Aktionsbündnis macht action

Gehen gegen Gentechnik

Anfang April bewegte sich eine bunte Truppe quer durch Düsseldorf, um die Landesregierung zum Handeln gegen die aktuellen Gentechnik-Pläne der EU aufzufordern.

Es zog sich, was das „Aktionsbündnis gegen Gentechnik in und um Düsseldorf“ am 6. April zum „Gehen gegen Gentechnik“ auf die Straße gebracht hatte. An einer langen Leine, an der kleine Kärtchen flatterten, marschierten die Demonstrant*innen, oft in der Montur roter Genteufelchen, durch die Stadt. Was sie da mit sich trugen, waren fein aufgereiht hunderte Postkarten mit Unterschriften gegen das Vorhaben der Europäischen Union, bestimmten neuen gentechnischen Verfahren Risiko-Prüfungen und Kennzeichnungspflichten zu ersparen. Adressat der Sendungen: die nordrhein-westfälische Landesregierung. Die kann nach Meinung des Bündnisses, in dem sich 27 lokale Initiativen und Betriebe wie der Ernährungsrat Düsseldorf, der NABU, die NaturFreunde Düsseldorf, Gerresheim Nachhaltig, das Ökotop Heerdt, die Coordination gegen BAYER-Gefahren und die Bäckerei Bulle zusammengefunden haben, nämlich durchaus etwas gegen die Brüsseler Pläne tun. „In ihrem Koalitionsvertrag hatte Schwarz-Grün erklärt: ‚Wir wollen Verbraucherschutzland Nummer eins sein.‘ An dieses Versprechen werden wir NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen und Umweltminister Oliver Krischer am 6. April erinnern“, hieß es in der Pressemitteilung des Bündnisses zur Demo.

Annahme verweigert

Allerdings wollte keine*r der drei die Unterschriften persönlich entgegennehmen. Die Absagen im Vorfeld hinderten die rund 80 Gentechnik-Kritiker*innen jedoch nicht, bei den Ministerien vorstellig zu werden. Mit zwei Treckern und einer monströsen Gentech-Kartoffel an der Spitze ging es vom Graf-Adolf-Platz aus zunächst Richtung Stadttor zum Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Dort hielt der Biobauer Heiner Hannen vom Kaarster Lammertzhof eine kleine Ansprache. Er berichtete von den negativen Erfahrungen US-amerikanischer Landwirt*innen mit der Gentechnik, räumte mit der Mär ihrer Überlegenheit gegenüber konventionellen und ökologischen Praktiken auf und wandte sich dann direkt an die CDU-Politikerin. „Frau Landwirtschaftsministerin, eine große Mehrheit der Menschen hier in Deutschland und Europa und auch immer mehr Menschen in den USA und anderen Ländern möchten gentechnik-freie Lebensmittel essen. Biolandbau ist gentechnik-frei. Wenn der Gesetzesvorschlag der EU durchkommt, kann ich nicht mehr für gentechnik-freie Erzeugung und damit für Bioanbau garantieren“, schilderte er seine Befürchtungen. Wind und Bienen würden da bei der Bestäubung nämlich keinen Unterschied machen und so seine Pflanzen unkontrollierbar kontaminieren, weshalb die Ernte nicht mehr als Bio-Ware zu vermarkten wäre, so Hannen. „Deshalb darf das EU-Gesetz nicht kommen“, mahnte er.

Dann ging es weiter zum Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie. „Ministerin Mona Neubaur hat leider keine Zeit gefunden, unsere Unterschriften persönlich entgegenzunehmen, aber ich glaube, dafür gibt es nicht nur terminliche Gründe. Während Schwarz-Grün sich im Koalitionsvertrag deutlich gegen die alten Gentechniken ausspricht, steht das Wirtschaftsministerium den neuen durchaus positiv gegenüber“, erläuterte Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren. Er zitierte dazu Verlautbarungen aus dem Haus, wonach Genscheren wie CRISPR/Cas und andere Methoden des Genome Editing ein großes Potenzial für den Standort NRW besäßen und zudem unabdingbar wären, um die Landwirtschaft in die Lage zu versetzen, auf nachhaltige Weise dem Klimawandel zu trotzen und die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Pehrkes Ansicht nach ist das von der Grünen-Politikerin geführte Ministerium damit den Heilsversprechen von BAYER & Co. aufgesessen, die bei der alten Gentechnik ganz ähnlich geklungen hätten und wirkungslos verhallt wären. Er hob dagegen die ganz realen Risiken und Nebenwirkungen der Genscherereien hervor und rief dazu auf, so lange noch Zeit ist alles zur Verhinderung der EU-Pläne zu tun.

