Unrühmliche Story ohne Happy End

Abschiebung und Abschiebeknast in Düsseldorf

Die Art des Umgangs mit der Abschiebe-Thematik ist erschreckend und erschütternd, menschenverachtend und rücksichtslos, nicht nur in Düsseldorf, und nicht erst seit der erneuten Verschärfung des Asylrechts im April diesen Jahres. Sie reicht bereits Jahrzehnte zurück. Regierungen, Parteien und Personen in Amt und Würden entscheiden über geflüchtete Menschen, die Schutz und Hilfe suchen, ihre Heimat, Familien, Freunde, oft einfach alles verloren haben, die eingesperrt und zurück in Länder verfrachtet werden sollen, in denen sie von Verfolgung, Terror und Tod bedroht werden. Oder die sie nicht einmal kennen. Das „Bündnis gegen Abschiebegefängnis in Düsseldorf und überall”[1] berichtet in folgender Zusammenfassung über seine Anfrage im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), die Licht in die Planungen bezüglich eines Ausreisegewahrsams in Düsseldorf bringen sollte. Damit war das Bündnis erst nach einer Klage teilweise erfolgreich. Die TERZ dokumentiert.

Bislang glänzte das Land NRW bei diesem Thema nicht mit Transparenz. Das zuständige Ministerium hat unsere Anfrage nach dem IFG abgelehnt, dagegen klagen wir seit Oktober 2022. Im laufenden Gerichtsverfahren hat das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) Anfang März 2024 erstmals über 1.700 Seiten an Akten freigegeben, die zeigen, wie konkret die Pläne für einen Ausreisegewahrsam in Düsseldorf bereits 2020 waren, lange bevor sie öffentlich bekannt wurden. Eine langwierige Standortsuche und diverse Umsetzungsmodelle offenbaren sich, Corona bremste die Planungen.

In einem vom Verwaltungsgericht Düsseldorf anberaumten Erörterungstermin am 22.4.2024 betonten die Vertreter*innen des Ministeriums, es gebe tagesaktuell keine Pläne für einen neuen Ausreisegewahrsam in NRW. Die Landesregierung habe im Dezember 2023 entschieden (…), dass die Planungen zu einem Ausreisegewahrsam am Flughafen Düsseldorf derzeit nicht sinnvoll seien. Zur Erinnerung: Ein Vorstoß der FDP-Opposition im NRW-Landtag forderte eine deutliche Stellungnahme, die am 16.12.2023 dann in Form einer eindeutigen Ablehnung erfolgte. Demnach sollen im Landeshaushalt für das Jahr 2025 keine Mittel mehr für den neuen Ausreisegewahrsam eingeplant werden. Eine Hintertür ließen sich die Beamt*innen aber offen: Aussagen für die Zukunft könnten sie nicht treffen, das sei abhängig von politischen Entwicklungen. Angesichts der zunehmend geflüchtetenfeindlichen Positionen in nahezu allen Parteien ist das eine wenig beruhigende Aussicht.

Für uns Gegner*innen von Abschiebehaft bleibt es deshalb wichtig zu wissen, wie die bisherigen Planungen verliefen, welche konkreten Standorte im Gespräch waren und wie sich einzelne Akteur*innen positioniert haben. Deshalb teilen wir die Akten in voller Länge auf der Transparenz-Plattform FragDenStaat.

Bereits im Mai 2017 forderte der damalige nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD), die in der Vergangenheit als Geflüchteten-Notunterkunft genutzte Containeranlage am Flughafen Düsseldorf (neben P13) als weiteren Standort für eine Abschiebungshafteinrichtung zu nutzen. Die Bezirksregierung Düsseldorf erteilte Jägers Plänen eine Absage, sie seien weder finanziell noch zeitlich zu realisieren.

