TERZ 05.24 – DICKES D:
Das Bündnis von CDU und Grünen im Rat der Stadt Düsseldorf hatte sich zu Beginn seiner Amtszeit die Latte nicht gerade niedrig aufgelegt und dabei keine Superlative gescheut; Düsseldorf wolle Klimahauptstadt werden. Zuvor hatte der Stadtrat beschlossen, schon vorzeitig 2035 klimaneutral zu werden. Und als Zugabe sollte es Düsseldorf als die fahrradfreundlichste Großstadt Deutschlands geben.
Nun wird deutlich, dass diese Ziele klar gerissen werden und der Kaiser, pardon der Keller, im 2025 beginnenden Kommunalwahlkampf ziemlich nackt vor dem Wahlvolk stehen dürfte. Zwischen 2010 und 2020 wurde der CO2 -Ausstoß der Stadt insgesamt um 1,41 Millionen Tonnen reduziert, das sind im Durchschnitt 141 000 Tonnen CO2 weniger pro Jahr. Bis zur Klimaneutralität müssten seit 2021 allerdings noch weitere 2,9 Millionen Tonnen CO2 reduziert worden sein. „Das dauert beim bisherigen Tempo 20 Jahre, also bis 2040. Das reicht nicht aus, um das von der Stadt selbstgesteckte Ziel der Klimaneutralität zu erreichen“ stellt Meret John von den Students For Future (SFF) an der Heinrich-Heine-Universität ernüchternd fest.
Beispiel Düsseldorfer Radfernwegenetz: Das heißt sechs Radleitrouten, die eine gefahrlose Durchquerung Düsseldorfs ermöglichen und so den Umstieg auf dieses Verkehrsmittel befördern sollen. Eigentlich sollte die Radleitroute No 1 Mitte dieses Jahres an den Start gehen. Dieser Ausbau hat unterdessen noch nicht einmal begonnen. Im Ausführungs- und Planungsbeschluss vom August letzten Jahres hieß es noch, dass davon die Strecke zwischen Südring und Alte Flughafenstraße (neun Kilometer) bis zum Herbst 2025 fertiggestellt werde. Mittlerweile alles kassiert - es ist klar, das mit dem Bau nicht vor dem Beginn der Fußball-Europameisterschaften begonnen wird. Noch im Mai 2022 wurde verkündet, dass die Radleitroute No 2 (Ost-West vom Böhler-Areal in Lörick bis zum Neusser Tor in Gerresheim) Ende dieses Jahres fertig sei. Fakt ist, dass bis Ende 2024 davon nur Bruchstücke dieser 12 km langen Strecke befahrbar sein werden. Stolz wird nunmehr auf das 900 Meter lange Teilstück der Route auf der Luegallee im Nobelstadtteil Oberkassel verwiesen. Diese setzt sicherlich Maßstäbe hinsichtlich Komfort und Akzeptanz in der Bevölkerung. Fakt ist aber, dass der Ausbau eines rund 300 km langen Radwegenetzes in Düsseldorf nicht vorankommt. Die Co-Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion Sabrina Porschmann erteilt der rot-grünen Ratsmehrheit für den Radwegeausbau die Note 5 bis 6.
„Der Ethikrat hat in seiner jüngsten Stellungnahme deutlich betont, dass die notwendigen Schritte zur Eindämmung des Klimawandels so schnell wie möglich ergriffen werden müssen und dass ein Hinauszögern ethisch nicht zu rechtfertigen sei“, stellt Sigrid Wolf, die Regionalgeschäftsführerin der DGB-Region Düsseldorf-Bergisches Land fest. Als Sprecherin des „Düsseldorfer Bündnisses für eine gerechte Gesellschaft - sozial und ökologisch“ fügt sie hinzu: „Die Investitionen in den Umweltschutz sind im Haushaltsplan 2024 mit 63 Millionen Euro um ganze 22 Millionen geringer, also minus 26 Prozent. Und die Investitionen für Maßnahmen zur Klimaneutralität würden in den kommenden Jahren um 5 Millionen Euro gegenüber diesem Jahr (20 Millionen) gekürzt“. Mit diesen marginalen Anteilen von 2,7 (Klimaneutralität) bzw. 8,5 Prozent (Umweltschutz) an den Gesamtinvestitionen der Stadt Düsseldorf ist der vollmundig verkündete Quantensprung in Sachen Klimaneutralität für Düsseldorf bis 2035 nicht umsetzbar.
