TERZ 03.24 – TEURER WOHNEN
Am 30.1.2024 begann der Aktionstag auf dem Konrad-Adenauer-Platz vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof mit einer Kundgebung: Betroffene berichteten von ihren Erfahrungen auf dem Wohnungsmarkt, Johannes Dörrenbacher von fiftyfifty schilderte die Schwierigkeiten, täglich 100-150 Menschen in der sozialen Beratung gerecht zu werden. Hauptproblem ist und bleibt das Fehlen bezahlbaren Wohnraums, und, potentielle Vermieter*innen müssen ihre Vorurteile gegen wohnungslose Bewerber*innen ablegen, von denen die anwesenden Betroffenen berichteten. Auch Housing First war zugegen, der Verein (siehe Terz 12.23) übergab im Januar 2024 die 50. Wohnung in Düsseldorf an einen wohnungslosen Menschen.
Ab 13 Uhr hatten fiftyfifty und Arnd Liesendahl, Experte in eigener Sache, ins Forum des FFT im KAP 1 eingeladen. Zum Mitnehmen lag ein Positionspapier der „Selbstvertretung wohnungsloser Menschen e. V., Freistatt“, aus, das im Rahmen mehrerer Treffen von 2016 bis 2019 von den Betroffenen erarbeitet wurde und Standards für Obdachlosenunterkünfte fordert: Es müssen verschließbare Einzelunterkünfte sein, die 24/7 zur Verfügung stehen, Kühlschrank, Koch- und Waschgelegenheit bieten, um die Privatsphäre zu sichern. Da Leistungen zunehmend digital beantragt werden müssen, ist die Möglichkeit der digitalen Teilhabe unabdingbar. Wichtig auch: zentrale Lage, fußläufige Erreichbarkeit der kommunalen Infrastruktur.
Die Umsetzung dieser Mindestforderungen liegt auch in einer reichen Stadt wie Düsseldorf in ferner Zukunft. Derweil verschärft sich die Aussicht auf Wohnraum gerade für wohnungslose Menschen unaufhaltsam.
Auch Menschen, die eine Wohnung haben, sind vielfach durch die Wohnkosten überlastet und potenziell von Wohnungslosigkeit bedroht. Weit über 3 Millionen Haushalte in Deutschland zahlen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens für Kaltmiete und Heizung. Da bleibt zum Leben nicht viel übrig.
Eindrucksvoll schilderte Monja Ben Messaoud, wie das bei ihr ablief und welche Schwierigkeiten und Diskriminierungen sie allein wegen ihres Nachnamens bei der Wohnungssuche erleben musste. Erschreckend ist auch die Situation für Ältere, Menschen mit Behinderungen, Erkrankungen und Pflegebedürftige sowie Familien mit Kindern. Und immer wieder: Viel zu wenig bezahlbarer Wohnraum.
Da schienen auch die von Jutta Henke von der GISS (Gesellschaft für innovative Sozialplanung e. V., Bremen) dargelegten Empfehlungen an die Landespolitik zu verpuffen. Das von Kai Lingenfelder vorgestellte Projekt gesund.zeit.raum der Diakonie Düsseldorf bietet an mehreren Anlaufstellen in der Stadt Hilfe, Beratung und Mahlzeiten an, hilft aber kaum aus der Wohnungslosigkeit.
„Zugang verweigert - Diskriminierung wohnungsloser Menschen am Wohnungsmarkt“ (DiWo) So lautet die Studie der Forschungsstelle für sozialraumorientierte Praxisforschung und Entwicklung (FSPE) der Hochschule Düsseldorf (HSD), die am 30.1.2024 im FFT zum ersten Mal öffentlich vorgestellt wurde. Arnd Liesendahl und Michael Müller, die besagten Experten in eigener Sache, sind die Initiatoren dieser Studie. Umgesetzt wurde das umfangreiche Projekt von Prof. Dr. Anne van Rießen und Prof. Dr. Christoph Gille von der HSD, die während der gesamten Veranstaltung anwesend waren. Knapp 300 wohnungslose Menschen wurden für diese empirische Studie von April bis August 2023 befragt. Herunter geladen werden kann „Zugang verweigert“ bei https://diskriminierungneindanke.de.
Zum guten Schluss referierte André Riemer vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen über den „Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit: Ziele und Ausblick auf das Jahr 2024“. Viele Zahlen, kaum Auswege.
Abschlussdiskussion unter dem Motto „Für ein Recht auf Wohnen für jede*n“: Viele kritische Fragen und emotionale Wortmeldungen aus dem Publikum der gut besuchten Veranstaltung zeigten mal wieder, wie brisant dieses Thema ist - und bleiben wird.
Christine
Buchempfehlung:
„Gefangen & Wohnungslos“ von Klaus Jünschke, der über Monate in Justizvollzugsanstalten mit Häftlingen gesprochen hat, die vor ihrer Haft wohnungslos waren und es danach sehr wahrscheinlich wieder sein werden. Aus diesen Gesprächen ist o. g. Buch entstanden. Vorgestellt wurde es vom Autor am 20.2.2024 im BiBaBuZe in Kooperation mit fiftyfifty.