Im November 2018 wählte das von Joachim Stamp (FDP) geführte und zu der Zeit zuständige Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration (MKFFI) einen neuen Ansatz: eine Einrichtung, die zugleich für den Ausreisegewahrsam als auch für das sogenannte Flughafenverfahren nach § 18a AsylG genutzt werden könne. Ab Dezember 2019 folgten mehrere Besichtigungstermine am Düsseldorfer Flughafen. Der Abschiebeknast war offenbar Chefsache, sogar ein kurzfristiges Treffen zwischen Joachim Stamp und dem Geschäftsführer des Flughafens wurde anberaumt. Die Flughafengesellschaft sollte Planung und Bau selbst übernehmen und das fertiggestellte Abschiebegefängnis (geplant waren ca. 25 Haftplätze) dann an das Land NRW vermieten (sog. Mietmodell). Als Standort war wiederum der Teil des Parkplatzes P13 mit der Containerunterkunft im Gespräch. Im August 2020 wurde jedoch klar: Die hohen Baukosten würden eine zeitintensive EU-weite Ausschreibung erfordern, die angestrebte Eröffnung Anfang 2021 war damit nicht zu schaffen.

Alternativstandort gesucht

Mit Verweis auf die coronabedingt schwierige Wirtschaftslage nahm dann auch die Flughafengesellschaft Abstand vom Mietmodell.

Ab September 2020 lotete das MKFFI mehrere mögliche Standorte aus. Zwei Grundstücke in Mönchengladbach wurden nach Protesten örtlicher CDU- und FDP-Abgeordneter nicht weiterverfolgt. Als Alternative kristallisierte sich im Frühjahr 2021 das ehemals vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) genutzte Gelände Auf dem Draap 23-27 in Düsseldorf-Hamm heraus, es erschien durch seine abgeschiedene Lage zwischen Rheindeich, Äckern, einem Klärwerk und einer Schießanlage der Polizei als geeignet. Parallel wurde die Idee verfolgt, den Gewahrsam auf dem mehrfach erwähntenTeil des P13 am Flughafen durch einen Investor bauen zu lassen, denn: die Flughafengesellschaft wolle offenbar „weder für uns bauen noch als Vermieterin einer solchen Einrichtung in Erscheinung treten“. Auch Thomas Geisel (damals SPD), 2014-2020 Düsseldorfer Oberbürgermeister, wollte den Knast lieber auf dem Flughafengelände als im Stadtgebiet. Im April 2021 wurde schließlich auch ein Antragsentwurf der CDU- und FDP-Fraktion, der die Landesregierung mit der Ermöglichung eines Ausreisegewahrsams in Flughafennähe beauftragt hatte, zurückgestellt.

Im Sommer 2021 kamen die Planungen weiter ins Stocken. Das MKFFI verhandelte mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB) über einen Consultingvertrag zur Erstellung einer Bedarfsplanung inkl. Machbarkeitsstudie. Der BLB ließ sich aber offenbar Zeit, sehr zum Missfallen des MKFFI; der Vertrag kam nie zustande.

Parallel beauftragte das Ministerium die externe Beratungsfirma Schmid Mobility Solutions GmbH mit einer vergleichenden Bewertung der beiden Grundstücke P13 und Auf dem Draap. Aus Sicht der Firma Schmid stand fest: Das MKFFI wolle zwar möglichst bald einen Ausreisegewahrsam haben, aber „weder für die Planung, Bau, Erhaltung noch Finanzierung verantwortlich sein“. Vielmehr solle das MKFFI gegen Pacht eine schlüssel- und betriebsfertige Einrichtung für mindestens 15 Jahre bekommen, die eine Drittfirma baut und anschließend betreibt.

Ende 2021 wurde die Planung für ein Abschiebegefängnis in Düsseldorf durch eine Presseanfrage öffentlich.

Prompt erhielt das MKFFI zwei Angebote des Immobilienkonzerns Aengevelt, auf die aber nicht näher eingegangen wurde.

Inzwischen trat Ende Juni 2022 die neue schwarz-grüne NRW-Landesregierung an. Die Themen Abschiebungen und Abschiebehaft übernahm nun das Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) unter der Führung von Josefine Paul (Grüne).

