Die Korken im Panzerlauf

Lockheed-Martin-Hörsaal und Rheinmetall-Professur: Werden auch die Unis endlich kriegstüchtig? So schnell nicht.

Von der Rüstungsindustrie gesponserte Professuren und Hörsäle sind bisher nur Horrorszenarien, an der Verzahnung von Wissenschaft und Militär wird aber zunehmend gearbeitet. So fordert Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) genau das und ist damit nicht allein. Noch radikaler prescht bisher nur Markus Söder vor, der ein Kooperationsgebot von Universitäten mit der Bundeswehr plant. Im Weg stehen in ganz Deutschland bislang noch die sogenannten Zivilklauseln, wenn auch ihre Gegner*innen sich immer mehr ins Zeug legen.

Seit den 2010er Jahren haben Universitäten in ihren Grundordnungen häufig Zivilklauseln verankert. Darin verpflichten sie sich dazu, nur zu zivilen, sprich: nicht kriegerischen Zwecken zu forschen.

Im Uni-Alltag wirkt sich das zunächst beispielsweise auf die Auswahl von Drittmittelgebern aus. Geht den Universitäten das Geld aus, müssen sie sich private Geldgeber suchen. Mit Zivilklauseln werden Rüstungskonzerne als Kooperationspartner verhindert.

In Deutschland haben diese Verpflichtungen eine lange Vorgeschichte. Sie sind eine Lehre daraus, dass die deutsche Wissenschaft von 1933-1945 zum willigen Helfer des Faschismus wurde.

Im Lichte der aktuell stattfinden Aufrüstung, den Bestrebungen zur Kriegstüchtigkeit und der geplanten Popularisierungskampagne der Bundeswehr an Schulen sind die Zivilklauseln der Bundesregierung und der Rüstungsindustrie ein Dorn im Auge.

Universitäten als demokratisch verfasste Institutionen können so nicht einfach zur Bühne von Bundeswehr und Co. werden. Hybride Forschungsprojekte, bei denen Wissenschaftler*innen schrittweise in Kontakt mit der Rüstungsindustrie kommen, sind auch ausgeschlossen. Es ist also kein Wunder, dass sich beispielsweise Stark-Watzinger in einem Gastbeitrag in der FAZ die Zivilklauseln wegwünscht (FAZ vom 20.8.2023). In Hessen gibt es Bestrebungen im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU, die Zivilklauseln abzuschaffen. In NRW machte die AfD zuletzt die Querfront der Kriegsbefürworter*innen komplett und forderte dasselbe im Landtag NRW.

Die Universitäten zu knacken, ist für die Rüstungsindustrie sowie die herrschende Politik dabei ein wichtiger Meilenstein. Zur Normalisierung der Bundeswehr trägt es eben nicht gerade bei, wenn sie als Kooperationspartnerin von über 70 Hochschulen ausgeschlossen ist. Außerdem braucht der Krieg die Forschung: Immer wieder wird der vermeintlich desolate Zustand der Bundeswehr diskutiert. Bessere, günstigere Waffensysteme sind gewünscht, am besten, wenn sie auch noch in Deutschland selbst entwickelt werden. Auch die „deutsche Atombombe”, die aktuell wieder im Gespräch ist, wäre ohne zusätzliche Forschung nur schwer vorstellbar.

Das passt auch zur Beschwörung durch Boris Pistorius (SPD) aus dem Februar, dass Deutschland in der NATO eine Führungsrolle einnehmen solle. Ohne eigenes fähiges Militär und fortschrittlichste Waffen aus eigener Produktion, die auch an die Partnerstaaten verteilt werden können, geht das nicht.

Noch sind nicht alle kriegsverrückt geworden; das Studierendenparlament der Heinrich-Heine-Universität hat sich am 15.04.2024 auf Initiative des SDS (Sozialistisch-Demokratischer Studierendenverband) zur Zivilklausel und ihrer Beibehaltung bekannt. Die Universität als Austragungsort politischer Kämpfe wird aber auch in nächster Zeit ein umstrittener Ort sein.

Bei der aktuellen finanziellen Lage der deutschen Wissenschaft wird allerdings nur sehr ungern auf mögliche Geldmittel aus moralischen Gründen verzichtet, die Einwerbung von Drittmitteln ist Dauerthema in Gremien wie dem akademischen Senat, und stetig werden Wissenschaftler*innen dafür geehrt, Fördergelder eingetrieben zu haben.

Die Zivilklauseln dürfen in dieser Auseinandersetzung also nicht bloß als Brandmauern oder Verbote verstanden werden. „Forschung, Lehre und Studium (...) sind friedlichen Zielen verpflichtet” heißt es etwa in der Grundordnung der Heinrich-Heine-Universität. Damit lassen sich die Zivilklauseln weiter deuten: Sie haben einen positiven Charakter und bestimmen den Charakter der Forschung selbst mit. Sie bilden Wegweiser für eine emanzipierende Wissenschaft, die zur Lösung der Krisen unserer Zeit beitragen und nicht für Krieg und Zerstörung forschen.

Maxi