Vom ersten Buch zur ersten Solo-CD

Der Spezialist für Renaissance- und Barock-Instrumente Pedro Alcàcer wird am Mittwoch, dem 12. Juni um 19 Uhr im Theater an der Luegallee die Arbeit an seiner ersten Solo-CD vorstellen. Pedro ist bereits verschiedentlich in Düsseldorf aufgetreten, unter anderem in der Buchhandlung BiBaBuZe, bei der Tafel in Eller/Lierenfeld und bei privaten Feiern.

Mit seinem Gratis-Konzert im Theater an der Luegallee hofft Pedro, auch Sponsor*innen, Spender*innen und Unterstützer*innen für die Finalisierung seiner CD-Produktion zu finden.

Über seinen Weg zur Alten Musik, sich ändernde Musikrezeptionen und Geschmäcker in Zeiten von Tonträgern, Internet und Corona berichtet er in einem Interview mit der TERZ.

TERZ Wie bist du zur Musik gekommen? Welche Rolle spielt Alte Musik für dich heute?
Pedro Ich bin mit Musik groß geworden, mein Vater spielt in einer Rock- und Blues Band, ich selber war fasziniert von der E-Gitarre und spielte schon sehr früh in einer eigenen Jazzband. In meiner Jugend war ich aber auch immer fasziniert von Johann Sebastian Bach, aber ich habe sehr lange gebraucht, um zu verstehen, dass Bach eigentlich nur das letzte Glied in einer Kette war, die ihren Ausgangspunkt in der Lautenmusik der Renaissance vor fast 500 Jahren hatte.
Über Hochschulstudien in Mexiko, Barcelona, Bremen, Bologna und Italien konnte ich mein Spiel auf Barock- und Renaissanceinstrumenten immer weiter perfektionieren und spiele diesen Part heute professionell in unterschiedlichsten Kontexten: Opern, Sinfonien, Kammermusik. Ich bin ein sehr spezialisierter und gefragter „Allrounder“.

TERZ Was unterscheidet die Alte Musik von der Klassik?
Pedro Mit der klassischen akademischen Musikausbildung seit der Mitte bis 19. Jahrhunderts wurde das Musikspiel gewissermaßen nivelliert: Es gab „bessere Musikinstrumente“, insbesondere das Klavier, und künftig wurde vielfach nur noch auf diesen „modernen“ Instrumenten gespielt, zum Beispiel Bach. Klassische Musiker wurden an Konservatorien als Allrounder ausgebildet, das heißt, sie sollten auf ihrem Instrument das gesamte Repertoire unterschiedlichster Epochen und Stilrichtungen bedienen können. Dieser „Shift“ bei der Instrumentierung wurde den ursprünglichen Kompositionen oft sehr nur bedingt gerecht.
Seit den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts kam dann eine Gegenbewegung auf, die sich an einer historischen Aufführungspraxis orientierte: Originalinstrumente, originale Aufführungsorte, Rekonstruktion ursprünglicher Rezeptionskontexte.

TERZ Wie kam es zur Idee einer Solo-CD?
Pedro Die Corona-Zeiten waren ein harter Einschnitt für mich wie auch andere professionelle Musiker*innen. Nicht nur Auftrittsmöglichkeiten brachen weg, sondern auch die Möglichkeiten meines Unterrichts an Musikschulen wurden stark eingeschränkt. Diese musikpädagogische Tätigkeit war für mich immer eine Herzensangelegenheit, aber sie war eben auch mein zweites ökonomisches Standbein. In den Zeiten von Corona hatte ich dann vor allem eines: viel Zeit. Ich war praktisch auf mich selbst zurückgeworfen und begann mich mit den Wurzeln meiner Musik intensiver auseinander zusetzen. Im Berliner Staatsarchiv spürte ich beispielsweise ein Konvolut von handschriftlichen Notationen für die Laute auf, die ein Händler auf seinen Geschäftsreisen zusammengetragen hatte.
Diese Studien führten mich auch zum Ursprung meiner eigenen Begeisterung für die Musik der Laute zurück: 1536 erschien „El Maestro“ von Luis Milán, das erste gedruckte didaktische Werk für Vihuela, jener Renaissancelaute mit dem faszinierenden samtenen Klang. In meiner Jugend war dieses „erste Buch“ für mich weit mehr als nur eine Lautenschule, es triggerte bei mir damals die Beschäftigung mit den Geheimnissen virtuoser Spieltechnik und kunstvoller Komposition.
So wurde ein lang gehegter Wunsch wieder in mir wach, das Werk von Luis Milán komplett an historischen Orten einzuspielen. Diese Aufnahmen konnte ich mit Unterstützung von Evangelina Mascardi im April dieses Jahres in der Nähe von Rom realisieren.