Im August 2022 legte die Firma Schmid die Bewertung der beiden Standorte vor. Der Flughafenparkplatz P13 schnitt in allen Kategorien besser ab. Beim LANUV-Gelände Auf dem Draap seien höhere Baukosten sowie baurechtliche Hürden zu erwarten. Durch die Geräusche des benachbarten Trainingsgeländes der Polizei (u. a. ein Schießplatz) drohe außerdem ‘das Risiko einer Retraumatisierung der unterzubringenden Personen’.

Im November 2022 bat das MKJFGFI die Bezirksregierung Düsseldorf um ein Gutachten, ob Lärmschutzgründe einem Ausreisegewahrsam am Flughafen entgegenstehen würden. Diese reagierte verwundert: Dort wurde offenbar angenommen, die Pläne für einen Ausreisegewahrsam auf dem Flughafengelände seien „schon vor langer Zeit durch das Ministerium nicht weiterverfolgt worden“. Das MKJFGFI dementierte: Es gebe noch kein konkretes Ergebnis oder eine Entscheidung für oder gegen die beiden Standortalternativen P13 und Auf dem Draap, eine Einstellung des Projekts sei nicht erfolgt. Die Bezirksregierung bestätigte daraufhin, dass der Gewahrsam auch in der Lärmschutzzone des Flughafens gebaut werden dürfe. Nach über 1.700 Seiten Akten ist dies das letzte Dokument.

Bei dem eingangs erwähnten Erörterungstermin am 22.4.2024 haben die Vertreter*innen des MKJFGFI angekündigt, die bis zu diesem Tag fehlenden Akten innerhalb einiger Wochen nachzuliefern. Unser Bündnis wird die weiteren Entwicklungen genau im Blick behalten und auch die angekündigten weiteren Akten öffentlich machen.

Bündnis gegen Abschiebegefängnis in Düsseldorf und überall

Nachbemerkungen der Redaktion

Die Auswahl der Standorte für das Abschiebegefängnis ist gruselig: zwischen Schieß- und Kläranlage völlig abgeschieden in Düsseldorf-Hamm der eine, der andere am Flughafen Düsseldorf (einer der größten Abschiebeflughäfen Deutschlands) auf einem mit reichlich Nato-Draht gesicherten Gelände inklusive ohrenbetäubenden Lärms startender Flugzeuge, direkt nebenan der Langzeitparkplatz P13. Ende des Jahres 2023, wie auch das „Bündnis” berichtet, hat nach zähem Ringen verschiedener politischer Akteur*innen, das Land NRW seine Pläne für ein Abschiebegefängnis (Ausreisegewahrsam) in Düsseldorf auf Eis gelegt, weil die Haftplätze nicht mehr gebraucht würden, so das Innenministerium. Im NRW-Abschiebeknast Büren gebe es mit 175 schon genug Haftplätze, es seien nicht mal die Hälfte der Plätze belegt. Da Abschiebehaft weder der Bestrafung noch dem Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Kriminellen dient, soll sie anders vollzogen werden als die Inhaftierung von Straftäter*innen in Strafvollzugsanstalten. Sie dient offiziell dazu, die Abschiebung von ausreisepflichtigen Menschen zu erleichtern: Ausreisegewahrsam. Die europäische Rückführungsrichtlinie sieht ein Abstands- oder Trennungsgebot vor, was bedeutet, dass Abschiebehaft nicht in Strafvollzugsanstalten vollstreckt werden darf, und Abschiebe- und Strafhäftlinge getrennt voneinander untergebracht werden müssen. Soweit die Theorie, aber Abschiebehaft ist schon gesetzlich so ausgestaltet, dass sie vom Strafvollzug kaum abweicht, ihn in der Realität sogar an Brutalität und Entrechtung der Gefangenen übertrifft, vieles wird nicht dokumentiert und bleibt ungeahndet. Fast jede behördlich als ausreisepflichtig eingestufte Person kann aufgrund der zahlreichen rechtlich anerkannten Inhaftierungsgründe eingesperrt werden - bis zu 18 Monate, ohne straffällig geworden zu sein. (TERZ 11.2023)

[1]  Das “Bündnis gegen Abschiebeknast in Düsseldorf und überall” wurde Anfang 2022 gegründet, ihm gehören 14 lokale und überregionale Initiativen, Gruppen und Vereine an.