Nuclear Ban?

Bang!
Bäng!!!!

Eine Diskussionsveranstaltung zum Atomwaffenverbot im zakk.

Im Januar brachte die Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl, Katarina Barley, eigene Atomwaffen der EU ins Spiel. Barley bezweifelte, dass Europa durch den US-Atomschirm geschützt sei. „Angesichts der jüngsten Äußerungen von Donald Trump ist darauf kein Verlass mehr“. Auf die Frage, ob die EU eigene Atombomben benötige, antwortete die SPD-Politikerin: „Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann auch das ein Thema werden.“

Diese Äußerungen riefen ausgerechnet die Verteidigungspolitiker*innen auf den Plan, die sich eigentlich für den Ausbau der EU zu einem Militärbündnis stark machen. In empörten Stellungnahmen, wie zum Beispiel von Marie-Agnes Strack-Zimmermann, echauffierte mensch sich vor allem über die Inkompetenz von Barley: Die entsprechenden europäischen Kommandostrukturen seien gar nicht gegeben, zudem gäbe es (leider) die militärtechnischen Voraussetzungen nicht.

Aber spätestens seit dieser Kontroverse steht eine EU-Atombombe im Raum: Die Debatte konnte entscheidend verschoben werden. Es ging plötzlich gar nicht mehr darum, ob die ursprünglich als Wirtschafts- und Friedensprojekt gestartete Europäische Union sich eine eigene Armee zulegt, sondern eher um das Wie und Wann.

Die bevorstehende Europawahl ist Anlass genug, der Diskussion um europäische Atomwaffen und die nukleare Teilhabe ein Podium zu bieten.

Die Initiative „Atomwaffen abschaffen – bei uns anfangen!“ (unterstützt von DFG/IDK, IPPNW, ICAN, dem Netzwerk Friedenskooperative) lud deshalb am 17. März maßgebliche EU-Politiker*innen zu einer Podiumsdiskussion ins zakk. Dem hochkarätig besetzten Panel fehlte dann allerdings das Sahnehäubchen: Sowohl Strack-Zimmermann als auch die CDU hatten eine Einladung ausgeschlagen.

Dennoch war das Interesse groß: In der Halle des zakk konnte Simon Bödecker von „Ohne Rüstung Leben“ rund 120 Zuschauerinnen und Zuschauer begrüßen.

Der Diskussionsleiter Andreas Zumach, ein deutscher Journalist und Publizist, war 1981 bis 1987 als Referent bei der Aktion Sühnezeichen tätig und für die Organisation der ab 1981 abgehaltenen Bonner Friedensdemonstrationen verantwortlich. Als souveräner Diskussionsleiter ließ er seine eigene Position im Hintergrund und konnte nach einer ersten Runde von Statements nur feststellen, dass sich alle Teilnehmenden hinsichtlich der Abschaffung von Atomwaffen ja eigentlich völlig einig seien.

Alle einig? – kontrovers!

Und nun wurde die Debatte, die hier nur schaglichtartig wiedergegeben werden kann, auf Basis dieses Grundbekenntnisses wirklich interessant und auch kontrovers.

Prof. Dietmar Köster (nach zwei Legislaturperioden im Europarlament scheidet er nun aus) kritisierte die eigene Spitzenkandidatin: Katarina Barley sei nicht gut beraten gewesen, EU-Atomwaffen als bedenkenswerte Option zu bezeichnen. Sie habe damit in der SPD auch keine Mehrheit.

Hier widersprach Özlem Alev Demirel (Europaabgeordnete der LINKEN) deutlich: Die Forderung nach EU-Atomwaffen sei keine Phantomdebatte. Verteidigungsminister Boris Pistorius habe bestätigt, dass im Hintergrund bereits seit längerer Zeit konkret über EU-Atomwaffenkapazitäten bzw. eine Teilhabe an französischen Atomwaffen gesprochen werde.

Thomas Geisel (BSW-Kandidat für das Europaparlament auf einem sicheren Listenplatz) sieht in den Bedrohungsszenarien eine „Obsession“ innerhalb Europas. Der Kontinent drohe derweil zwischen den USA und China zerrieben zu werden. Nötig sei daher eine Entspannungspolitik, die die Interessen Europas in einer multipolaren Welt vertritt: Funktionierende Handelsbeziehungen und die Entschärfung von Konflikten. Er betonte, dass mittelfristig – nach Präsident Putin – wieder eine vernünftige Beziehung zu Russland möglich sein müsse. Es sei fatal, dass der aktuelle Bellizismus alle Verbindungen abbreche.

Jutta Paulus (Europaabgeordnete der GRÜNEN) kam sichtlich ein wenig ins Schleudern, eine Diskrepanz zu erklären: zwischen den friedenspolitischen Grundwerten ihrer Partei und dem Agieren der Außenministerin und auch eher bellizistischen Äußerungen maßgeblicher Politiker*innen in den eigenen Reihen. Für Jutta Paulus ist das Auftreten von Annalena Baerbock ihrem Amt als Außenministerin geschuldet. Die grüne Programmatik sei für sie weiter intakt und maßgeblich.

Die vollständige Aufzeichnung des Gesprächs inklusive Transkripts kann im Internet auf YouTube abgerufen werden, was eine Woche nach der Veranstaltung auch rund vierhundertmal der Fall war: https://nuclearban24.eu/podiumsdiskussion/

Neues Veranstaltungsformat?

Die Veranstaltung wurde live über YouTube gestreamt und in der Spitze von über achtzig Zuschauer*innen verfolgt, die von zu Hause aus auch Fragen an das Panel stellen konnten.

Mit der Veranstaltung „Eigene Atombomben oder Atomwaffenverbot: Wohin steuert die EU?“ beschreitet das zakk als Mitveranstalter neue Wege – gleich in zweierlei Hinsicht.

Durch Live-Schalten wird der politische Diskurs im zakk einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Und nach einer gefühlten Abstinenz, politische Kontroversen auf die große Bühne zu bringen, beweist das zakk, dass dies durch ein kompetentes Expert*innenpanel mit einer hochqualifizierten journalistischen Moderation durchaus möglich ist.

So entstehen Perspektiven, eine nicht widerspruchsfreie politische Debatte in die Öffentlichkeit der Stadtgesellschaft zu tragen.

Text & Foto (in der Druckausgabe): Michael Flascha