TERZ Welche Rolle spielen moderne Medien für deinen Wunsch einer möglichst originalgetreuen Aufführung dieses Werkes?
Pedro CD, Internet, YouTube, Streaming-Dienste - die universelle Verfügbarkeit von Musik stellt Musiker wie mich, denen es um möglichst originalgetreue Präsentation dieser Musik geht, vor ganz neue Herausforderungen. Konnte früher eine Plattenproduktion bei einem bekannten Label eine zusätzliche Einnahmequelle für einen Musiker sein, wird heute vielfach erwartet, dass ein Musiker das Geld für eine CD-Produktion selber mitbringt. Als Gegenleistung übernimmt das Label nicht nur die Herstellung der CD, es sorgt dann auch für die Präsenz der Produktion im Internet. Auch wenn die Tantiemen, die über Streaming-Dienste fließen, eher lachhaft sind, ist die Präsenz auf großen Plattformen mehr als nur eine Visitenkarte. Sie erlaubt es mir, ein weltweit verstreutes Publikum für Alte Musik zu erreichen und so neue Projekte für Live-Präsentationen, die im Fokus meiner musikalischen Aktivitäten stehen, anzuschieben und zu realisieren.
Deswegen biete ich, wie in Düsseldorf am 12. Juni im Theater an der Luegallee, eine Reihe von Umsonst-Konzerten an, in der Hoffnung, so auch Unterstützer*innen, spendierfreudige Enthusiast*innen, Sponsor*innen, „Mäzene“ anzusprechen, die mir helfen, meine CD-Produktion auf den Markt zu bringen.

TERZ Was hältst du von Bestrebungen, über eine Modernisierung der Renaissance- und Barockmusik, neues und auch jüngeres Publikum zu erreichen?
Pedro Crossover, Fusion - sicherlich kann man damit auch ein jüngeres Publikum ansprechen. Solche Versuche gab es schon immer wieder: Ich denke z. B. an die Gruppe Ekseption in den Siebzigern oder auch Jacques Loussier, der mit seinen fünf Play Bach Platten zwischen 1959 und 1965 ein Millionenpublikum erreichte. Aber eigentlich können solche Initiativen dem Geist der ursprünglichen Komposition nur schwer gerecht werden.
Interessant und sehr kreativ finde ich da Initiativen wie die des Holland Baroque Ensembles, mit denen ich im Mai dieses Jahres auf Tour war. Holland Baroque versucht sehr erfolgreich, moderne Elemente der Präsentation in seine Auftritte aufzunehmen.
Für mich persönlich ist immer der Bezug auf die Wurzeln, das Original als Referenz entscheidend. Alte Musik ist für mich so etwas wie ein Betriebssystem 2.0, das es den Profis in diesem Bereich erlaubt, sich unmittelbar spielfähig zu neuen Projekten zusammenzuschließen. Ausgehend von diesen Ursprüngen kann dann auch der Bezug dieser Alten Musik zu außereuropäischen Quellen sichtbar gemacht werden: Die Laute hat schließlich ihre Ursprünge in der Oud, und die ist ein Erbe der jahrhundertelangen muslimischen Beherrschung der iberischen Halbinsel. Das eröffnet dann ganz neue Perspektiven und Sichtweisen.
So bin ich immer wieder mit dem Ensemble „Anima Shirvani“ unter der künstlerischen Leitung des aserbaidschanischen Barock-Posaunisten Tural Ismayilow unterwegs. Hier spannen wir einen weiten Bogen über die Seidenstraße, Goethes Ost-Westlichen Divan bis zu Wurzeln in der persischen Musik. Maßstab für uns bleibt aber immer die historische Aufführungspraxis.

Das Interview führte Michael Flascha

Mehr über Pedro Alcàcer auf seiner Website https://pedroalcacer.com

Über seine Projekte https://anima-shirvani.de & https://hollandbaroque.com

Pedro wird auch im Herbst bei einem Konzert in der BiBaBuZe, die bis dahin hoffentlich fertige CD vorstellen.
Mittwoch, 12.Juni um 19 Uhr im Theater an der Luegallee, Haltestelle Luegplatz