Es fehlt angeblich am lieben Geld für die notwendigen Investitionen. Nach dem Jahresabschluss 2023 kann die Stadt Düsseldorf überraschend die sogenannte Ausgleichsrücklage auf 700 Millionen enorm aufstocken. Lange war man davon ausgegangen, dass dieses „Sparschwein“ bis Ende 2024 komplett leer sein würde, so dass Ausgaben, die nicht gesetzlich vorgeschrieben sind, durch die Bezirksregierung genehmigungspflichtig werden würden, und man sich alle Sonderwünsche, nicht nur die ökologischen, abschminken könne. Nun ist mensch bei einem Rekordkurs bei den Steuereinnahmen, die dank der Gewerbesteuereinnahmen von über 1,5 Milliarden nur so sprudeln. Zynischerweise ist dieses Plus auch auf den Ukraine-Krieg zurückzuführen, denn der Kriegsgewinnler Rheinmetall hat seinen Firmensitz in Düsseldorf.
Die Begehrlichkeiten hinsichtlich der freien Spitze sind groß, und es wird mehr politischen Druck erfordern, diese Millionen für die ökologische Wende in der Stadt einzusetzen. Gleichzeitig weisen die Gewerbesteuereinnahmen einen Weg, die frei verfügbaren Mittel über das Jahr 2024 hinaus zu sichern: die Anhebung des kommunalen Gewerbesteuersatzes - aber davon will Oberbürgermeister Keller nichts wissen.
„Da sehr reiche Menschen deutlich mehr zum Klimawandel beitragen als die Mehrheit der Menschen“, wie jüngst eine Oxfam-Studie ermittelte, „ist es angemessen und gerecht, die Vermögenssteuer wieder einzuführen und die Erbschaftssteuer so zu reformieren, dass die vielen Ausnahmen für sehr reiche Menschen abgeschafft werden“, stellt Pater Wolfgang Seifert von der Altstadt-Armenküche für das Düsseldorfer Bündnis für eine gerechte Gesellschaft fest. Bis eine wirksame Erbschafts- und Vermögenssteuer durchgesetzt sei, könne der Rat auch befristet eine Gewerbesteuererhöhung beschließen.
Fotos (siehe Druckausgabe) und Text: Michael Flascha
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Diejenigen, denen nun der Kopf vor lauter Zahlen und haushaltsrechtlicher Regelungen rauscht und denen, die bei scheibchenweiser Rücknahme von klimapolitischen Maßnahmen längst den Überblick verloren haben, seien auf eine Ansatz der Initiative „Weitblick“ verwiesen. Zusammen mit der Diakonie Düsseldorf lud „Weitblick“ Anfang April die bekannten Ex-WDR-Journalisten Jürgen Döschner und Helmut Rehmsen ins Zentrum plus auf der Grafenberger Allee ein.
Wie kann man der gefühlten Hilflosigkeit angesichts des Versagens der Politik begegnen? Welche Aktivitäten kann mensch persönlich entfalten, die über eine bloße Entlastung des eigenen schlechten Gewissens und eines persönlichen Greenwashings hinausgehen? In sogenannten Breakout Groups (zu deutsch: Kleingruppen), konnten Handlungsoptionen vor dem eigenen persönlichen Hintergrund diskutiert werden. Die Ergebnisse wurden anschließend von einer Gruppensprecher:in im Plenum vorgetragen. Mit diesem Format beschreitet die Initiative „Weitblick“ neue Wege, um Handlungsbereite abzuholen und nicht in Resignation versinken zu lassen.
Die gewerkschaftlich orientierte Initiative „Weitblick“ (Forum für Frieden Demokratie Gerechtigkeit) ist auf mehreren Politikfeldern unterwegs, eine weitere Kooperation mit dem Zentrum plus auf der Grafenberger Allee ist angedacht. Wir sind gespannt.
Zum Weiterlesen empfiehlt Jürgen Döschner das gerade bei Ullstein erschienene Buch seines Kollegen Christian Stöcker: Männer, die die Welt verbrennen
Aus dem Inhalt:
Warum wir den Kampf gegen gewissenlose Geldmacher, egomane Staatslenker und verlogene Propagandisten gewinnen müssen.Die Welt steckt in der Endphase eines Kulturkampfs: Gier gegen Gerechtigkeit, Zerstörung gegen Nachhaltigkeit, Zynismus gegen Empathie. Nichts zeigt dies deutlicher als die Reaktionen auf die Klimakatastrophe: Hier jene, die versuchen, das Schlimmste zu verhindern, dort jene, die alles tun, um aus dem Verbrennen fossiler Stoffe Profit zu ziehen. Jahrzehntelang haben Ultrareiche sowie Unternehmen, die mit CO2-Produktion gut verdienen, mit skrupelloser Desinformation Zweifel daran gesät, dass wir Menschen mit unserer Sucht nach fossilen Brennstoffen die Erde aufheizen.
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