischt. Das ist noch nicht der befürchtete ganz große Knall. Aber das Krisengeräusch der aus der spekulativ aufgeblähten Immobilienblase entweichenden Luft hat sich spürbar verstärkt. Eindämmen lassen sich die zerstörerischen Folgen der Spekulation vor Ort nur, wenn die Kommunen möglichst umfassend die Kontrolle über ihren Grund und Boden zurückgewinnen.
Helmut Schneider
Bündnis für bezahlbaren Wohnraum Düsseldorf