Anschließend nahm der Zug am Rhein entlang Kurs auf das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr. Oliver Krischer (Bündnis 90/Die Grünen) fand „wegen der hohen Termindichte und bereits bestehender Verpflichtungen“ zwar auch keine Zeit, die Unterschriften persönlich entgegenzunehmen, aber er ließ zumindest eine ausführlichere Absage aufsetzen. Während sich das Wirtschaftsministerium ohne Wenn und Aber zu den neuen Schnippel-Techniken bekennt, klingt das aus dem Umweltministerium ein wenig anders. „Herr Minister Krischer hat sich bereits im Sinne ihrer Forderungen auf der Frühjahrs-Umweltministerkonferenz (UMK) am 12.5.2023 eingesetzt“, hält das Schreiben fest. Leider jedoch hätten der NRW-Minister und seine Kolleg*innen für die dort gefassten Beschlüsse im Bundesrat keine Mehrheit gefunden, so dass nicht viele ihrer Forderungen in die Stellungnahme der Ländervertretung zum Verordnungsvorschlag der EU eingegangen wären, hieß es weiter. Insgesamt beschreibt das Ministerium die Haltung der nordrhein-westfälischen Landesregierung zur Gentechnik 2.0 als eine „differenzierte Position“. Neben den so obligatorischen wie unbelegten Verweisen auf die segensreichen Wirkungen von CRISPR/Cas & Co. für die Welternährung, die Pestizid-Reduktion und die Klima-Anpassung von Pflanzen betonte das Umweltministerium auch das Risiko der Kontamination von Öko-Produkten mit Spuren von Gentech-Gewächsen. Überdies sah es in der zur Debatte stehenden Patentierbarkeit der Labor-Kreationen eine Gefahr, weil das Züchter*innen den Zugang zu genetischem Material verschließe. „Das Umweltministerium wird sich im weiteren Rechtssetzungsprozess dafür einsetzen, dass offene Fragen zur Transparenz, Wahlfreiheit, Koexistenz, Patentierbarkeit sowie des Vorsorge-Prinzips geklärt werden“, versicherte das Krischer-Ministerium dem Aktionsbündnis zum Abschluss.

Die Macht am Rhein

Anne Mommertz vom Ernährungsrat Düsseldorf nahm den Minister beim Wort: „Sie schreiben, dass Sie sich 2023 in unserem Sinne eingesetzt haben (…) Wir stehen also hier, um unsere gemeinsamen Ziele zu unterstützen.“ Aber so einfach wollte sie Oliver Krischer dann doch nicht glauben schenken. „Wir möchten eine Garantie, dass Gentechnik nur drin ist, wo es draufsteht“, so Mommertz. Dann berichtete sie von US-amerikanischen Öko-Landwirt*innen, die sich auf ihren Feldern mit übergriffigen Genpflanzen von Monsanto herumschlagen müssen und sehnsüchtig nach Brüssel blicken, wo das im EU-Recht verankerte Vorsorge-Prinzip Schutz vor solchen Kontaminationen bietet. „Dieses Vorsorge-Prinzip hebelt die EU mit dem vorgeschlagenen Gesetz nun selber aus! Warum? Für wen?“, fragte die Aktivistin und fand die Antwort unweit von Düsseldorf in Leverkusen, wo mit BAYER das größte Agar-Unternehmen der Welt seinen Sitz hat. Von einer globalen Konzern-Macht, der zur Durchsetzung ihrer kommerziellen Ziele jedes Mittel recht sei, sprach sie in diesem Zusammenhang.

Noch aber sind BAYER & Co. nicht am Ziel. Der Vorschlag für eine Verordnung „über mit bestimmten neuen genomischen Techniken gewonnene Pflanzen und die aus ihnen gewonnenen Lebens- und Futtermittel“ hat in Brüssel zwar schon wichtige Hürden genommen, aber der EU-Kommission gelang es trotz aller Bemühungen nicht, ihn noch vor der Europa-Wahl Anfang Juni durch alle Instanzen zu bringen. Zu groß waren einstweilen noch die Bedenken der Politiker*innen. Aber spätestens im Herbst dürfte das Vorhaben auf Wiedervorlage kommen.

Jan